Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Das Verbot der Verwendung fremder Mittel nach § 10 Abs. 1 letzter Satz EStG 1957 gilt auch für den Abzug von Einmalprämien für Lebensversicherungen nach § 10 Abs. 3 Ziff. 3 Buchst. c Satz 2 EStG 1957.
Einmalprämien für Lebensversicherungen können ebenso wie Zahlungen auf Kapitalansammlungsverträge während einer Steuerstundung nicht als Sonderausgaben berücksichtigt werden (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs VI 17/61 U vom 12. Januar 1962, BStBl 1962 III S. 129, Slg. Bd. 74 S. 337).
Normenkette
EStG § 10 Abs. 1, § 10/3/3/c/2; StAnpG § 1
Tatbestand
Der Steuerpflichtige hat am 27. März 1957 eine Einmalprämie von 11.980,90 DM für eine Lebensversicherung gezahlt und diesen Betrag als Sonderausgabe geltend gemacht. Das Finanzamt hat bei der Einkommensteuer-Veranlagung für 1957 die Berücksichtigung dieser Aufwendung abgelehnt, weil dem Steuerpflichtigen an dem Tag, an dem er die Prämie gezahlt hat, noch 29.220 DM Steuern gestundet waren, die nach den Stundungsverfügungen vom 12. Dezember 1956 und 19. Februar 1957 am 10. und 20. April 1957 mit je 11.000 DM und am 10. Mai 1957 mit 7.220 DM zu entrichten waren. Der Einspruch gegen die Versagung des Sonderausgabenabzugs hatte keinen Erfolg.
Das Finanzgericht ließ auf die Berufung des Steuerpflichtigen den Abzug des streitigen Betrags als Sonderausgabe zu. Es führte aus, es sei zweifelhaft, ob das in § 10 Abs. 1 vorletzter Satz EStG 1957 enthaltene Verbot der Verwendung von Kreditmitteln auch für den Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 3 Ziff. 3 c EStG 1957 gelte. Aber selbst, wenn man das bejahte, stehe dem Steuerpflichtigen der Abzug der streitigen Prämie als Sonderausgabe zu. Der Steuerpflichtige habe im Dezember 1956 Liquiditätsschwierigkeiten als Grund für die damals erbetene Stundung angegeben. Damit sei zu vereinbaren, daß er am 27. März 1957 an dem er die Prämie gezahlt habe, wieder ausreichende Mittel für diese Zahlung besessen habe. Auch die von Steuerpflichtigen beantragte und erhaltene Stundung der am 20. März 1957 fälligen Steuer stehe dem Sonderausgabenabzug nicht entgegen. Wenn auch insoweit ein zeitlicher Zusammenhang zwischen der Stundung der steuerbegünstigten Zahlung vorzuliegen scheine, so sei das nicht entscheidend; denn der Steuerbetrag von 7.220 DM sei im Verhältnis zu den Beträgen, mit denen der Steuerpflichtige in seinem Unternehmen und auch als Steuerschuldner zu rechnen gehabt habe, nur unbedeutend. Ebenso sei der Zeitraum von 50 Tagen, um den diese Steuerzahlung durch die Stundung hinausgezögert worden sei, unwesentlich. Kurzfristige Stundung dieser Art, die nur eine gleichmäßige Verteilung der Steuerzahlungen herbeiführen sollten, seien bei größeren Steuerbeträgen üblich. Es komme hinzu, daß nicht nur dies 7.220 DM, sondern sogar ein höherer Betrag sich bei einer Berichtigungsveranlagung im November 1959 als überzahlung herausgestellt habe. Das Urteil des Bundesfinanzhofs VI 157/56 U vom 5. Dezember 1958 (BStBl 1959 III S. 60, Slg. Bd. 68 S. 151) stütze die Versagung des Sonderausgabenabzugs nicht; denn danach könne wegen Verstoßes gegen Treu und Glauben ein als Sonderausgabe geltend gemachter Betrag nur dann nicht berücksichtigt werden, wenn der Steuerpflichtige entgegen seiner Behauptung, er habe keine zur Steuerzahlung verfügbaren Mittel, doch Geld besessen habe.
Der Vorsteher des Finanzamts vertritt in der Rb. die Auffassung, das Verbot der Fremdmittelverwendung in § 10 Abs. 1 vorletzter Satz EStG 1957 gelte auch für die nach § 10 Abs. 3 Ziff. 3 c EStG 1957 begünstigten Aufwendungen. Der Steuerpflichtige habe dem Finanzamt vorgetragen, seine verfügbaren Mittel würden vollständig zum Einkauf von Waren für sein Lager benötigt. Diese Liquiditätsschwierigkeiten seien auch noch für den Monat März behauptet worden. Wegen dieser Ausführungen seien dem Steuerpflichtigen die Steuerschulden gestundet worden. Davon seien 7.220 DM nur sieben Tage vor der Bezahlung der Lebensversicherungsprämie fällig gewesen. Der Steuerpflichtige habe in der Zeit von Januar bis März 1957 Bankguthaben von etwa 100.000 DM bis 120.000 DM besessen, die nach seinen Angaben allerdings nur etwa zur Bezahlung von zwei Eisenbahnwagen Ware ausgereicht hätte. Nach den vom Bundesfinanzhof im Urteil VI 157/56 U (a. a. O.) aufgestellten Grundsätzen komme der Abzug der Einmalprämie als Sonderausgabe nicht in Betracht.
Entscheidungsgründe
Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Nach § 10 Abs. 1 vorletzter Satz EStG 1957, der für die nach dem 6. Oktober 1956 geleisteten Sonderausgaben gilt, dürfen nur solche Aufwendungen als Sonderausgaben abgezogen werden, die weder unmittelbar noch mittelbar mit der Aufnahme eines Kredits in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. Dazu gehören auch Prämienzahlungen für Lebensversicherungsverträge im Sinne von Ziff. 2 dieser Vorschrift. § 10 Abs. 3 Ziff. 3 c EStG 1957 erhöhte den Höchstbetrag der nach § 10 Abs. 1 Ziff. 2 bis 4 EStG 1957 nur in beschränktem Umfang abzugsfähigen Sonderausgaben, wenn die begünstigten Zahlungen nach dem 6. Oktober 1956 und vor dem 1. April 1957 geleistet wurden. Die von dem Steuerpflichtigen am 27. März 1957 gezahlte Einmalprämie gehört zu diesen Aufwendungen und kann deshalb nur berücksichtigt werden, wenn sie nicht gegen das Verbot der Fremdmittelverwendung verstößt.
Im Urteil des Senats VI 157/56 U a. a. O. wurde ausgeführt, daß bei einem Steuerpflichtigen, der die Stundung von fälligen Steuerschulden mit der Begründung erbeten und erhalten hat, daß er nicht über flüssige Mittel verfüge, um die Steuern bei Fälligkeit zu bezahlen, für Aufwendungen, die er während des Laufs der Stundungsfrist gemacht hat, in der Regel ein Abzug als Sonderausgabe nicht möglich ist. Der Senat hat diesen Grundsatz im Urteil VI 17/61 U vom 12. Januar 1962 (BStBl 1962 III S. 129, Slg. Bd. 74 S. 337) bestätigt und dabei betont, daß der Grundsatz auch bei kurzfristigen Stundungen gilt. In der Begründung dieser Entscheidung wurde ausgeführt, daß Steuerpflichtige, denen Steuern gestundet werden, dadurch ein Entgegenkommen erfahren, das sie in besonderem Masse zu einem loyalen Verhalten gegenüber dem Staat verpflichtet und daß es mit dieser Verpflichtung nicht zu vereinbaren ist, wenn sie zur Verfügung stehende Geldmittel zu Aufwendungen verwenden, mit denen sie ihr steuerpflichtiges Einkommen durch einen Sonderausgabenabzug mindern wollen. Eine zusätzliche Begünstigung, wie sie im Sonderausgabenabzug liegt, widerspräche dem Grundsatz von Treu und Glauben. An dieser Beurteilung hält der Senat fest. Die Einwendungen, die der Steuerpflichtige dagegen in der mündlichen Verhandlung erhoben hat, veranlassen den Senat nicht zu einer änderung seiner Rechtsauffassung. Der Gedanke von Treu und Glauben beherrscht als allgemeiner Rechtsgrundsatz die Beziehungen zwischen dem Steuerfiskus und dem Staatsbürger. Er verpflichtet sowohl die Finanzverwaltungsbehörden als auch die Steuerpflichtigen zu einem entsprechenden Verhalten. Für die Steuerpflichtigen hat dies vor allem Bedeutung bei der Inanspruchnahme von steuerlichen Vergünstigungen. Bei den während des Laufs einer Steuerstundung gemachten Ausgaben, die bei Verwendung eigener Mittel für einen Abzug als Sonderausgabe nach § 10 Abs. 1 EStG in Betracht kommen, ist anzunehmen, daß die vom Gesetzgeber mit der Einräumung der Abzugsmöglichkeit verfolgte Absicht nicht erreicht wird, wenn ein Steuerpflichtiger während einer Steuerstundung verfügbare Geldmittel in dieser Weise verwendet. Denn dann will der Steuerpflichtige mit Geld, das er nach Treu und Glauben billigerweise zur Abdeckung seiner Steuerschulden verwenden muß, eine weitere Steuervergünstigung erlangen. Nur in Ausnahmefällen ist eine andere Beurteilung vertretbar, wie in dem Urteil des Senats VI 228/62 U vom 22. Februar 1963 (BStBl 1963 III S. 209) dargelegt ist. Eine solche Ausnahme liegt jedoch hier nicht vor. Daß der Steuerpflichtige ein pünktlicher und zuverlässiger Steuerzahler ist, der auch die bei der Stundung gesetzten Zahlungstermine eingehalten hat, begründet keinen Ausnahmefall. Es ist auch ohne Bedeutung, daß der Steuerpflichtige während des ganzen Zeitraums der Stundung ausreichende Mittel besessen hat, um sowohl die gestundeten Steuern als auch die Lebensversicherungsprämie zu bezahlen. Ob die Stundung unter diesen Umständen überhaupt gerechtfertigt war, braucht nicht untersucht zu werden, da es hier lediglich um den Abzug der Prämie als Sonderausgabe geht. Ohne Bedeutung ist auch, ob der gestundete Betrag nach etwa 2 1/2 Jahren vom Finanzamt ganz oder teilweise erstattet wurde. Entscheidend ist lediglich, daß der Steuerpflichtige die Prämie während des Laufs einer Steuerstundung geleistet hat. Diese Tatsache schließt einen Abzug als Sonderausgabe aus.
Die Vorentscheidung ist demnach aufzuheben und die Berufung des Steuerpflichtigen gegen die Einspruchsentscheidung als unbegründet zurückzuweisen, da diese zum rechtlich zutreffenden Ergebnis gelangt ist.
Fundstellen
Haufe-Index 410775 |
BStBl III 1963, 210 |
BFHE 1963, 575 |
BFHE 76, 575 |