Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Bei Steuerpflichtigen, die ihren Gewinn nach § 4 Abs. 1 EStG ermittelt haben, gelten die Vorschriften des § 47 DMBG (Berlin) in Verbindung mit § 74 Abs. 4 DMBG (Berlin) sinngemäß auch für die Einkommensbesteuerung nach dem Währungsstichtag eingehender betrieblicher Einnahmen, wenn der Gewerbebetrieb vor dem Währungsstichtag aufgegeben oder sonst beendet worden ist.
EStG 1951 § 4 Abs. 1; DMBG (Berlin) § 47, § 74 Abs. 4.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 1; DMBGBE 47; DMBGBE 74/4
Tatbestand
Streitig ist, ob eine vom Besatzungskostenamt für Inventarverlust gezahlte Entschädigung als zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gehörig zur Einkommensteuer heranzuziehen ist.
Von 1941 bis zum 12. Juli 1945 hatte die Bfin. gemeinsam mit ihrem ersten Ehemann eine von einer Brauerei gepachtete Gast- und Speisewirtschaft betrieben. Am 12. Juli 1945 wurden die betreffenden Räume von der amerikanischen Besatzungsmacht für ihre Zwecke beschlagnahmt, wodurch der weitere Betrieb der Gastwirtschaft unmöglich gemacht wurde. Mit ihrem jetzigen Ehemann hat die Bfin. seit dem Jahre 1947 hintereinander zwei andere Gaststättenbetriebe unterhalten, an denen die Eheleute zu je 50 v. H. beteiligt waren. Nach Aufhebung der Beschlagnahme des oben genannten Grundstücks am 28. November 1949 wurde der Bfin. von der Brauerei der Abschluß eines neuen Pachtvertrags zur alleinigen Führung einer Gast- und Speisewirtschaft in diesen Räumen angetragen. Die Eröffnung dieses Betriebs erfolgte am 19. Dezember 1949. Schon in den Jahren nach der Beschlagnahme hatte sich die Bfin. um eine Entschädigung für den durch die Beschlagnahme der amerikanischen Besatzungsmacht entstandenen Schaden, jedoch erfolglos, bemüht. Auf ihren neuerlichen Antrag vom 7. März 1949 bzw. 6 Juni 1950 erkannte das Besatzungskostenamt der Bfin. durch Bescheid vom 10. Oktober 1951 einen Entschädigungsanspruch, soweit er Inventarschäden betraf, in Höhe von 28 387,60 DM zu. Als Vorauszahlung hierfür hatte die Bfin. am 12. Mai 1949 einen Betrag von 3000 DM erhalten; die Restzahlung von 25 387,60 DM erhielt sie am 17. Oktober 1951.
Das Finanzamt wurde auf diese Zahlungen bei einer im Jahre 1956 bei der Bfin. durchgeführten Betriebsprüfung aufmerksam. Dementsprechend berichtigte es gemäß § 222 Abs. 1 Ziff. 1 AO den Einkommensteuerbescheid 1949 für die Eheleute (Gewinnerhöhung 3 000 DM) und die gesonderte Gewinnfeststellung 1951 für die Ehefrau (Gewinnerhöhung 25 387,60 DM).
Einspruch und Berufung blieben erfolglos. Das Verwaltungsgericht ging bei seiner Entscheidung im wesentlichen davon aus, daß die Bfin. mit der Eröffnung der Gaststätte Ende des Jahres 1949 nicht einen ruhenden Betrieb wiedereröffnet, sondern einen neuen Betrieb eröffnet habe. Der früher in den gleichen Räumen geführte Gewerbebetrieb sei einkommensteuerrechtlich bis zur Beendigung der Abwicklung als fortbestehend zu behandeln. Der Schadensersatz sei für Betriebsgegenstände geleistet worden, die bei Schließung des Betriebs noch vorhanden gewesen seien. Die Bfin. habe einen Schadensersatz in Höhe von 43 500 DM geltend gemacht. Mit Rücksicht auf das Alter der Gaststätteneinrichtungsgegenstände, die im wesentlichen bereits im März 1941 von dem Vorbesitzer käuflich erworben worden seien, sei der Schadensersatzbetrag auf 28 387,60 DM festgesetzt worden. Es habe sich hierbei nur um geringwertige Wirtschaftsgüter in allerdings großer Menge gehandelt, für die ein aktivierungsfähiger Buchwert nicht mehr vorhanden gewesen sein dürfte. Das Finanzamt habe daher zu Recht die Schadenersatzleistungen als nachträgliche Einnahmen des früheren Gewerbebetriebs den laufenden gewerblichen Einkünften 1949 bzw. 1951 zugerechnet.
Entscheidungsgründe
Die Rbn. sind begründet.
Die Feststellung der Vorinstanz, daß es sich bei der im Dezember 1949 eröffneten Gast- und Speisewirtschaft nicht um die Wiedereröffnung eines ruhenden, bis zum 12. Juli 1945 in den gleichen Räumen geführten Betriebs, sondern um die Eröffnung eines neuen Betriebs gehandelt habe, begegnet nach dem Inhalt der Akten keinen rechtlichen Bedenken. Gleichfalls zutreffend hat die Vorinstanz ausgeführt, daß ein Gewerbebetrieb ungeachtet seines gewerbesteuerrechtlichen Endes einkommensteuerrechtlich bis zur Beendigung der Abwicklung als fortbestehend zu behandeln ist. So können unter bestimmten Voraussetzungen Einnahmen nach der Aufgabe bzw. Beendigung eines Betriebs noch Betriebseinnahmen sein, die als solche noch zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gehörig der Einkommensteuer zu unterwerfen sind. Doch dürfen nachträgliche Einnahmen bei Steuerpflichtigen, die - wie im Streitfall - ihren Gewinn nach § 4 Abs. 1 EStG durch Betriebsvermögensvergleich ermittelt haben, nur dann zur Besteuerung herangezogen werden, wenn sie auch im Falle der Weiterführung des Gewerbebetriebs zu einer Erhöhung des Gewinns aus Gewerbebetrieb geführt hätten, z. B. wenn und soweit ein Buchwert für verlorengegangenes Inventar der Entschädigungsleistung nicht mehr gegenübergestanden hätte.
Die Vorinstanz geht insoweit davon aus, daß die Entschädigungsleistung durch das Besatzungskostenamt deshalb in voller Höhe gewerblicher Gewinn gewesen sei, weil ein aktivierungsfähiger Buchwert für das Inventar nicht mehr vorhanden gewesen sein dürfte. Diese Annahme beruht offensichtlich auf einem Verstoß wider den klaren Inhalt der Akten (ß 288 Ziff. 1 AO). In der bei den Akten betreffend Gewinn aus Gewerbebetrieb und Gewerbesteuer für die bis zum 12. Juli 1945 betriebe Gastwirtschaft befindlichen Bilanz zum 31. Dezember 1943 vom 28. Februar 1944 ist unter den Aktiven für Inventar ein Betrag von 41 474,99 RM aufgeführt. Daß dieser Betrag bis zur Beendigung des Betriebs durch Beschlagnahme seitens der amerikanischen Besatzungsmacht weitergeführt worden ist, ergibt sich aus der bei den Einkommensteuerakten des ersten Ehemanns befindlichen, von der Bfin. unterzeichneten Erklärung vom 18. Dezember 1945 über die Person, den Familienstand und die Einkommensverhältnisse im zweiten Kalenderhalbjahr 1945. In der Anlage zu dieser Erklärung wird eine Inventarabschreibung von 2 900 RM geltend gemacht, die von der Bfin. auf Anfrage des Finanzamts noch dahin ergänzt worden ist, daß es sich hierbei um 10 v. H. des Inventarwerts in Höhe von 29 032 RM handle (vgl. Schreiben der Bfin. an das Finanzamt vom 13. Februar 1946). Auf diesem Schreiben befindet sich außerdem ein vom Sachbearbeiter signierter handschriftlicher Vermerk: "Inventarwert am 31. Dezember 1943 = 41 474 RM". Aus den Akten ergibt sich im übrigen auch nichts dafür, daß sich der Verlust des von der Bfin. zuletzt aufgeführten Inventarwerts von 29 032 RM in der Folgezeit auch gewinnmindernd ausgewirkt hätte. Die Vorentscheidungen müssen daher wegen dieses Verstoßes wider den klaren Inhalt der Akten aufgehoben werden.
Die Sache ist spruchreif. Es kann dahingestellt bleiben, ob und in welcher Weise im Streitfall tatsächlich durch die als nachträgliche Betriebseinnahme anzusehende Entschädigung ein Buchgewinn entstanden ist. Denn der Verlust des Inventars, für den die Entschädigung geleistet worden ist, fällt in das Jahr 1945, während die Entschädigungsleistungen in die Zeit nach dem Währungsstichtag fallen. Bei Weiterführung des im Jahre 1945 durch Beschlagnahme beendeten Gewerbebetriebs hätte die Bfin. als Steuerpflichtige, die ihren Gewinn nach § 4 Abs. 1 EStG ermittelt, die außerordentlichen Möglichkeiten einer Bilanzberichtigung gemäß § 47 des D-Markbilanzgesetzes - DMBG - (Berlin) in Verbindung mit § 74 Abs. 4 DMBG (Berlin) in Anspruch nehmen können. Danach hätte die Bfin. für die D-Markeröffnungsbilanz zum 1. April 1949 (vgl. § 1 DMBG - Berlin -) für den Anspruch auf Ersatz des durch die Beschlagnahme entstandenen Inventarverlustes einen vorläufigen Wertansatz, z. B. einen Erinnerungswert von 1 DM, bilden und diesen im Rahmen des § 47 DMBG (Berlin) berichtigen können, wenn sich der vorläufige Wertansatz nicht mehr im Rahmen der Höchstwerte oder sonst zwingend vorgeschriebener Werte gehalten hätte (vgl. auch Urteil des Bundesfinanzhofs I 51/55 U vom 10. April 1956, BStBl 1956 III S. 173, Slg. Bd. 62 S. 465). Hierdurch hätte die Bfin. ohne weiteres die erfolgsneutrale Behandlung der vom Besatzungskostenamt gezahlten Entschädigungsleistungen bewirken können. Diese Grundsätze bedürfen für den Fall der Beendigung des Gewerbebetriebs, wie hier, sinngemäßer Anwendung.
Der gewerbliche Verlust der Eheleute für das Kalenderjahr 1949 ist daher um 3 000 DM von 1 419 DM auf 4.419 DM zu erhöhen, während der für die Ehefrau gesondert festgestellte Gewinn für 1951 um 25 387 DM auf 56 949 DM zu ermäßigen ist. Unter Aufhebung auch der Einspruchsentscheidungen waren deshalb der berichtigte Einkommensteuerbescheid für 1949 vom 31. Oktober 1956 und der berichtigte Gewinnfeststellungsbescheid für 1951 vom 29. November 1952 entsprechend zu ändern.
Fundstellen
Haufe-Index 410369 |
BStBl III 1962, 196 |
BFHE 74, 526 |
BB 1962, 478 |
DB 1962, 588 |