Leitsatz
1. Im Beschwerdeverfahren über die Ablehnung eines Antrags auf AdV durch das FG hat der BFH als Tatsachengericht grundsätzlich selbst die Befugnis und Pflicht zur Tatsachenfeststellung.
2. Dies steht jedoch einer Zurückverweisung des Verfahrens zur ergänzenden Tatsachenfeststellung durch das FG nicht entgegen, wenn nach den Umständen des Einzelfalls die Feststellungen besser durch das FG getroffen werden können und die besondere Eilbedürftigkeit des Verfahrens auf AdV der Zurückverweisung nicht entgegensteht.
Normenkette
§ 69 Abs. 3, § 128 Abs. 3, § 132 FGO, § 572 Abs. 3 ZPO
Sachverhalt
Ein Filmfonds hatte sich mit Einsprüchen gegen geänderte Gewinnfeststellungsbescheide gewendet, mit denen die Produktionskosten der Filme nicht mehr als sofort abziehbare Betriebsausgaben behandelt wurden. Streit bestand darüber, ob die Einlagen der Anleger vereinbarungsgemäß vollständig für die Produktion von Filmen verwendet oder ob ca. 80 % der Einlagen lediglich bei einer Bank angelegt und nur 20 % in die Filmproduktion investiert worden waren. Der letztgenannten Ansicht war ein Strafgericht in einem noch nicht rechtskräftigen Urteil gegen die Initiatoren der Fonds gefolgt und hatte die Initiatoren wegen Steuerhinterziehung zu Freiheitsstrafen verurteilt.
AdV wurde weder vom FA noch vom FG gewährt.
Entscheidung
Der BFH gab der vom FG (FG München, Beschluss vom 09.10.2007, 8 V 1834/07, Haufe-Index 1823435, EFG 2008, 23) zugelassenen Beschwerde statt und verwies das Verfahren an das FG zurück. Es müssten noch weitere Tatsachen geklärt werden, was infolge größerer Sachnähe besser vom FG geleistet werden könne.
Hinweis
1. Der rein verfahrensrechtlich entschiedene Fall macht darauf aufmerksam, dass die Rollenverteilung zwischen FG und BFH je nach Verfahrensart unterschiedlich ist.
a) In einem Revisionsverfahren stellt der BFH keine Tatsachen fest, sondern muss seinen rechtlichen Erwägungen die vom FG getroffenen Feststellungen zugrunde legen (§ 118 Abs. 2 FGO). An die Feststellungen des FG ist er nur dann nicht gebunden, wenn dem FG Verfahrensfehler unterlaufen sind und diese mit der Revision gerügt werden. In einem solchen Fall müsste das FG-Urteil aufgehoben und das Verfahren an das FG zurückverwiesen werden.
b) Anders verhält es sich in einem Beschwerdeverfahren gegen einen Beschluss des FG. Dort hat der BFH grundsätzlich selbst die entscheidungserheblichen Tatsachen festzustellen; er ist an die Feststellungen des FG nicht gebunden. Die FGO enthält demgemäß auch keine ausdrückliche Regelung über die Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung an das FG. Trotzdem entspricht es ständiger Rechtsprechung, dass auch im Beschwerdeverfahren an das FG zurückverwiesen werden kann, wenn nämlich im Einzelfall die noch fehlenden Feststellungen vom FG wegen seiner größeren Sachnähe besser getroffen werden können. Der BFH stützt sich für diese Ansicht auf den im Finanzprozess entsprechend anwendbaren § 572 Abs. 3 ZPO und stellt im Besprechungsbeschluss klar, dass dies Ausfluss eines tragenden Grundprinzips des Instanzenzugs sei. Das Revisions- und Beschwerdegericht habe in erster Linie die Aufgabe, die Entscheidungen der erstinstanzlichen Gerichte zu überprüfen, während jene dem Rechtsuchenden den ersten Zugang zum Richter zu bieten hätten.
2. In der Sache ging es um Verlustzuweisungen eines Filmfonds, die nach dem Anlagekonzept durch die Produktionskosten für internationale Filme im Auftrag des Fonds entstehen sollten. Aufzuklären war aber, ob der Fonds dem Anlagekonzept auch tatsächlich gefolgt war und ob bejahendenfalls die gewinnmindernde Wirkung der Produktionskosten nicht durch Bilanzierung eines Aktivpostens hätte kompensiert werden müssen. Anders als das FG hielt der BFH zwar eine Aktivierung der Filme für unzulässig, denn die Filme seien kein Umlauf-, sondern Anlagevermögen, sodass das Aktivierungsverbot des § 248 Abs. 2 HGB, § 5 Abs. 2 EStG greife. Aufzuklären sei aber noch, ob nicht ein Aktivposten für Anzahlungen zu bilden oder Forderungen gegen Lizenznehmer zu aktivieren seien.
Link zur Entscheidung
BFH, Beschluss vom 06.11.2008 – IV B 126/07