Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Werden einem Steuerpflichtigen auf Grund seiner Behauptung, keine flüssigen Mittel zu haben, auf seinen Antrag fällige Steuern gestundet, so können in der Regel Zahlungen, die er während des Laufs der Stundung auf einen Kapitalansammlungsvertrag leistet, soweit sie nicht höher als der gestundete Steuerbetrag sind, nicht als Sonderausgaben abgezogen werden. Das gilt auch für kurzfristige Stundungen, nicht jedoch für Stundungen, bei denen die Steuern erst nach der Einzahlung des Sparbetrags fällig werden, auch wenn der Steuerpflichtige bei der Einzahlung schon mit diesen Verbindlichkeiten rechnen konnte.
Normenkette
EStG § 10 Abs. 1 Ziff. 4
Tatbestand
Streitig ist die Abzugsfähigkeit von 2.400 DM, die der beschwerdeführende Ehemann (Bf.) am 28. Dezember 1956 auf einen Kapitalansammlungsvertrag eingezahlt hat. Das Finanzamt hat bei der Einkommensteuerveranlagung für 1956 den Abzug dieses Betrages als Sonderausgabe abgelehnt, weil der Bf. am 5. Dezember 1956 die Stundung der am 10. Dezember 1956 fälligen Einkommensteuervorauszahlung von rund 7.000 DM beantragt hatte und diese ihm in der Weise gewährt worden war, daß er am Fälligkeitstage 3.800 DM sowie am 10. Januar und 10. Februar 1957 je 1.500 DM zu zahlen hatte. Der Einspruch und die Berufung gegen die Versagung des Sonderausgabenabzugs hatten keinen Erfolg.
Das Finanzgericht lehnte den Abzug ab unter Hinweis auf das Urteil des Senats VI 157/56 U vom 5. Dezember 1958 (BStBl 1959 III S. 60, Slg. Bd. 68 S. 151). Ebenso wie in jenem Fall habe der Bf. auf Grund der Versicherung, es sei ihm nicht möglich, die Steuerschuld auf einmal zu bezahlen, eine Stundung der am 10. Dezember 1956 fälligen Steuern zugestanden bekommen. Anfang Februar 1957 habe er eine weitere Stundung für die Einkommensteuerabschlußzahlung von etwa 16.000 DM erhalten, von der er am Fälligkeitstage 5.000 DM und den Rest in monatlichen Teilbeträgen bis zum Herbst 1957 entrichtet habe. Unter diesen Umständen widerspreche der Abschluß des Ende Dezember 1956 abgeschlossenen Kapitalansammlungsvertrages Treu und Glauben. Der Sparbetrag könne nicht als Sonderausgabe berücksichtigt werden.
Der Bf. rügt mit der Rb., daß das Finanzgericht seine Entscheidung auch darauf gestützt habe, daß er die Stundung der erst am 14. März 1957 fälligen Abschlußzahlung auf die Einkommensteuer 1955 beantragt habe; denn er habe keine Gelegenheit gehabt, zu diesem Punkte Stellung zu nehmen und darzutun, daß die Stundung der erst einige Zeit nach Abschluß des Kapitalansammlungsvertrages fälligen Abschlußzahlung auf die Berücksichtigung des Sparbetrags bei den Sonderausgaben keinen Einfluß gehabt habe. Die Steuerstundungen vom 5. Dezember 1956 und die ab 14. März 1957 seien unabhängig voneinander und aus betrieblichen Gründen entsprechend der jeweiligen Finanzsituation beantragt worden. Von einem Verstoß gegen Treu und Glauben könne keine Rede sein. Er habe auch keine Veranlassung gehabt, nachträglich auf die gewährte Steuerstundung zu verzichten.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist nicht begründet.
In dem von den Vorinstanzen angeführten Urteil des Senats VI 157/56 U wurde entschieden, daß ein Steuerpflichtiger, dem eine fällige Steuerschuld auf seinen Antrag wegen des behaupteten Mangels an flüssigen Mitteln gestundet wird und der dann für eine während der Dauer der Stundung geleistete Einzahlung auf einen Kapitalansammlungsvertrag die Steuervergünstigung des Sonderausgabenabzugs in Anspruch nehmen will, gegen sich gelten lassen muß, daß der Sparbeitrag mit einem vom Finanzamt in Anspruch genommenen Steuerkredit in wirtschaftlichem Zusammenhang steht. Der Senat hält daran fest, daß unter diesen Umständen der Sonderausgabenabzug wegen der Verwendung von Fremdmitteln entfällt. Weil allein nach dem Zeitpunkt der Einzahlung zu beurteilen ist, ob Sparbeiträge mit Kredit geleistet worden sind, kommt es auf die Dauer der Stundung nicht an. Auch eine verhältnismäßig kurzfristige Steuerstundung schließt daher die Abzugsfähigkeit eines Sparbetrags aus. Allerdings ist der Abzug nur zu versagen, soweit ein Zusammenhang zwischen Stundung und Sparbetrag angenommen werden kann. Sind einem Steuerpflichtigen z. B. Steuern von 2.000 DM gestundet worden und zahlt er während der Stundung 5.000 DM auf einen Kapitalansammlungsvertrag ein, so kann für 3.000 DM der Sonderausgabenabzug nicht unter Hinweis auf die Stundung versagt werden. Im Streitfall ist demgemäß auch nicht von dem ganzen am 10. Februar 1956 fälligen Steuerbetrag auszugehen, sondern nur von den zur Zeit der Einzahlung auf den Kapitalansammlungsvertrag noch gestundeten 3.000 DM.
Ein Steuerpflichtiger, der mit Rücksicht auf den von ihm behaupteten Mangel an flüssigen Mitteln vom Finanzamt Steuer gestundet bekommt, hat dadurch gegenüber anderen Steuerpflichtigen, die ihre Steuern pünktlich am Fälligkeitstag entrichten, ein Entgegenkommen des Staates erfahren, das ihn seinerseits in besonderem Masse zu einem loyalen Verhalten gegenüber dem Finanzamt verpflichtet. Es braucht in diesem Zusammenhang nicht entschieden zu werden, ob ein Steuerpflichtiger, dem Steuern gestundet wurden, im Fall einer unvorhergesehenen Besserung seiner Zahlungsfähigkeit verpflichtet ist, dies dem Finanzamt anzuzeigen, damit das Finanzamt den Widerruf der gewährten Steuerstundung prüfen kann. Jedenfalls ist es aber unter diesen besonderen Umständen nicht angängig und widerspricht Treu und Glauben, wenn der Steuerpflichtige die ihm entgegen seinen früheren Erwartungen zur Verfügung stehenden Geldmittel zur Einzahlung auf einen Kapitalansammlungsvertrag verwendet, um durch den Abzug dieser Aufwendung im Rahmen der Sonderausgaben sein Einkommen und seine Einkommensteuer zu mindern und sich dadurch einen weiteren Steuervorteil zu verschaffen.
Ob es sich bei den gestundeten Steuern um Vorauszahlungen oder um endgültig veranlagte Steuern handelt, ist ebenso ohne Bedeutung wie die Dauer der Stundung.
Erst nach der Einzahlung auf den Kapitalansammlungsvertrag gewährte Steuerstundungen sind dagegen regelmäßig ohne Einfluß auf die Abzugsfähigkeit der vorher geleisteten Sparbeiträge. Das gilt auch, wenn der Steuerpflichtige im Zeitpunkt der Einzahlung auf den Kapitalansammlungsvertrag bereits mit der Entstehung der Steuerschuld rechnen konnte oder mußte. Im Streitfall ist daher ohne Bedeutung, daß die Bf. Anfang Februar 1957 den Steuerbescheid für 1955 erhielten, auf Grund dessen sie Anfang März 1957 eine beträchtliche Abschlußzahlung zu leisten hatten, die ihnen auf einen längeren Zeitraum mit Teilzahlungen gestundet wurde.
Die im Dezember 1956 gewährte Stundung der am 10. Dezember 1956 fälligen Einkommensteuervorauszahlung schließt dagegen die Berücksichtigung der am 28. Dezember 1956 auf einen Kapitalansammlungsvertrag geleisteten Einzahlung bei den Sonderausgaben aus, da der gestundete Steuerbetrag höher war als der Sparbetrag. Die Vorentscheidung ist demnach zum zutreffenden Ergebnis gelangt.
Fundstellen
Haufe-Index 410346 |
BStBl III 1962, 129 |
BFHE 1962, 337 |
BFHE 74, 337 |