Entscheidungsstichwort (Thema)
Entscheidung durch Prozeß- anstatt durch Sachurteil
Leitsatz (NV)
Durch die Erörterung der Sach- und Rechtslage und die Aufnahme eines Klageantrages wird durch den erkennenden Senat des FG kein Vertrauenstatbestand dahingehend geschaffen, daß die Klage nicht mehr als unzulässig abgewiesen werden könnte. Es steht im Ermessen des Gerichts, vorab -- positiv -- durch Zwischenurteil über die Zulässigkeit der Klage zu entscheiden. Macht es davon keinen Gebrauch, so ist es nicht in der Weise gebunden, daß es etwa nur noch durch Sachurteil entscheiden dürfte.
Normenkette
FGO § 65 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 2, §§ 97, 115 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 S. 3; GG Art. 3 Abs. 1
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig und ist deshalb zu verwerfen. Sie bezeichnet keine Verfahrensmängel entsprechend den gesetzlichen Anforderungen (§ 115 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).
Nach § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO muß ein Verfahrensmangel nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO bezeichnet werden. Diesen Anforderungen genügt eine Verfahrensrüge nur dann, wenn der Beschwerdeführer schlüssig Tatsachen vorträgt, aus denen sich -- ihre Richtigkeit unterstellt -- ergibt, daß ein Verfahrensmangel vorliegt, und er zusätzlich vorträgt, daß das angefochtene Urteil -- nach der insoweit maßgebenden materiell-rechtlichen Rechtsauffassung des Finanzgerichts (FG) -- auf ihm beruhen kann, d. h. ohne ihn anders ausgefallen wäre (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 13. November 1991 II B 71/91, BFH/NV 1992, 261, ständige Rechtsprechung).
Der Vortrag des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) zielt im Ergebnis darauf ab, das FG habe zu Unrecht durch Prozeß- anstelle durch Sachurteil entschieden (vgl. dazu BFH-Beschlüsse vom 3. Januar 1996 VIII B 33/95, BFH/NV 1996, 559, und vom 15. Januar 1992 IV B 168/90, BFH/NV 1992, 613). Indessen fehlt es an dem gebotenen schlüssigen Vortrag, weshalb das FG nicht durch Prozeßurteil hätte entscheiden dürfen.
Der Kläger hat insoweit lediglich dargetan, am Tag der mündlichen Verhandlung habe vor demselben Senat des FG eine weitere mündliche Verhandlung wegen Einkommensteuer 1987 bis 1989, Aktenzeichen ... , stattgefunden, in welcher der Vertreter des Klägers einen Aktenordner mit Steuerunterlagen für die gesamten Kalenderjahre 1987 bis 1991 übergeben habe. Im anschließenden Termin, in welchem die Streitsache wegen Einkommensteuer 1990 und 1991 verhandelt worden sei, sei das FG mithin im Besitz der Steuererklärungen und der einschlägigen Unterlagen auch für diese Streitjahre gewesen. Das Gericht habe die Sach- und Rechtslage erörtert und im Klageantrag aufgenommen. Es sei mithin offensichtlich davon ausgegangen, die Klage sei nicht unbegründet. Der Kläger habe deshalb davon ausgehen dürfen, daß der Senat beim FG das Klagebegehren nicht anders beurteile als in der vorausgegangenen Sache ... , wo das FG das Klagebegehren jedenfalls als hinreichend bezeichnet beureilt habe. Das FG habe dadurch einen Vertrauenstat bestand geschaffen, so daß das klageabweisende Urteil gegen den Grundsatz der Rechtsanwendungsgleichheit verstoße und sich als rechtsmißbräuchlich erweise.
Im Streitfall hatte der Vorsitzende des Senats beim FG dem Kläger gemäß § 65 Abs. 2 Satz 2 FGO mit Verfügung vom 13. Oktober 1995 eine einmonatige Ausschlußfrist zur Bezeichnung des Klage begehrens nach § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO gesetzt (vgl. dazu BFH-Urteil vom 13. Juni 1996 III R 93/95, Deutsches Steuerrecht 1996, 1483, mit umfangreichen Nachweisen). Das FG hat die erst Monate nach Ablauf dieser Ausschlußfrist in der münd lichen Verhandlung am 15. März 1996 vorgelegten Kopien der Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre 1990 und 1991 als nicht mehr rechtzeitige Bezeichnung des Klagebegehrens beurteilt und die Klage deshalb als unzulässig abgewiesen.
Der Kläger trägt bereits nicht vor, daß in dem weiteren Klageverfahren ... in gleicher Weise eine Ausschlußfrist gesetzt worden wäre, so daß überhaupt vergleichbare Verfahrenslagen bestanden haben. Darüber hinaus wird durch die Erörterung der Sach- und Rechtslage und die Aufnahme eines Klageantrags kein Vertrauenstatbestand dahingehend geschaffen, daß die Klage nicht mehr als unzulässig abgewiesen werden könnte. Es steht zwar im Ermessen des Gerichtes, vorab -- positiv -- durch Zwischenurteil über die Zulässigkeit der Klage zu entscheiden (vgl. § 97 FGO; BFH-Urteil vom 2. Februar 1979 VI R 108/75, BFHE 127, 37, BStBl II 1979, 338, 340). Macht es aber davon nicht Gebrauch, so ist es nicht in der Weise gebunden, daß es etwa nur noch durch Sachurteil entscheiden dürfte. Vielmehr hat es über das Klagebegehren nach seiner aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung zu entscheiden (vgl. § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO).
Der Kläger hat schließlich auch nicht dargetan, daß das Prozeßurteil für sich gesehen verfahrensrechtlich nicht hätte ergehen dürfen. Sollte indessen das FG, sofern verfahrensrechtlich überhaupt ein vergleichbarer Tatbestand vorliegt, die Klage im weiteren Verfahren ... zu Unrecht nicht durch Endurteil als unzulässig abgewiesen, sondern dem FA auf der Grundlage der eingereichten Steuererklärungen und weiteren Unterlagen eine sachliche Prüfung aufgegeben haben, so besteht jedenfalls nach ständiger Rechtsprechung kein Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht (vgl. BFH-Urteil vom 10. April 1990 VIII R 415/83, BFHE 160, 409, BStBl II 1990, 721, 724, m. w. N.; Klein/Orlopp, Abgabenordnung, 5. Aufl., § 4 Anm. 5 f. m. w. N.).
Von einer weiteren Begründung sieht der erkennende Senat nach Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ab.
Fundstellen
Haufe-Index 421879 |
BFH/NV 1997, 417 |