Entscheidungsstichwort (Thema)
Körperschaftsteuer
Leitsatz (amtlich)
Noch nicht fällige Schadensersatzansprüche in der DM-Eröffnungsbilanz für Schäden, die in der RM-Zeit an Betriebsvermögensgegenständen verursacht worden sind.
Normenkette
DMBG § 24
Tatbestand
Die Beschwerdegegnerin - Bgin. - (OHG) betreibt u. a. ein Hotel und den Weingroßhandel. Strittig ist, ob Forderungen an das Besatzungskostenamt in der Bilanz zum 21. Juni 1948 in Höhe von 33.381,03 DM aktiviert werden dürfen. Das Finanzamt hat lediglich einen Betrag von 2.916,43 DM als aktivierungsfähig anerkannt. Die OHG erhielt im Jahre 1949 vom Besatzungskostenamt 10.761,07 DM. Das Finanzamt hat den Unterschiedsbetrag zu 2.916,63 DM (= 7.844,44 DM) gewinnerhöhend angesetzt, während die OHG den gesamten Betrag von 10.761,07 DM erfolgsneutral buchen will. Im Berufungsverfahren folgte das Finanzgericht der OHG und führte hierzu folgendes aus:
Nach der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs, wie sie insbesondere in den Entscheidungen VI A 682/33 vom 22. November 1933, Slg. Bd. 34 S. 324, Reichssteuerblatt (RStBl) 1934 S. 430, und I A 409/32 vom 20. Dezember 1933, RStBl 1934 S. 432, zum Ausdruck komme, trete durch Schadensersatzzahlungen keine Gewinnrealisierung ein, wenn in dem zerstörten Wirtschaftsgut buchmäßige stille Reserven enthalten gewesen seien. Im Streitfall seien die Schäden die Folge einer nicht normalen Abnutzung durch die Angehörigen der Besatzungsmacht und würden auf Grund der geltenden gesetzlichen Bestimmungen ersetzt (vgl. § 5 der Verordnung über die Vergütung der Besatzungsleistungen und Vermögensschäden durch den Staat Groß-Hessen vom 20. Dezember 1945, Gesetz- und Verordnungsblatt 1946 S. 10 und Eucum-Circular Nr. 37 vom 10. März 1949).
Der Bundesminister der Finanzen habe in Abschn. 57 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) II/1948 mit Rücksicht auf die vorliegenden Unsicherheitsfaktoren angeordnet, daß eine Pflicht zur Aktivierung derartiger Forderungen erst bestehe, wenn sie dem Grunde und der Höhe nach feststünden. Der Minister habe auf diese Weise den Steuerpflichtigen ein Wahlrecht eingeräumt. Er habe für die Zeit vor Anerkennung der Verpflichtung durch die Besatzungskostenämter es in das Ermessen der Steuerpflichtigen gestellt, ob sie bereits bei Entstehung des Schadens aktivieren wollten oder nicht (vgl. dazu auch Schäfer, Die buchmäßige und steuerliche Behandlung von Entschädigungsansprüchen gegen die Besatzungsmacht, Der Betriebs-Berater 1951 S. 413). Nach Auffassung des Finanzgerichts sei die OHG berechtigt, ihren Entschädigungsanspruch bereits in der DM-Eröffnungsbilanz zu aktivieren. Das vom Bundesminister der Finanzen gewählte Wahlrecht stehe dem nicht entgegen.
Das Hotel der OHG, für das die Entschädigungsansprüche gestellt worden sind, war von 1945 bis 8. September 1948 von der Besatzungsmacht beschlagnahmt.
Gegen die Entscheidung des Finanzgerichts wendet sich die Rechtsbeschwerde des Finanzamts. Nach ihrer Auffassung ist es lediglich zulässig, den Anspruch auf Entschädigung entweder beim Eintritt des Schadens oder bei seiner Feststellung durch das Besatzungskostenamt zu aktivieren. Die Firma habe in der RM-Zeit von der Aktivierung abgesehen. Die Beschlagnahme habe nach der Währungsreform noch 2 1/2 Monate bestanden. Das Finanzamt sehe deshalb den Anspruch als in der DM-Eröffnungsbilanz nicht aktivierungsfähig an. Für die Frage sei auch die Rechtsprechung zum Entschädigungsrecht von Bedeutung. So hätten mehrere Verwaltungsgerichte und Oberverwaltungsgerichte, z. B. das Oberverwaltungsgericht Lüneburg in dem Urteil IV OVG A 263/51 vom 23. Januar 1952, ausgeführt, daß grundsätzlich Besatzungsschäden erst im Zeitpunkt der Freigabe des Grundstücks entstünden. Im übrigen habe das Finanzgericht auch nicht geprüft, ob der Anspruch wertmäßig sich mit dem gemäß § 18 des D-Markbilanzgesetzes (DMBG) zu ermittelnden Wert des betreffenden Gegenstandes decke.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Auch das Finanzamt erkennt an, daß der Schadensersatzanspruch bereits im Zeitpunkt der Entstehung des Schadens aktivierungsfähig ist. Es mag zugegeben werden, daß in besonders gelagerten Fällen, d. h. dann, wenn damit zu rechnen ist, daß die Besatzungsmacht einen Schaden in der Zeit der Nutzung des Grundstücks wieder beseitigt, der Zustand bei Herausgabe der Mietsache für die Frage des Zeitpunktes der Aktivierung bedeutsam ist. Soweit aber mit einer Beseitigung der Schäden nicht zu rechnen ist, wird man als Zeitpunkt, in dem die Schadensersatzforderung bilanzierungsfähig wird, den Zeitpunkt ansehen müssen, in dem die Beschädigung vorgenommen worden ist. Nach der Lage der Verhältnisse wird im Streitfall davon auszugehen sein, daß eine Beseitigung des Schadens während der Nutzung des Gegenstandes durch die Angehörigen der Besatzungsmacht nicht anzunehmen war. Bei dieser Tatsachenwürdigung kommt man zu dem Ergebnis, daß der Schaden im Zeitpunkt seiner Entstehung die Ersatzforderung verursacht und damit ihre Aktivierungsfähigkeit herbeigeführt hat. Ist somit in diesem Zeitpunkt der Anspruch bilanzmäßig betrachtet entstanden, so geht das Wirtschaftsgut nicht aus dem Grunde unter, weil es der Kaufmann in der Bilanz nicht ausgewiesen hat.
Voraussetzung der Aktivierung der Forderung ist allerdings, daß auch eine entsprechende Abschreibung bei dem beschädigten Wirtschaftsgut vorgenommen wird. Die Bilanzierung des Ersatzanspruches hängt eng mit der Bilanzierung des beschädigten Wirtschaftsgutes zusammen.
Das Finanzamt vertritt im Ergebnis in der Rechtsbeschwerde den Standpunkt, daß die OHG ihr Wahlrecht bereits in der RM-Zeit ausgeübt habe und für die DM-Eröffnungsbilanz von der einmal getroffenen Wahl nicht abweichen könne. Dieser Ansicht kann nicht gefolgt werden.
Von wesentlicher Bedeutung ist die Frage, ob bei der Bewertung des Hotelgrundstücks in der DM-Eröffnungsbilanz die Schäden durch entsprechende Herabsetzung des Wertes berücksichtigt worden sind. Ist das geschehen, so ist die OHG berechtigt, den Schadensersatzanspruch auch dann in der DM-Eröffnungsbilanz auszuweisen, wenn er über dem im Wert des Gesamtgrundstückes anteilig berücksichtigten Betrag liegt. Es tritt auf diese Weise eine stille Rücklage zutage, auf die die allgemeinen Grundsätze des DMBG angewendet werden müssen. Als Folge der Durchbrechung der Bilanzkontinuität bleibt dieser Unterschiedsbetrag steuerfrei.
Anders ist die Rechtslage, wenn das Hotelgrundstück mit einem Wert (Einheitswert) angesetzt worden ist, der der Beschädigung keine Rechnung trägt. In diesem Falle müssen die allgemeinen Grundsätze für die Bilanzierung von Schadensersatzforderungen angewandt werden, wie sie in den oben mitgeteilten Entscheidungen des Reichsfinanzhofs im einzelnen dargestellt worden sind. Der Schadensvorgang in Verbindung mit der Schadensersatzleistung muß erfolgsneutral gebucht werden. Siehe hierzu auch Abschn. 47 EStR 1951. Der Vorgang wird dadurch erfolgsneutral, daß auf der Aktivseite der Bilanz der Schadensersatzanspruch und auf der Passivseite ein Gegenposten in gleicher Höhe angesetzt wird. Geht der Schadensbetrag ein, so mindert sich der Aktivposten entsprechend. Bei Beseitigung der Schäden werden die Unkosten zu Lasten des Passivpostens gebucht.
Die Akten ergeben nicht klar, ob das Hotelgrundstück in der DM-Eröffnungsbilanz ohne Berücksichtigung der Schäden eingesetzt worden ist. Die Sache wird deshalb an das Finanzgericht zurückverwiesen.
Fundstellen
Haufe-Index 408460 |
BStBl III 1956, 173 |
BFHE 1956, 465 |
BFHE 62, 465 |