Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückwirkendes Ereignis
Leitsatz (NV)
Ein rückwirkendes Ereignis muss zu einer Änderung des Sachverhalts führen, den die Finanzbehörde bei der Steuerfestsetzung zugrunde gelegt hat. Dabei muss es sich um einen Umstand handeln, den die Finanzbehörde bei der Steuerfestsetzung nicht berücksichtigen konnte, weil er noch nicht bekannt oder nicht vorhersehbar war (st. Rspr.).
Normenkette
AO 1977 § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 233a Abs. 2, 2a, 5, 7; KStG § 22
Verfahrensgang
FG Nürnberg (Urteil vom 27.07.2004; Aktenzeichen I 116/2004) |
Gründe
Die Beschwerde ist nicht zulässig erhoben und war daher zu verwerfen. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) hat keinen Zulassungsgrund i.S. des § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) in einer den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO genügenden Weise dargelegt.
1. Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) setzt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame Rechtsfrage voraus, deren Beantwortung in dem angestrebten Revisionsverfahren aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit und/oder Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt; sie muss somit klärungsbedürftig und zudem im konkreten Streitfall auch klärungsfähig sein (vgl. etwa BFH-Beschluss vom 7. Oktober 2003 VII B 196/03, BFH/NV 2004, 232, m.w.N.). Diese Zulassungsvoraussetzungen sind darzulegen. Dazu ist jedenfalls erforderlich, dass der Beschwerdeführer eine im konkreten im Streitfall erhebliche Rechtsfrage herausstellt und substantiiert erläutert, inwieweit diese Frage klärungsbedürftig, d.h. in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen sie umstritten ist (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2004, 232, m.w.N.; vom 20. November 2003 III B 37/03, BFH/NV 2004, 370).
Derart klärungsbedürftige Rechtsfragen hat die Klägerin nicht dargelegt.
Im Streitfall, in dem es um die Anwendung des § 233a Abs. 2 a der Abgabenordnung (AO 1977) geht, ist entscheidungserheblich, ob ein Ereignis mit rückwirkender Wirkung i.S. des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO 1977 vorliegt. In der Rechtsprechung ist geklärt, dass diese Frage allein aufgrund des jeweiligen Sachverhalts zu beurteilen ist. Das nachträglich, d.h. nach Erlass des Steuer- (oder Zins-)bescheids eintretende Ereignis muss somit zu einer Änderung des Sachverhalts führen, den die Finanzbehörde bei der Steuerfestsetzung zugrunde gelegt hat. Dabei muss es sich um einen Umstand handeln, den die Finanzbehörde bei der Steuerfestsetzung nicht berücksichtigen konnte, weil er noch nicht bekannt oder nicht vorhersehbar war (BFH-Urteil vom 19. August 1999 IV R 73/98, BFHE 190, 5, BStBl II 2000, 18; BFH-Beschluss vom 4. November 1998 IV B 146/97, BFH/NV 1999, 589, jeweils m.w.N.).
Aufgrund der vorstehenden Grundsätze hat das Finanzgericht den Beschluss über eine genossenschaftliche Rückvergütung --in Anlehnung an die Rechtsprechung zu offenen Gewinnausschüttungen (BFH-Urteil vom 22. Oktober 2003 I R 15/03, BFHE 204, 6, BStBl II 2004, 398)-- als rückwirkendes Ereignis beurteilt. Es hat auch Gründe dafür angeführt, dass dem nicht entgegenstehe, dass die Rückvergütung als Betriebsausgabe zu berücksichtigen sei. Angesichts dessen wäre für die Darlegung der von der Klägerin behaupteten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache jedenfalls eine Auseinandersetzung mit der Problematik des Streitfalles unter Herausarbeitung eines unterschiedlichen Meinungsstandes erforderlich gewesen. Die Klägerin wendet sich im Kern lediglich gegen die materielle Richtigkeit der Vorentscheidung und stellt dem ihre eigene Rechtsauffassung gegenüber. Dies kann nicht zur Zulassung der Revision führen.
Im Übrigen bedarf --entgegen dem Beschwerdevorbringen-- auch die bilanzielle Behandlung der genossenschaftlichen Rückvergütung keiner Klärung. Ihre Abziehbarkeit als Betriebsausgabe ergibt sich aus § 22 des Körperschaftsteuergesetzes, daraus folgt für am jeweiligen Bilanzstichtag noch ausstehende Vergütungsbeträge ihr Ausweis als Rückstellung (vgl. das auch von der Klägerin bezeichnete BFH-Urteil vom 8. November 1960 I 152/59 U, BFHE 71, 738, BStBl III 1960, 523; vgl. auch Abschn. 66 Abs. 6 i.V.m. Abs. 4 Satz 1 der Körperschaftsteuer-Richtlinien 1995).
Aus den aufgezeigten Gründen fehlt es vorliegend auch an einer hinreichenden Darlegung des Erfordernisses einer Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO).
2. Zur Darlegung einer Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO) wäre erforderlich gewesen, in der Beschwerdeschrift abstrakte Rechtssätze des erstinstanzlichen Urteils herauszustellen, die mit tragenden Rechtssätzen der Entscheidung eines anderen Gerichts nicht übereinstimmen (BFH-Beschluss vom 8. März 2004 VII B 334/03, BFH/NV 2004, 974). Wie sich aus Vorstehendem unter 1. ergibt, ist eine inhaltliche Abweichung der Vorentscheidung von dem von der Klägerin genannten BFH-Urteil in BFHE 71, 738, BStBl III 1960, 523 zudem nicht erkennbar.
Fundstellen
Haufe-Index 1391551 |
BFH/NV 2005, 1489 |