Entscheidungsstichwort (Thema)
Körperschaftsteuer Doppelbesteuerungsabkommen
Leitsatz (amtlich)
Die Einleitung eines Verständigungsverfahrens wegen vermuteter Doppelbesteuerung schließt das Ergehen eines Urteils im gleichzeitig anhängigen Revisionsverfahren nicht aus.
Hat eine inländische (abhängige) Vertriebsgesellschaft die Kosten der Einführung der Erzeugnisse ihrer ausländischen Muttergesellschaft im Inland ganz oder überwiegend übernommen, so ist eine verdeckte Gewinnausschüttung an die Muttergesellschaft anzunehmen, wenn eine übernahme dieser Kosten in der betreffenden Branche unter vergleichbaren Umständen nicht üblich ist. Zur Feststellung, daß die übernahme dieser Kosten nicht üblich ist, bedarf es regelmäßig der Einholung und Verwertung von Gutachten unabhängiger Sachverständiger und sonstiger Unterlagen.
Hält sich die übernahme der Vertriebskosten im Rahmen des üblichen, ergeben sich aber für einen längeren Zeitraum Verluste der inländischen Vertriebsgesellschaft, so ist eine Prüfung der übrigen Vertragsbedingungen und insbesondere des Verrechnungspreises im Vergleich mit den Vertragsbedingungen angebracht, die zwischen voneinander unabhängigen Unternehmen der gleichen Branche bestehen.
Der zollrechtliche Normalpreis (üblicher Wettbewerbspreis) der eingeführten Waren und ein in ihm etwa enthaltener Aufschlag wegen Verlagerung von Vertriebskosten ist für die Bemessung der
Normenkette
FGO § 74; AO § 217; OECD-MA 25/1; OECD-MA 25/2; KStG § 6; DBA CHE Art. 13; OECD-MA 25; KStG § 6/1
Tatbestand
Streitig ist, ob die Revisionsklägerin (Stpfl.) - eine GmbH -, deren Geschäftsanteile sich in den Streitjahren 1953 bis 1959 ausschließlich in Händen der Firma X-AG in Z. / Schweiz befanden, an ihre Gesellschafterin verdeckte Gewinne ausgeschüttet hat.
Die Stpfl. vertreibt allein und ausschließlich die pharmazeutischen Erzeugnisse ihrer alleinigen Gesellschafterin im Bundesgebiet. Ihr Geschäftsjahr läuft vom 1. Oktober eines jeden Jahres bis zum 30. September des darauffolgenden Jahres. Ihre Bilanzen für die hier betroffenen Geschäftsjahre 1953/54 bis 1958/59 zeigen nach der im Betriebsprüfungsbericht vom 20. September 1960 vertretenen Auffassung das Bild einer willkürlichen Beeinflussung durch die alleinige Gesellschafterin. Danach wurden ab dem Wirtschaftsjahr 1953/54 der Stpfl. die von ihr versandten ärztemuster nur noch gelegentlich ersetzt oder gutgeschrieben. Dasselbe gilt für Aufwendungen die direkt oder indirekt mit der Werbung zusammenhängen, wie Kosten der Einführung von Erzeugnissen der alleinigen Gesellschafterin, Druckkosten (Aufwendungen für Inserate, Prospekte), Kosten für die von ihr durchgeführte Beschickung von Arzneimittelausstellungen. Dasselbe gilt schließlich für die Aufwendungen für die von ihr beschäftigten wissenschaftlichen Mitarbeiter, deren Tätigkeit sich auf die Ausarbeitung von Gutachten und Empfehlungen zur Einführung von Arzneimitteln der schweizerischen Produktionsgesellschaft sowie auf die Erstellung von Erfahrungsberichten über die Marktgängigkeit der Medikamente beschränkte.
Unter Berücksichtigung des Umstandes, daß diese Aufwendungen im Interesse sowohl der Stpfl. als auch ihrer alleinigen Gesellschafterin erfolgten, sahen übereinstimmend der Betriebsprüfer und der Revisionsbeklagte (das FA) die Stpfl. in Höhe von 1/3, ihre alleinige Gesellschafterin in Höhe von 2/3 als zur Tragung des gesamten Werbeaufwands verpflichtet an.
Die hiergegen gemäß § 261 AO a. F. eingelegte Berufung begründete die Stpfl. mit dem Hinweis, daß den von der Zollverwaltung als Kosten anerkannten und als verlagerte Kosten dem Zollwert zugeschlagenen Aufwendungen von der Steuerverwaltung nicht der Charakter als Kosten (Betriebsausgaben) abgesprochen werden könne.
Demgegenüber führte das FA aus, Zollrecht und Steuerrecht verfolgten verschiedene Zwecke. Der Begriff der Betriebsausgabe sei als ein Begriff der Gewinnvermittlung nach den für diese geltenden Vorschriften zu beurteilen. Deshalb könne eine im Zusammenhang mit einem Wareneinkauf im Ausland stehende Ausgabe als Betriebsausgabe anzuerkennen sein, ohne daß diese den Zollwert erhöhe; umgekehrt könne aber auch eine bestimmte Ausgabe den Zollwert erhöhen, ohne daß sie vom FA als Betriebsausgabe anerkannt werden müsse.
Die Aufforderung des Finanzgerichts (FG), die Bilanzunterlagen der alleinigen Gesellschafterin vorzulegen, beantworte die Stpfl. unter Berufung auf § 273 des schweizerischen Strafgesetzbuches ablehnend. Seine Entscheidung, mit der es die Berufung der Stpfl. als nicht begründet zurückwies, begründet das FG wie folgt:
Eine Bindung der ertragsteuerrechtlichen Beurteilung an die vorangegangene zollrechtliche Beurteilung bestehe nicht. Die Grundlagen für die Erhebung von Eingangsabgaben und die Erhebung von Körperschaftsteuer seien begrifflich verschieden. Die Anschaffungskosten eines Wirtschaftsguts könnten deshalb über, aber auch unter dem Wert liegen, der zollrechtlich maßgebend sei. Während grundsätzlich das Zollrecht sich nach den tatsächlichen Gegebenheiten, d. h. nach den von den Steuerpflichtigen vorgenommenen Gestaltungen richte, gehe das Ertragsteuerrecht von der Angemessenheit von Leistung und Gegenleistung aus, sobald zwischen den Vertragspartnern enge gesellschaftsrechtliche und wirtschaftliche Verflechtungen bestünden. Dabei lasse auch das Ertragsteuerrecht die tatsächlichen Verhältnisse als solche unangetastet bestehen und nehme bei Feststellung verdeckter Gewinnausschüttungen lediglich eine Korrektur außerhalb der Bilanz vor. Wie der Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft, der die Gegenleistung für eine dieser erbrachte Leistung zu hoch ansetze, das Risiko einer steuerrechtlich abweichenden Beurteilung trage, trage er im Falle einer zu hohen Zolldeklaration oder der Hinnahme einer zu hohen Festsetzung des Zollwerts das Risiko der steuerrechtlich abweichenden Beurteilung. In keinem der beiden Fälle sei eine Bindungswirkung für die nachfolgende steuerrechtliche Beurteilung gegeben. Ebensowenig wie die tatsächliche Gestaltung eines Rechtsverhältnisses die Frage nach der verdeckten Gewinnausschüttung präjudizieren könne, könne eine zollrechtliche Beurteilung eine solche Präjudizierung herbeiführen. Hinzu komme, daß im vorliegenden Streitfall die Zollbehörden den größten Teil der nachgeforderten Eingangsabgaben wieder erstattet hätten.
Angesichts der Tatsache, daß die Stpfl. nach der für die steuerrechtliche Beurteilung maßgebenden objektiven Interessenlage im wesentlichen den Werbeaufwand getragen habe, den ihre ausländische alleinige Gesellschafterin hätte tragen müssen, sei die Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung gegeben. Die Stpfl. habe die von ihr vertriebenen Arzneimittel ausschließlich von ihrer ausländischen alleinigen Gesellschafterin bezogen. Sie sei auf Grund ihrer gesellschaftsrechtlichen und wirtschaftlichen Abhängigkeit gezwungen gewesen, ausschließlich bei dieser zu kaufen, und deshalb gehindert gewesen, bei Konkurrenzfirmen ihrer Gesellschafterin einzukaufen, auch wenn dort günstigere Einkaufsbedingungen bestanden hätten. Sie habe ferner in großem Umfang Werbung für die Markenartikel ihrer Gesellschafterin betrieben und im wesentlichen den Aufwand hierfür getragen. Dies habe dazu geführt, daß sie in den Streitjahren ohne Gewinn gewirtschaftet habe. Ein derartiges Verhalten wäre zwischen einander fremden Geschäftspartnern undenkbar. Es sei auch nicht üblich, daß eine Vertriebsfirma die Werbungskosten für Markenartikel des Herstellungsunternehmens trage. Hinzu komme, daß vertragliche Abmachungen darüber fehlten, wie die Verteilung der Kosten für Werbung und Vertrieb zwischen den Vertragspartnern zu gestalten sei. Der Umstand, daß die Gesellschafterin die Gutschriften für die durchgeführten Werbemaßnahmen nach eigenem Gutdünken vorgenommen habe, zeige, daß die Gewinne der Stpfl. willkürlich beeinflußt worden seien. Eine dem Produktionsunternehmen fremd gegenüberstehende Vertriebsgesellschaft würde sich zur übernahme von Werbeaufwendungen nur insoweit bereitgefunden haben, daß ihr unter normalen Verhältnissen noch ein branchenüblicher, angemessener Gewinn verblieben wäre.
Mangels Bereitstellung von Unterlagen durch die Gesellschafterin der Stpfl. könne der Umfang der verdeckten Gewinnausschüttungen lediglich im Wege der Schätzung gemäß § 217 AO ermittelt werden. Die vom FA vorgenommene Abgrenzung gehe auf keinen Fall zu weit.
Hiergegen richtet sich die als Revision zu behandelnde Rb. der Stpfl., zu deren Begründung sie folgendes vortragen läßt:
Formellrechtlich werde zur Frage, ob die Rechtsmittelbegründung innerhalb der Frist des § 289 Abs. 2 AO a. F. eingegangen sei, für den Fall Nachsicht begehrt, daß das Gericht im Schreiben des FG vom 3. Juli 1964 keine Fristverlängerung sehe. Im übrigen werde beantragt, das Verfahren gemäß § 74 FGO (a) im Hinblick auf das eingeleitete, wenn auch bis zur Entscheidung über diesen Rechtsstreit ruhende Verständigungsverfahren nach Artikel 13 Abs. 1 des Abkommens zwischen dem Deutschen Reiche und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der direkten Steuern und der Erbschaftsteuern vom 15. Juli 1931 - DBAS - (RGBl II 1934, 38) in der Fassung des Zusatzprotokolls vom 20. März 1959 - BGBl II 1959, 1253. BStBl 1959, 1006 -, (b) bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) in der Beschwerdesache 1 BvR 103/66, das Urteil des BFH I 302/61 S vom 16. November 1965 BFH 84, 268, BStBl III 1966, 97) - steuersatzmäßige Gleichstellung von verdeckten und offenen Gewinnausschüttungen - betreffend, auszusetzen.
Materiellrechtlich bilde den Ausgangspunkt sowohl der zoll- als auch der steuerrechtlichen Beurteilung der übliche Wettbewerbspreis, der unbeeinflußt sei von den Beziehungen zwischen Verkäufer und Käufer; eine unterschiedliche Feststellung dieses Preises als Ausgangspunkt sei bereits begrifflich nicht möglich, würde aber auch den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verletzen. Der übliche Wettbewerbspreis müsse als Tatbestandsfeststellung nun vom Rechnungspreis der Ware her ermittelt werden. Denn nur, wenn die Angemessenheit des Rechnungspreises nicht gegeben sei, könnten Aufwendungen für Werbung oder ein Teil von ihnen dem Rechnungspreis hinzugeschlagen werden, um so zu dem üblichen Wettbewerbspreis zu gelangen.
Während in den Betriebsprüfungsberichten Zoll der Teil des dem Rechnungspreis hinzugeschlagenen Werbeaufwands, bei jeder einzelnen Aufwandsart nach der Interessenlage zwischen Herstellerunternehmen und Vertriebsgesellschaft in allen Einzelheiten ermittelt worden sei, sei in dem Betriebsprüfungsbericht Steuer vom 20. September 1960 eine summarische Hinzurechnung in Höhe von 2/3 der gesamten Werbeaufwendungen vorgenommen worden. Indem das FG dem unbesehen gefolgt sei und ohne Prüfung der Einstandspreise und der für ihre Berechnung maßgebenden Gründe (Wettbewerbslage, Markt- und Preissituation für pharmazeutische Artikel in Deutschland) eine verdeckte Gewinnausschüttung angenommen habe, habe es seine Aufklärungspflicht verletzt.
Unrichtig seien aber auch die vom FG aus dem Betriebsprüfungsbericht gezogenen Schlußfolgerungen. Denn während der Verzollung der Zollwert, d. h. der Normalpreis (= üblicher Wettbewerbspreis), und damit weder ein zu hoher noch ein zu niedriger Preis zugrunde zu legen sei, sei ein zu niedriger Preis für die steuerrechtliche Beurteilung in der Regel unschädlich. Andererseits gehöre auch nach § 27 der Wertzollordnung der Gewinn aus Kapitalbeteiligungen nicht zum Zollwert, was - wie die Vorschrift von Hinst-Schürmann "Der Wertzoll", Kommentar, Ziff. 2 zu § 27, und Schlotterbeck (Der Betriebs-Berater 1958, 840) kommentiert werde - auch für verdeckte Gewinnausschüttungen gelte, da diese nicht Bestandteil des Warenpreises, sondern Ertrag der Kapitalbeteiligungen seien.
Rechtsstaatlich bedenklich sei es, wenn das FG ausführe, der Zollpflichtige trage stets das Risiko einer zu hohen Zollwertfestsetzung, weil diese für die spätere steuerrechtliche Beurteilung nicht verbindlich sei. Damit würde das Ergehen sich widersprechender - obwohl vom gleichen Sachverhalt ausgehender - Zoll- und Steuerbescheide bejaht.
Schließlich seien Werbekosten des Alleinvertreters keine Aufwendungen, die zur Annahme verdeckter Gewinnausschüttungen führen könnten, selbst wenn sie vom Alleinvertreter im überwiegenden Interesse des vertretenen Unternehmens getragen würden. Sie seien Ausfluß des Vertretungs-, nicht des Gesellschaftsverhältnisses.
Demgegenüber führt das FA aus, daß in den Betriebsprüfungsberichten Zoll wie im Betriebsprüfungsbericht Steuer dem Grunde nach die gleiche tatsächliche Feststellung getroffen worden sei, nämlich die, daß die Stpfl. für die Werbung Kosten aufgewendet habe, die an sich ihre Gesellschafterin hätte tragen müssen. Die Zollverwaltung habe sie als zutreffend als den Zollwert erhöhend, die Steuerverwaltung habe sie zutreffend als verdeckte Gewinnausschüttung eingeordnet. Auch entsprächen die im Betriebsprüfungsbericht Zoll vom 25. September 1961 auf 68 v. H. der Gesamtaufwendungen für Werbung angesetzten Aufwendungen im Drittinteresse dem vom FA geschätzten Anteil von 2/3. Darüber hinaus habe das FG sein Urteil aber auch darauf gestützt, daß der der Stpfl. verbliebene Gewinn in keinem vertretbarem Verhältnis zu den erzielten Umsätzen stehe.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
Formellrechtlich bestehen nach Auffassung des Senats keine Bedenken dagegen, die Einhaltung der Rechtsmittelbegründungsfrist gemäß § 289, Abs. 2 AO a. F. anzunehmen.
Die Aussetzung des Verfahrens gemäß § 74 FGO kann das Gericht anordnen, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist. Die Anordnung der Aussetzung steht - wie bereits zur Vorschrift des § 264 AO a. F. unter deren Herrschaft der Antrag vom 29. Januar 1965 gestellt wurde, ausgesprochen (Urteil des BFH II 19/61 U vom 15. Juli 1964, BFH 80,98, BStBl III 1964,509) - im Ermessen des Gerichts.
Für eine Aussetzung des Verfahrens fehlt es im Streitfall auch bei weitester Auslegung des Begriffs "Rechtsverhältnis" an der Vorgreiflichkeit des Ergebnisses des eingeleiteten Verständigungsverfahrens nach Art. 13 Abs. 1 DBAS für die hierzu zu treffende Entscheidung. Was die Frage nach der richtigen Berechnung von Verrechnungspreisen oder nach der richtigen Bemessung des Entgelts für Dienstleistungen, Werbeaufwand u. a. betrifft, so ist es Sache eines jeden Staates, sie unter dem Gesichtspunkt unzulässiger Gewinnverschiebung zu überprüfen (vgl. Locher, Das schweizerisch-deutsche Doppelbesteuerungsabkommen, B § 6 III.). Soweit der Stpfl. bezüglich des Ergebnisses dieser überprüfung ein Verständigungsverfahren herbeiführt, schließt das eine Entscheidung im gegebenen Rechtsmittelverfahren nicht aus. Andererseits steht eine solche Entscheidung einer neuen Behandlung der Steuern im Billigkeitswege bei übereinstimmender Auffassung beider Staaten im Verständigungsverfahren zur Milderung einer doppelten steuerlichen Belastung nicht entgegen (vgl. Locher, a. a. O., B § 10 II).
Materiellrechtlich handelt es sich zunächst um die Frage, ob von der Stpfl. Werbeaufwand getragen worden ist, der an sich von ihrer Lieferantin (Herstellerfirma, alleinigen Gesellschafterin der Stpfl.) hätte getragen werden müssen, ohne daß sie hierfür - etwa durch einen entsprechend niedriger gehaltenen Verrechnungspreis - entschädigt worden ist. Bei Bejahung dieser Frage kommt die Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung in Betracht.
Für die Entscheidung der Frage, inwieweit in einer "Verlagerung der Betriebskosten" für die Waren in der Bundesrepublik eine verdeckte Gewinnausschüttung zu erblicken ist, ist die Wertverzollung der von der Stpfl. vertriebenen, aus dem Auslande eingeführten Artikel ohne rechtliche Wirkung. Allerdings spielt auch bei der Wertverzollung die Verlagerung von Vertriebskosten eine Rolle. In Ansehung des wirtschaftlichen Abhängigkeitsverhältnisses der Stpfl. (Käuferin) von ihrer ausländischen Lieferantin (Verkäuferin) ist bei der Verzollung der eingeführten Waren zum Ausgleich für die von der Verkäuferin auf die Käuferin verlagerten Vertriebskosten ein Zuschlag von 5. v. H. vom Rechnungspreis vorgenommen worden. Die Weiterverfolgung dieses Gedankens (tatsächliche Verlagerung von Vertriebskosten) führte später zu einer individuellen Ermittlung dieser Kosten der Höhe nach (so bereits im Betriebsprüfungsbericht Zoll vom 21. Dezember 1957), wobei - zur Ermittlung des Zollwerts gemäß §§ 53 bis 53b des Zollgesetzes (ZG), §§ 2, 27 der Wertzollordnung - lediglich die festgestellten tatsächlichen Aufwendungen ( ohne Berücksichtigung etwaiger - offen oder verdeckt ausgeschütteter - Gewinne aus dem Beteiligungsverhältnis) die Grundlage der Berechnung der Zollabgaben bildeten. Die aus der Prüfung resultierenden Mehrabgabenbeträge wurden der Stpfl. jedoch für die Zeit bis zum 27. November 1957 (Tag der Beendigung der Betriebsprüfung) aus Billigkeitsgründen erlassen, soweit sie 5 v. H. überstiegen. Das FG hat, dem Betriebsprüfungsbericht Steuer vom 20. September 1960 Tz. 21 folgend, unabhängig von dem Zollbescheid eine tatsächliche Verlagerung von Verkaufskosten auf die Stpfl. in einer für die Streitjahre geschätzten Höhe von 2/3 der Gesamtaufwendungen unter Berücksichtigung bisher erteilter Gutschriften dem Betriebsergebnis der Stpfl. als verdeckte Gewinnausschüttung hinzugesetzt. Es war nach Auffassung des Senats an die Zollberechnung nicht gebunden. Denn die Ermittlung des Normalpreises (gleich des üblichen Wettbewerbspreises einer Ware beim Grenzübergang) als Grundlage einer Abgabe folgt anderen Regeln und einem anderen Verfahren als die Berechnung einer verdeckten Gewinnausschüttung mit der Wirkung der Nichtabzugsfähigkeit einer Betriebsausgabe bei der Körperschaftsteuer der Tochtergesellschaft. Die Berechnung im Zollbescheid hindert also ebensowenig die Feststellung einer höheren Verlagerung von Vertriebskosten von der Muttergesellschaft auf die Tochtergesellschaft, wie die Feststellung eines geringeren Betrages.
Es kommt also nur darauf an, ob die Annahme, daß schätzungsweise 2/3 der grundsätzlich von der Stpfl. übernommenen Kosten des Vertriebs der Waren in der Bundesrepublik von Rechts wegen von der Schweizer Muttergesellschaft hätten getragen werden müssen, auf zutreffenden Grundlagen beruht.
Die Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung an die ausländische Gesellschafterin erforderten hier zunächst die Feststellung, daß die übernahme bestimmter Vertriebskosten durch den inländischen Alleinvertreter in der Branche unüblich war. Die entsprechende Annahme des FG wird durch seine tatsächlichen Feststellungen nicht hinreichend getragen und bedarf daher der überprüfung. Außerdem erscheint gegebenenfalls eine nähere Prüfung der Verrechnungspreise geboten.
Das FG wird deshalb bei seiner Prüfung, ob und in welchem Umfang die Stpfl. in den Streitjahren verdeckte Gewinnausschüttungen vorgenommen hat, wie folgt vorzugehen haben:
Zunächst wird, z. B. durch Einholung entsprechender Gutachten von Sachverständigen, die Frage zu klären sein, ob es insbesondere in der pharmazeutischen Branche unüblich ist, daß - im Verhältnis zwischen gesellschaftsrechtlich einander nicht verbundenen Unternehmen - die inländische Vertriebsgesellschaft eines ausländischen Industrieunternehmens als Alleinvertreterin den mit der Werbung im Inland verbundenen Aufwand ganz oder überwiegend trägt, obgleich sie damit zugleich dem Interesse des Herstellungsunternehmens dient. Bei Bejahung dieser Frage würde der Begründung des FG zu folgen sein.
Andernfalls wären die Vertriebskosten grundsätzlich bei der Stpfl. abzugsfähig. Im Hinblick darauf, daß die Stpfl. viele Jahre hindurch und möglicherweise über eine normale Anlaufzeit hinaus nur mit Verlust abgeschlossen hätte, würde jedoch, gegebenenfalls durch eine ergänzende Betriebsprüfung, zu ermitteln sein, ob der Stpfl. von ihrer Muttergesellschaft in anderen Punkten Bedingungen auferlegt worden sind, die diese mit einem von ihr unabhängigen Alleinvertreter nicht vereinbart hätte und ob sich hieraus gegebenenfalls eine verdeckte Gewinnausschüttung ergeben hat. Denn man wird im allgemeinen davon ausgehen müssen, daß Verträge dieser Art zwischen einer Kapitalgesellschaft und ihren Gesellschaftern so gestaltet werden, daß die Kapitalgesellschaft nicht auf die Dauer leer ausgeht (vgl. bereits Urteil des RFH I A 60/21 vom 8. Juli 1921, RFH Bd. 6 S. 266, 273) zum Verhältnis, der Kapitalgesellschaft zu ihrem Alleingesellschafter als Angestellten). Vor allem wäre daher zu ermitteln, welche Gewinnspanne die Stpfl. bei Zugrundelegung ihrer Ein- und Verkaufspreise (getrennt nach den von ihr vertriebenen Artikeln) kalkulatorisch angesetzt hatte. Dabei wäre es unerheblich, welche Preise zollrechtlich als Normalpreis oder üblicher Wettbewerbspreis angesehen worden sind. Diese Spanne würde - in Ansehung der gesellschaftsrechtlichen Abhängigkeit der Stpfl. von ihrer Lieferfirma - mittels inneren und äußeren Betriebsvergleichs auf ihre steuerrechtliche Vertretbarkeit zu prüfen sein. Es würde auch festzustellen sein, mit welcher Rohgewinnspanne andere inländische Vertriebsgesellschaften der pharmazeutischen Branche rechnen, und im Vergleich der Zahlen sodann zu prüfen, ob die Stpfl. ihrer Gesellschafterin einen unvertretbar hohen Verrechnungspreis bewilligt hat. Die Stpfl. würde die erforderlichen Ermittlungen des FG im Rahmen des Möglichen zu unterstützen haben, andernfalls dieses zur Schätzung berechtigt wäre. Bei der Frage, ob eine verdeckte Gewinnausschüttung vorliegt, wäre auch der scheinbar willkürliche Wechsel der seitens der Gesellschafterin zugunsten der Stpfl. erfolgten Gutschriften zu beachten.
Fundstellen
Haufe-Index 412449 |
BStBl III 1967, 495 |
BFHE 1967, 545 |
BFHE 88, 545 |
BB, / AWD 1967,25 |
DB 1967, 1442 |
DStR 1967, 520 |