Entscheidungsstichwort (Thema)
Vermeintliche Divergenz; Rückforderungsanspruch im Falle der Abtretung des vermeintlichen oder später weggefallenen Erstattungs- oder Steuervergütungsanspruchs bis zum In-Kraft-Treten des durch Art. 26 Nr. 4 des Jahressteuergesetzes 1996 eingefügten Satz 3 zu § 37 Abs. 2 AO 1977 allein gegen den Zessionar zu richten
Normenkette
AO 1977 § 37 Abs. 2 S. 3; FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2
Tatbestand
Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) begehrt die Aufhebung des Rückforderungsbescheides vom 9. Februar 1987, mit dem der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt ―FA―) die Rückzahlung einer aufgrund einer Abtretung auf ihr Steuerkonto überwiesenen Umsatzsteuererstattung vom Juni 1984 geltend macht. Anlass für den Erlass des Rückforderungsbescheides war die Änderung der der Abtretung und Erstattung zugrunde liegenden Steuerfestsetzung. Einspruch und Klage blieben erfolglos. Gegen das klageabweisende Urteil des Finanzgerichts (FG) richtet sich die Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision, die die Klägerin auf Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) gründet.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Geltend gemacht wird die Divergenz des von der Vorentscheidung aufgestellten Rechtssatzes:
"Entgegen der klägerischen Ansicht war der Erlass des Rückforderungsbescheids nicht in das Behördenermessen gestellt. Infolge des in § 80 (gemeint ist § 85) AO zum Ausdruck gebrachten Legalitätsprinzips stand die Rückforderung der ungerechtfertigt ausgezahlten Steuervergütung nicht im Entschließungsermessen des Finanzamts, und dem Finanzamt stand im Zeitpunkt des Erlasses des Bescheids weder hinsichtlich der Höhe der Rückforderung noch bei der Inanspruchnahme des Rückzahlungsverpflichteten ein Auswahlermessen zu (BFH Urteil vom 14.9.1993 VII R 3/93, BFH/NV 1994, 441), weil die Regelung des § 37 Abs. 2 Satz 3 AO, die ―(mit Wirkung vom 21. Oktober 1994)― (gemeint ist 21. Oktober 1995) auch den Rückgriff auf den Zedenten eröffnet, seinerzeit noch keine Gültigkeit hatte",zu der Senatsentscheidung vom 21. Mai 1985 VII R 191/82 (BFHE 143, 412, BStBl II 1985, 488), in der der Senat im Hinblick auf den Geschäftsführer der Zedentin ausgeführt habe, "leistet ein Finanzamt an eine GmbH auf die von ihr zu Unrecht geltend gemachten Vorsteuerüberschüsse Auszahlungen, so ist die Rückforderung des Staates ein Erstattungsanspruch nach § 37 Abs. 2 AO 1977, der bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen der §§ 69, 34 AO 1977 die Haftung des Geschäftsführers begründet".
Mit dem angeführten Rechtssatz habe die Vorentscheidung in Abweichung von der angegebenen Rechtsprechung des BFH verkannt, dass Ermessenserwägungen dahin gehend hätten angestellt werden müssen, ob der Geschäftsführer der Zedentin oder die Klägerin oder beide in Anspruch genommen werden sollen. Die abweichende Entscheidung des angefochtenen FG-Urteils verletze im Hinblick auf die fehlende Ermessensentscheidung auch den Rechtssatz, den der Senat im Beschluss vom 1. März 1999 VII B 292/98 (BFH/NV 1999, 1182) aufgestellt habe, wonach die vom FA zu treffende Ermessensentscheidung im Haftungsbescheid, spätestens aber in der Einspruchsentscheidung begründet werden müsse.
Die vermeintliche Divergenz liegt nicht vor.
Das Urteil des FG entspricht vielmehr der ständigen Rechtsprechung des BFH, wonach der Rückforderungsanspruch im Falle der Abtretung des vermeintlichen oder später weggefallenen Erstattungs- oder Steuervergütungsanspruchs bis zum In-Kraft-Treten des durch Art. 26 Nr. 4 des Jahressteuergesetzes 1996 vom 11. Oktober 1995 (BGBl I, 1250) eingefügten Satz 3 zu § 37 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) am 21. Oktober 1995 allein gegen den Zessionar zu richten war (s. BFH-Urteile vom 13. Juni 1997 VII R 62/96, BFH/NV 1998, 143; vom 24. Januar 1995 VII R 144/92, BFHE 177, 8, BStBl II 1995, 862; vom 1. August 1995 VII R 80/94, BFH/NV 1996, 5, m.w.N.; vom 22. Februar 1994 VII R 129/92, BFH/NV 1994, 447, und vom 14. September 1993 VII R 3/93, BFH/NV 1994, 441). Die Rückforderung zu Unrecht erstatteter Steuerbeträge beim Zedenten bei Abtretungen, die zum Zeitpunkt der Gesetzesänderung durch Einfügung des § 37 Abs. 2 Satz 3 AO 1977 bereits vollzogen waren, hält der BFH im zuletzt zu dieser Frage in einem Aussetzungsverfahren ergangenen Beschluss vom 9. Juli 1998 V B 142/97 (BFH/NV 1999, 151) wegen des rechtsstaatlichen Rückwirkungsverbotes für ernstlich zweifelhaft (eine Hauptsacheentscheidung ist noch nicht ergangen).
Die von der Klägerin angefochtene Entscheidung der Vorinstanz entspricht damit sowohl mit dem von der Klägerin hervorgehobenen Rechtssatz, als auch mit den weiteren Ausführungen dazu, dass dem FA weder in Bezug auf die Person des Rückforderungsschuldners noch hinsichtlich der Höhe des zurückzufordernden Betrages ein Entschließungs- oder Auswahlermessen zustehe, der gefestigten Rechtsprechung des BFH.
Überdies übersieht die Klägerin, dass die von ihr benannten angeblichen Divergenzentscheidungen in BFHE 143, 412, BStBl II 1985, 488; in BFH/NV 1999, 1182 ebenso wie die weiter in Bezug genommenen Entscheidungen vom 7. April 1992 VII R 104/90 (BFH/NV 1993, 213) und vom 22. September 1992 VII R 73-74/91 (BFH/NV 1993, 215) sämtlich zu einem anderen Sachverhalt ergangen sind. Die genannten Entscheidungen betreffen allesamt Fälle zu der Frage eines Auswahlermessens und dessen Begründung bei Inanspruchnahme eines von mehreren Haftungsschuldnern. Dass bei der Inanspruchnahme eines Haftenden durch Haftungsbescheid eine Ermessensentscheidung zu treffen ist, ergibt sich aus dem Gesetz (§ 191 Abs. 1 AO 1977). Mit dem hier zu beurteilenden Fall, in welchem der Erstattungsanspruch an einen Dritten abgetreten, an diesen ausbezahlt und schließlich von diesem auch zurückgefordert worden ist, sind diese von der Klägerin als Divergenzentscheidungen bezeichneten Urteile des BFH nicht vergleichbar.
2. Die weiteren Einwände der Klägerin in der Beschwerdeschrift, wonach das FG auf die nach der Rechtsprechung des BFH zu stellenden Anforderungen an die Ermessensausübung und deren Begründung bei der Inanspruchnahme eines von mehreren Haftungsschuldnern und darauf, ob der Klägerin Informationen hinsichtlich einer Inanspruchnahme des Geschäftsführers der Zedentin hätten gegeben werden müssen, nicht eingegangen ist, begründen eine Divergenz ebenfalls nicht. Da nach der Rechtsprechung des BFH bis zum In-Kraft-Treten der Gesetzesänderung in § 37 Abs. 2 AO 1977 bei Auszahlung des abgetretenen Erstattungsanspruchs an den Zessionar die Inanspruchnahme eines anderen, nämlich des Zedenten, als Rückforderungsschuldner ausgeschlossen war, kam für vor diesem Zeitpunkt entstandene und durch Bescheid geltend gemachte Rückforderungsansprüche eine Haftung des Geschäftsführers der Zedentin für solche Rückforderungsansprüche nicht in Betracht.
Einer weiteren Begründung bedarf die Entscheidung nicht (Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs).
Fundstellen