Leitsatz (amtlich)
Eine Feststellungsklage (z. B. auf Feststellung, daß eine stille Beteiligung minderjähriger Kinder am Komplementäranteil ihres Vaters an einer KG einkommensteuerlich anzuerkennen ist) ist unzulässig, wenn das FA über die begehrte Feststellung in einem Verwaltungsakt entscheiden muß, den der Kläger durch Gestaltungsklage anfechten kann.
Normenkette
FGO § 41
Gründe
Die Revision ist begründet, wenn auch aus anderen Gründen als in der Revisionsbegründung geltend gemacht. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage als unzulässig.
Der Senat kann der Vorentscheidung nicht darin beipflichten, daß die Feststellungsklage zulässig sei.
Nach § 41 Abs. 1 FGO kann durch Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Abs. 2 Satz 1 dieser Vorschrift schließt das Klagerecht aus, soweit der Kläger sein Recht durch Gestaltungsoder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können.
1. Das FG hat festgestellt, daß für die steuerliche Wirksamkeit des stillen Gesellschaftsverhältnisses eine gerichtliche oder notarielle Beurkundung der Schenkungen der Beteiligungen nicht erforderlich sei.
Es erscheint bereits zweifelhaft, ob hierin eine nach § 41 FGO allein zulässige Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder nicht vielmehr eine unzulässige Feststellung der Antwort auf eine abstrakte Rechtsfrage als unselbständiges Element eines Rechtsverhältnisses liegt. Ferner ist zweifelhaft, ob der Klageantrag, festzustellen, daß der schriftliche Vertrag des Klägers mit seinen beiden Kindern über die Errichtung einer stillen Gesellschaft wirksam sei, wörtlich verstanden auf die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses gerichtet war, für das der Finanzrechtsweg gegeben ist, also eines öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisses. Beide Fragen können jedoch offenbleiben ebenso wie die weitere Frage, ob das FG vom Klageantrag abweichen durfte und ob eventuell Klageantrag und Tenor des angefochtenen Urteils, sofern sie auslegungsbedürftig sein sollten, auch auslegungsfähig und dahin zu verstehen sind, daß die Feststellung insbesondere der einkommensteuerrechtlichen Folgen (geringere Steuerschuld), die sich für die Ermittlung des Gewinns des Klägers aus der steuerlichen Wirksamkeit der vereinbarten stillen Gesellschaft ergeben, begehrt war und vom FG vorgenommen wurde. Denn auch wenn man insoweit jeweils von der für den Kläger günstigsten Antwort auf diese Fragen ausgeht, erweist sich die Klage als unzulässig.
2. Für die Zulässigkeit einer Feststellungsklage nach § 41 FGO reicht es nicht aus, daß der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Es ist darüber hinaus auch erforderlich, daß der Kläger seine Rechte nicht durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können.
a) Der Kläger kann seine Rechte aber dann durch Gestaltungsklage verfolgen, wenn die begehrte Feststellung, soweit sie materiell berechtigt ist, in absehbarer Zukunft vom FA im Rahmen eines Verwaltungsakts, insbesondere eines Steuerbescheids zu treffen ist. Die Wortfassung des § 41 Abs. 2 Satz 1 FGO "durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können" darf nicht etwa dahin verstanden werden, daß ein entsprechender Verwaltungsakt, der die begehrte Feststellung enthält oder sie als materiell nicht berechtigt ablehnt, bereits ergangen sein muß. Es ist sicher richtig, daß der Kläger eine Gestaltungsklage stets erst dann erheben kann, wenn ein Verwaltungsakt vorliegt. Durch Gestaltungsklage verfolgen kann der Kläger seine Rechte aber auch dann, wenn in absehbarer Zukunft ein Verwaltungsakt ergehen wird, gegen den der Kläger dann Gestaltungsklage erheben kann. Der Audruck "verfolgen kann" ist ohne zeitlichen Aussagewert; er enthält den Hinweis auf eine rechtliche Befugnis ohne unmittelbare zeitliche Begrenzung. Für diese Interpretation des § 41 Abs. 2 Satz 1 FGO sprechen insbesondere steuersystematische Gesichtspunkte.
Nach geltendem Recht sind die FÄ grundsätzlich nicht verpflichtet, außerhalb des Steuerfestsetzungsverfahrens Erklärungen über die steuerliche Beurteilung eines Sachverhalts, also Auskünfte und Zusagen zu erteilen, soweit nicht, wie z. B. in § 56 LStDV für Sonderfälle eine derartige Auskunftspflicht statuiert ist (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 4. August 1961 VI 269/60 S, BFHE 73, 813, BStBl III 1961, 562, 565 mit weiteren Nachweisen). Dabei ist unerheblich, ob eine Auskunft über einen bereits verwirklichten oder einen erst in Zukunft zu verwirklichenden Sachverhalt z. B. die geplante Änderung der Unternehmensform in Frage steht. Ein Gesetzentwurf, der vorsah, daß die FÄ grundsätzlich allgemein nach pflichtgemäßem Ermessen Auskünfte zu erteilen haben, andererseits aber derartige Auskünfte auch gebührenpflichtig sind, ist nicht Gesetz geworden (Bundestagsdrucksachen IV/2442 und V/885). Nach geltendem Recht ist die steuerliche Beurteilung eines Sachverhalts somit grundsätzlich dem Steuerfestsetzungsverfahren vorbehalten, und zwar unabhängig davon, wieviel Zeit zwischen der Verwirklichung des Sachverhalts und der Durchführung des Steuerfestsetzungsverfahrens regelmäßig vergeht und wie groß das Interesse des Steuerpflichtigen an einer baldigen Klärung der steuerlichen Rechtslage ist.
Erteilt ein FA im Einzelfalle eine Auskunft, sei es freiwillig oder sei es aufgrund besonderer Verpflichtung, so kann diese Auskunft zwar unter bestimmten Voraussetzungen nach dem Grundsatz von Treu und Glauben Rechtswirkungen etwa derart erzeugen, daß das FA an die in der Auskunft enthaltene rechtliche Beurteilung im Steuerfestsetzungsverfahren gebunden ist. Gleichwohl ist jedoch nach der ständigen Rechtsprechung des BFH (vgl. insbesondere BFH-Urteil vom 13. November 1959 VI 124/59 U. BFHE 70, 290, BStBl III 1960, 108) und nach der vorherrschenden Meinung im steuerrechtlichen Schrifttum (v. Wallis/List in Hübschmann-Hepp-Spitaler, Kommentar zur Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, 1. bis 6. Aufl., FGO § 40 Rdnr. 55; Becker-Riewald-Koch, Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Kommentar, 9. Aufl., FGO § 40 Anm. 2 Abs. 8) die Auskunft kein Verwaltungsakt, weil sie keine auf Rechtsgestaltung gerichtete Handlung darstellt (Becker-Riewald-Koch, a. a. O.). Die Auskunft kann deshalb nicht durch Gestaltungsklage angefochten werden mit dem Ziele, daß sie durch eine andere günstigere Auskunft ersetzt wird. Ebensowenig kann eine Weigerung des FA, außerhalb des Steuerfestsetzungsverfahrens überhaupt eine Auskunft zu erteilen, durch eine Verpflichtungsklage angegriffen werden. Eine Klage, mit der das FA zur Erteilung einer bestimmten Auskunft verpflichtet werden soll, wäre nicht etwa nur unbegründet, weil abgesehen von Sonderfällen kein Anspruch auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft besteht, sondern sie wäre unzulässig.
Diese klare und eindeutige Rechtslage würde unterlaufen, wenn trotz eines bevorstehenden Steuerfestsetzungsverfahrens die steuerliche Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts Gegenstand einer Feststellungsklage sein könnte. Denn eine derartige Feststellungsklage hätte die gleichen Rechtswirkungen wie sie eintreten, wenn die FÄ zur Erteilung von Auskünften verpflichtet wären und die Erteilung oder Verweigerung von Auskünften Gegenstand von Gestaltungs- oder Leistungsklage sein könnte (so ähnlich bereits BFH-Urteil VI 124/59 U; ferner Ruppel, FR 1971, 337, 340). § 41 Abs. 2 FGO kann aus diesen Gründen nur dahin verstanden werden, daß die Feststellungsklage auch dann ausgeschlossen ist, wenn das FA über die begehrte Feststellung im Rahmen eines Verwaltungsakts, insbesondere eines Steuerbescheids, entscheiden wird und der Kläger dann seine Rechte durch Gestaltungsklage gegen diesen Verwaltungsakt verfolgen kann.
Die vorstehend entwickelte Rechtsauffassung entspricht der im steuerrechtlichen Schrifttum weitaus überwiegenden Meinung, derzufolge durch § 41 Abs. 2 Satz 1 FGO eine sog. vorbeugende Feststellungsklage ausgeschlossen wird (vgl. Becker-Riewald-Koch, a. a. O., FGO § 41 Anm. 2 Abs. 2: v. Wallis/List a. a. O., FGO § 41 Rdnr. 7 a; Ziemer-Birkholz, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl. § 41 Rdnrn. 18 und 31; Ruppel, a. a. O.; nicht ganz eindeutig Tipke-Kruse, Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Kommentar, 2. bis 5. Aufl., § 41 Rdnr. 4).
Das Urteil des V. Senats des BFH vom 4. Juni 1970 V R 92/66, 10/67 (BFHE 99, 185, BStBl II 1970, 648) steht dieser Auffassung nicht entgegen. Der V. Senat hat in diesem Urteil zwar ausgesprochen, mit einer Klage könne die Feststellung begehrt werden, daß für bestimmte nach Auffassung des Klägers nicht steuerbare Umsätze die Pflicht zur Voranmeldung und zur Leistung von Vorauszahlungen entfalle. Der V. Senat hat die Zulässigkeit einer Feststellungsklage aber nur deshalb bejaht, weil die Verpflichtungen aus § 13 Abs. 1 Sätze 1 und 2 UStG 1951 ohne vorherige Aufforderung des FA (Verwaltungsakt) zu erfüllen seien. Damit erweist sich, daß der V. Senat über einen Sachverhalt entschieden hat, der mit dem Streitfall nicht vergleichbar ist, so daß insoweit unterschiedliche Ergebnisse in der Auslegung des § 41 Abs. 2 Satz 1 FGO möglich erscheinen.
b) Im Streitfall wird der Kläger Gestaltungsklage erheben und damit seine Rechte verfolgen können, sobald das FA den Steuerbescheid für 1971 erlassen hat. Denn das FA muß, wie der Kläger übrigens nicht bezweifelt, bei Erlaß des Steuerbescheids incidenter feststellen, ob ein stilles Gesellschaftsverhältnis steuerlich anzuerkennen ist.
c) Die Überlegungen des FG können die Zulässigkeit der Feststellungsklage nicht rechtfertigen. Es mag zutreffen, daß der Steuerpflichtige ein Interesse an einer alsbaldigen Klärung der Frage hat, ob die stille Gesellschaft steuerlich anerkannt wird. Wenn dieses Interesse aber keine Pflicht des FA zur Erteilung von Auskünften und kein Recht des Klägers begründen kann, die Auskunftserteilung durch Gestaltungs- oder Leistungsklage zu verfolgen, so kann es angesichts der Regelung des § 41 Abs. 2 Satz 1 FGO erst recht die Zulässigkeit einer Feststellungsklage nicht begründen. Mit einem Interesse der Allgemeinheit an der höchstrichterlichen Klärung der in Frage stehenden materiell-rechtlichen Probleme läßt sich die Zulässigkeit einer Feststellungsklage nicht rechtfertigen, weil diese anders als z. B. die Zulassung einer Revision, wenn die Revisionssumme nicht erreicht ist, nicht von der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache abhängt.
Fundstellen
Haufe-Index 70442 |
BStBl II 1973, 533 |
BFHE 1973, 517 |