Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Wiedereinsetzung bei - infolge eines Organisationsverschuldens - unterbliebener Absendung eines vom Bevollmächtigten während eines Krankenhausaufenthalts gestellten Antrags auf Verlängerung der Frist zur Begründung der NZB; Postausgangsbuch
Normenkette
FGO § 56 Abs. 1-2
Verfahrensgang
FG München (Entscheidung vom 06.02.2003; Aktenzeichen 11 K 396/99) |
Tatbestand
I. Gegen das am 20. Februar 2003 zugestellte Urteil des Finanzgerichts (FG) betreffend Einkommensteuer 1994 hat der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) am 20. März 2003 Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision eingelegt und diese erst am 5. Mai 2003 begründet.
Er beantragt die Zulassung der Revision sowie Wiedereinsetzung in die versäumte Begründungsfrist.
Zur Begründung seines Wiedereinsetzungsbegehrens trägt er im Wesentlichen vor, seine Prozessbevollmächtigte habe am 11. April 2003 während eines Krankenhausaufenthalts einen Fristverlängerungsantrag diktiert, der allerdings im Zusammenhang mit dem Transport der Diktatbänder vom Krankenhaus in die Praxis abhanden gekommen sei. Nach Rückkehr in die Praxis am 15. April 2003 sei die Vorfristnotierung (17. April 2003 - Gründonnerstag) wohl wegen der Vielzahl der in den Frist- und Terminkalender aufzunehmenden Vorgänge versehentlich nicht ausgeführt worden.
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt ―FA―) beantragt, die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen. Insbesondere sei Wiedereinsetzung schon deshalb nicht zu gewähren, weil die Prozessbevollmächtigte des Klägers nicht durch Führung eines Postausgangsbuchs sichergestellt habe, dass ausgehende Schreiben, wie im Streitfall der Fristverlängerungsantrag, auch tatsächlich abgesandt würden.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unzulässig, weil sie nicht innerhalb der Frist von zwei Monaten nach Zustellung des angefochtenen FG-Urteils begründet wurde (§ 116 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordung ―FGO―) und die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in die versäumte Frist nach § 56 Abs. 1 FGO nicht gegeben sind.
Der Kläger, der sich das Verschulden seiner Bevollmächtigten zurechnen lassen muss (§ 155 FGO i.V.m. § 85 Abs. 2 der Zivilprozessordnung; Beschluss des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 18. Januar 1993 X R 83/91, BFH/NV 1993, 427), hat nicht gemäß § 56 Abs. 2 Satz 2 FGO glaubhaft gemacht, dass er ohne Verschulden gehindert war, die Beschwerdebegründungsfrist zu wahren.
a) Ein die Wiedereinsetzung ausschließendes Verschulden ist schon anzunehmen, wenn ein Antrag, die Rechtsmittelbegründungsfrist gemäß § 116 Abs. 3 Satz 1 FGO zu verlängern, nicht rechtzeitig gestellt wurde (vgl. BFH-Beschluss vom 6. Juli 1987 VI R 24/86, BFH/NV 1988, 99, m.w.N.).
b) Der Kläger hat nicht glaubhaft gemacht, dass seine Bevollmächtigte einen solchen Fristverlängerungsantrag diktiert sowie dessen Fertigung und Absendung hinreichend überwacht hat. Ohne eine solche Überwachung ist von einem Organisationsverschulden der Bevollmächtigten daran auszugehen, dass die fehlende Absendung des Antrags auf Verlängerung der Begründungsfrist nicht vor Ablauf der Frist zur Begründung am 22. April 2003 von ihr festgestellt werden konnte.
aa) Für die Behauptung der Bevollmächtigten, noch während ihres Krankenhausaufenthalts einen Fristverlängerungsantrag gestellt zu haben, fehlt jede Glaubhaftmachung.
Weder trägt der von ihr vorgelegte Ausdruck des Fristenkalenders einen entsprechenden Bearbeitungsvermerk noch ist ein wie auch immer geartetes Beweismittel dafür vorgelegt oder benannt worden, dass ein solcher Antrag in Erledigung der Fristvorlage gefertigt worden ist (z.B. eine zeitnah gefertigte schriftliche Notiz über den Vorgang, vgl. BFH-Beschlüsse vom 24. Februar 2000 VII B 132/99, nicht veröffentlicht ―n.v.―; vom 12. März 2002 VII B 174/01, n.v.). Auch ist nicht glaubhaft gemacht, dass die Bevollmächtigte organisatorische Vorkehrungen getroffen hat, um eine Rückmeldung über die Absendung des behaupteten Fristverlängerungsantrags zu gewährleisten. So wird ersichtlich in der Kanzlei der Bevollmächtigten kein Postausgangsbuch geführt, das regelmäßig bei Bevollmächtigten, welche Rechtsberatung berufsmäßig ausüben, zur Glaubhaftmachung behaupteter Absendevorgänge ―wie hier des Fristverlängerungsantrags― für erforderlich gehalten wird (vgl. u.a. BFH-Urteil vom 7. Dezember 1988 X R 80/87, BFHE 155, 275, BStBl II 1989, 266, und BFH-Beschluss vom 25. April 1995 VIII R 86/94, BFH/NV 1995, 1002) und das bei Einsichtnahme der Bevollmächtigten nach Rückkehr in die Kanzlei ―noch vor Fristablauf― die Feststellung ermöglicht hätte, dass der Antrag nicht abgesandt worden war.
bb) Darüber hinaus ist nicht glaubhaft gemacht, dass die Bevollmächtigte hinreichende büroorganisatorische Maßnahmen zur Überwachung der Absendung des Fristverlängerungsantrags wie auch zur Wahrung der Beschwerdebegründungsfrist für den Fall einer ausbleibenden Fristverlängerung getroffen hat.
Die Überwachung der Absendung und die in diesem Zusammenhang erforderliche Überwachung der Begründungsfrist lag nach ständiger Rechtsprechung in der Eigenverantwortung der Prozessbevollmächtigten, nachdem ihr die Sache zur Vorbereitung der fristgebundenen Handlung vorgelegt worden war (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 23. Juni 1999 IV B 81/98, BFH/NV 1999, 1614; vom 15. Oktober 1999 III B 51/99, BFH/NV 2000, 575).
Spätestens ab diesem Zeitpunkt traf die Prozessbevollmächtigte die volle Verantwortung für die fristgerechte Bearbeitung der Sache, die sie nach Rückkehr aus dem Krankenhaus und damit noch vor Fristablauf auch uneingeschränkt wahrzunehmen in der Lage war: Sie musste deshalb selbst prüfen, wann die Begründungsfrist ―ggf. wie im Streitfall auch im Hinblick auf eine beantragte, aber noch nicht bewilligte Fristverlängerung― ablief und alle erforderlichen Vorkehrungen treffen, um eine Versäumnis der Begründungsfrist zu vermeiden (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 28. Juli 1961 III 455/59 U, BFHE 73, 499, BStBl III 1961, 447; Beschluss in BFH/NV 1999, 1614, m.w.N.).
Solche hinreichenden büroorganisatorischen Vorkehrungen sind aus dem Vortrag des Klägers nicht ersichtlich. Schon das Fehlen von Bearbeitungsvermerken auf den vorgelegten Ausdrucken des elektronisch geführten Fristenkalenders begründet nachhaltige Zweifel an einer wirksamen Fristenkontrolle. Dass der Bevollmächtigten selbst der Ausdruck mit der Notierung der Vorfrist am 17. April 2003 vorgelegt worden und nur durch ihr ―nicht entschuldbares― Versehen unberücksichtigt geblieben ist oder dass sie keine Anweisung erteilt hat, ihr den Ausdruck ―im Hinblick auf ihre Pflicht zur eigenverantwortlichen Überwachung der Begründungsfrist― vorzulegen und deshalb die Begründungsfrist versäumt wurde, führt gleichermaßen zur Annahme eines Verschuldens der Bevollmächtigten.
Fundstellen