Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Bewilligung von Prozeßkostenhilfe

 

Leitsatz (NV)

Ist ein Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe innerhalb der Revisionsfrist eingereicht und ist ihm eine den gesetzlichen Anforderungen genügende Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers beigefügt worden, so kann dieser nach Bewilligung von Prozeßkostenhilfe Revision bzw. Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision einlegen und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Revisionsfrist beantragen, da er die Revisionsfrist ohne Verschulden allein infolge seiner Mittellosigkeit versäumt hat.

 

Normenkette

FGO §§ 56, 142; ZPO §§ 114, 117

 

Tatbestand

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) hatte mit Bescheiden vom 17. April 1984 für den Gewerbebetrieb des Klägers, Revisionsklägers und Antragstellers (Antragsteller) den Gewerbesteuermeßbetrag 1980 auf 75 DM und den Gewerbesteuermeßbetrag 1981 auf 1 670 DM festgesetzt. Die gegen diese Bescheide eingelegten Einsprüche des Antragstellers hatte das FA wegen fehlender Begründung der Rechtsbehelfe zurückgewiesen. Die Klage des Antragstellers wies das Finanzgericht (FG) ab. Das Urteil des FG wurde dem Antragsteller durch die Post mit Zustellungsurkunde am 12. April 1985 zugestellt. Gegen diese Entscheidung hat der Antragsteller am 24. April 1985 Revision eingelegt (Az. I R 92/85), ohne sich durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer vertreten zu lassen.

Mit einem auf den 22. Mai 1985 datierten und beim Bundesfinanzhof (BFH) am folgenden Tag eingegangenen Schreiben beantragte der Antragsteller, ihm für das Revisionsverfahren Prozeßkostenhilfe zu bewilligen, ,,da meines Wissens nach dieses Verfahren nur durch einen Anwalt oder Steuerberater durchgeführt werden kann". Der Antrag wurde nicht weitergehend begründet.

Am 18. Juli 1985 ging beim BFH ein Schreiben der . . . GmbH ein. Das Schreiben führt aus, der Antragsteller sei alleiniger Geschäftsführer der GmbH. Er beziehe ein Nettogehalt von monatlich 2 224,96 DM, von dem nach Abzug einer Abzahlung für ein Einfamilien-Reihenhaus und der Hinzurechnung von Kindergeld nur ein Betrag von 839,96 DM für ,,die monatliche Ernährung seiner 4köpfigen Familie" verbleibe.

 

Entscheidungsgründe

Dem Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe kann nicht entsprochen werden.

Nach § 142 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i. V. m. § 114 der Zivilprozeßordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten einer Prozeßführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozeßkostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Dem Antrag sind eine Erklärung des Beteiligten über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (Familienverhältnisse, Beruf, Vermögen, Einkommen und Lasten) sowie entsprechende Belege beizufügen; soweit Vordrucke für diese Erklärung eingeführt sind, muß sich der Beteiligte ihrer bedienen (§ 142 FGO i. V. m. § 117 ZPO).

Im Streitfall liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe nicht vor, weil der Antragsteller gegen das Urteil des FG keine zulässige Revision eingelegt hat und auch nicht mehr zulässig Revision (oder Nichtzulassungsbeschwerde) einlegen kann. Mithin bietet die vom Antragsteller beabsichtigte Rechtsverfolgung keine Aussicht auf Erfolg.

Die vom Antragsteller eingelegte Revision (Az. I R 92/85) ist unzulässig, weil er bei der Einlegung des Rechtsmittels nicht durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer als Prozeßbevollmächtigten vertreten war (vgl. Art. 1 Nr. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs - BFHEntlG - vom 8. Juli 1975, BGBl I 1975, 1861, BStBl I 1975, 932 i. d. F. des Gesetzes vom 14. Dezember 1984, BGBl I 1984, 1514, BStBl I 1985, 8). Deshalb hat der erkennende Senat mit Beschluß vom heutigen Tag die Revision verworfen (§ 126 Abs. 1 FGO).

Dies schließt nicht aus, daß der Antragsteller nach Bewilligung von Prozeßkostenhilfe erneut Revision (oder ggf. Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision) verbunden mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 56 FGO) wegen Versäumung der Rechtsmittelfrist einlegen und sich dabei von einer der in Art. 1 Nr. 1 Satz 1 BFHEntlG genannten Personen vertreten lassen könnte. Einem solchen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand könnte jedoch nicht entsprochen werden, weil der Antragsteller das Gesuch um Bewilligung von Prozeßkostenhilfe nicht wie erforderlich innerhalb der Rechtsmittelfrist eingereicht hat (vgl. Beschluß des Bundessozialgerichts - BSG - vom 13. April 1981 11 BA 46/81, Monatsschrift für Deutsches Recht 1981, 1052; Beschlüsse des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 9. Juli 1981 VII ZR 127/81, Versicherungsrecht - VersR - 1981, 884; vom 17. April 1984 VI ZB 1/84, VersR 1984, 660; Tipke/Kruse, Abgabenordnung - Finanzgerichtsordnung, 11. Aufl., § 120 FGO Anm. 20). Die Frist für die Einlegung von Revision (§ 120 Abs. 1 Satz 1 FGO) oder Nichtzulassungsbeschwerde (§ 115 Abs. 3 Satz 1 FGO) lief am 13. Mai 1985 ab. Der Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe ging erst am 23. Mai 1985 beim BFH ein. Gründe, die eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung dieser Frist rechtfertigen könnten, sind nicht vorgetragen worden und auch nicht ersichtlich.

Damit kommt es nicht darauf an, ob dem Antrag eine den gesetzlichen Anforderungen genügende Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers beigefügt worden ist (§ 117 ZPO; vgl. BSG-Beschluß vom 30. April 1982 7 BH 10/82, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1984, 244; BGH-Beschluß vom 16. März 1983 IVb ZB 73/82, Neue Juristische Wochenschrift 1983, 2145).

 

Fundstellen

Haufe-Index 414082

BFH/NV 1987, 260

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