Leitsatz
Werden ESt-Vorauszahlungen für zusammen zur ESt veranlagte Eheleute geleistet, kann aus der Sicht des FA als Zahlungsempfänger mangels entgegenstehender ausdrücklicher Absichtsbekundungen aufgrund der zwischen den Eheleuten bestehenden Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft angenommen werden, dass derjenige Ehegatte, der die Zahlung auf die gemeinsame Steuerschuld bewirkt, mit seiner Zahlung auch die Steuerschuld des anderen mit ihm zusammen veranlagten Ehepartners begleichen will. In diesem Fall sind bei einer Überzahlung beide Ehegatten erstattungsberechtigt. Der Erstattungsbetrag ist dann zwischen ihnen hälftig aufzuteilen (Bestätigung der ständigen Rechtsprechung).
Normenkette
§ 44 Abs. 1, § 37 Abs. 2 AO, § 26, § 26b EStG
Sachverhalt
Für zusammen veranlagte Eheleute waren gem. Festsetzung Einkommensteuervorauszahlungen entrichtet worden. Bei der späteren Veranlagung ergab sich ein Erstattungsbetrag. Diesen zahlte das FA zur Hälfte an die Ehefrau aus; die andere Hälfte verrechnete das FA mit Steuerschulden des Ehemanns, die überwiegend aus der Zeit vor der Eheschließung herrührten. Im Veranlagungszeitraum und offenbar auch in den Vorjahren hatten die Einkünfte des Ehemanns unter dem Grundfreibetrag gelegen.
Die Eheleute widersprachen dieser Aufteilung. Das FG hob den deshalb gegen sie ergangenen Abrechnungsbescheid des FA auf; es meinte, es sei für das FA erkennbar gewesen, dass die Ehefrau keinen Grund gehabt habe, sich durch Zahlungen auf eine nach Sachlage nicht zu erwartende Steuerschuld ihres Ehemanns eines möglichen Erstattungsanspruchs zu begeben.
Der Ansicht des BFH, dass bei intakter Ehe der zahlende Ehegatte zugleich auf die Steuerschuld des anderen zahle, sei daher für den Streitfall nicht zu folgen.
Entscheidung
Der BFH hat auch für den Streitfall an seiner Auffassung festgehalten, der Erstattungsbetrag sei hälftig auf die Eheleute aufzuteilen. Statt auf das altbekannte Argument, es entspreche "natürlicher Betrachtungsweise", dass der zahlende Ehegatte auch den anderen von seiner Steuerschuld befreien wolle (was er übrigens als Gesamtschuldner so oder so tut), wird dies nunmehr darauf gestützt, dass dies die bei nicht dauernd getrennt lebenden Eheleuten bestehende Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft gebiete, welche ja nach § 26 EStG überhaupt Voraussetzung für eine Zusammenveranlagung ist. Außerdem sei die Senatsrechtsprechung für die Eheleute keineswegs stets nachteilig.
Hinweis
1. Nach gefestigter und überzeugender Rechtsprechung des BFH steht ein Erstattungsanspruch nicht demjenigen zu, der gezahlt hat, sondern demjenigen, auf dessen "Rechnung", d.h. auf dessen Steuerschuld eine Zahlung erbracht worden ist (vgl. § 37 Abs. 2 AO).
2. Wer aber ist erstattungsberechtigt dann, wenn eine Zahlung von einem Gesamtschuldner erbracht worden ist, also jemand auf eine eigene Schuld geleistet hat, die Schuld jedoch zugleich – bei wechselseitiger Tilgungswirkung von Zahlungen – einen weiteren Schuldner hat: Ist nur derjenige erstattungsberechtigt, der auf seine (Gesamt-)Schuld gezahlt hat oder neben diesem – möglicherweise zu einem Bruchteil? – auch der andere Gesamtschuldner (bzw. die anderen Gesamtschuldner)? Die unter 1. genannte Rechtsregel hilft hier nicht weiter; denn sie betrifft den Fall der Zahlung eines Dritten auf die Steuerschuld eines anderen. Darum handelt es sich bei der Zahlung eines Gesamtschuldners auf die Gesamtschuld nicht!
3. Die richtige Antwort auf die eben gestellte Frage liegt auf der Hand und ist im Grundsatz auch nicht strittig: Ein Gesamtschuldner leistet im Zweifel (nur) auf seine eigene Schuld und nicht auf die Schuld unbenannter Dritter, mögen diese auch neben ihm das Gleiche als Gesamtschuldner schulden. So bestreitet z.B. niemand, dass Leistungen des Haftungsschuldners nicht zugleich die (Tilgungs-)Bestimmung haben, die Steuerschuld zu begleichen, für die jener z.B. als Geschäftsführer des Steuerschuldners haftet; wird der Haftungsbescheid aufgehoben, kann folglich der Haftungsschuldner das Geleistete zurückfordern, selbst wenn die Steuerschuld tatsächlich besteht. Auch Zahlungen eines Bürgen haben grundsätzlich nicht die (unausgesprochene) Bestimmung, die Hauptschuld zu tilgen, selbst wenn der Hauptschuldner der Ehegatte des Bürgen ist.
4. Das soll nun nach der in dem Urteil des BFH vom 25.7.1989, VII R 118/87, BStBl II 1990, 41, eingeleiteten Rechtsprechung bei zusammen veranlagten Eheleuten anders sein, sofern sie in "intakter Ehe" leben! Bei ihnen dürfe das FA annehmen, dass der leistende Gesamtschuldner nicht nur seine eigene Schuld tilgen wolle, sondern zugleich auch auf die Schuld seines Ehepartners leiste; Folge: Überzahlungen sind beiden Ehepartnern je zur Hälfte zu erstatten (auch wenn die Ehe dann nicht mehr "intakt" ist!). Diese Beurteilung des Tilgungswillens gebiete eine "natürliche Betrachtungsweise" aufgrund der in der Ehe bestehenden Wirtschaftsgemeinschaft.
5. Das Schrifttum hat diese Rechtsprechung, soweit ersichtlich, widerspruchslos hingenommen; auch in ...