Leitsatz (amtlich)
Eine Entschädigungsrente nach dem LAG gehört zu den Bezügen, die zur Bestreitung des Unterhalts des Empfängers geeignet sind. Sie ist daher bei der Errechnung des den Freibetrag nach § 33a Abs. 1 Satz 1 EStG mindernden Betrages anzusetzen (§ 33a Abs. 1 Satz 3 EStG).
Normenkette
EStG § 33a Abs. 1 Sätze 1, 3; LStDV § 25a Abs. 1
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) unterstützte seine verwitwete Mutter im Streitjahr mit monatlich ca. 250 DM und beantragte hierfür einen Freibetrag nach § 33a Abs. 1 EStG. Die Mutter bezog eine Angestelltenversicherungsrente von 126,40 DM und eine Entschädigungsrente nach dem LAG von 74,20 DM monatlich. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) rechnete beide Renten nach § 33a Abs. 1 Satz 3 EStG bei der Berechnung des Freibetrags an und gewährte einen Freibetrag nach § 33a Abs. 1 EStG von 353 DM.
Die Klage, mit der sich der Kläger gegen die Anrechnung der Entschädigungsrente wandte, hatte keinen Erfolg. Das FG führte aus, die Entschädigungsrente gehöre zu den Einkünften oder Bezügen im Sinne des § 33a Abs. 1 Satz 3 EStG und sei daher bei der Berechnung des Freibetrags anzurechnen. Entgegen der Auffassung des Klägers handle es sich bei der Entschädigungsrente nicht um einen bei der Bemessung des Freibetrags unbeachtlichen Vorgang, der sich - wie z. B. bei einer Vermögensumschichtung - in der Vermögenssphäre abspiele. Wenn auch die Entschädigungsrente nach dem LAG als eine Form der Hauptentschädigung Vermögensschäden infolge eines Kriegs-, Vertreibungs- oder Ostschadens abgelte, so liege damit noch keine für den Freibetrag unbeachtliche Vermögensumschichtung vor. Die Mutter des Klägers habe nämlich als Entschädigung eine Rente auf Lebenszeit erhalten, die ohne Rücksicht darauf gewährt werde, ob ein zugrunde liegender Grundbetrag der Hauptentschädigung hierzu ausreiche. Es handle sich somit bei der Entschädigungsrente, auch wenn sie den Charakter einer Schadensrente habe, nicht nur um einen ratenweisen Vermögensverzehr. Daran ändere auch nichts, daß anstelle der Rente die Hauptentschädigung im ganzen beantragt werden könne.
Mit der Revision vertritt der Kläger die Auffassung, bei der Entschädigungsrente handle es sich um einen Vermögensverzehr, der nicht zu den Einkünften und Bezügen im Sinne des § 33a Abs. 1 Satz 3 EStG zu rechnen sei. Das FG habe Sinn und Zweck des LAG verkannt, das in einem gewissen Rahmen Entschädigung für verlorenes Vermögen, nicht jedoch lebenslange Renten gewähren wolle. Seiner Mutter sei daher auch kein Rentenstammrecht eingeräumt worden. Der in der Entschädigungsrente liegende Vermögensverzehr werde insbesondere dadurch deutlich, daß unter Verzicht auf die Fortzahlung der Rente und unter Anrechnung der bis dahin gezahlten Rentenbeträge die Auszahlung der Hauptentschädigung beantragt werden könne.
Der Kläger beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Einkommensteuer 1968 so festzusetzen, daß bei der Berechnung des Freibetrags nach § 33a Abs. 1 EStG die Entschädigungsrente nach dem LAG von monatlich 74,20 DM außer Betracht bleibt.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Revision ist unbegründet.
Nach § 33a Abs. 1 Satz 3 EStG vermindert sich der Freibetrag des § 33a Abs. 1 Satz 1 EStG, wenn die unterhaltene Person andere Einkünfte und Bezüge hat, die zur Bestreitung des Unterhalts bestimmt oder geeignet sind, und zwar vermindert sich der Freibetrag um den Betrag, um den diese Einkünfte und Bezüge den Betrag von 1 200 DM übersteigen. Die Vorschrift hat Ähnlichkeit mit § 32 Abs. 2 Nr. 2 letzter Satz EStG. Danach ist Voraussetzung für die Gewährung eines Kinderfreibetrags, daß die eigenen Einkünfte und Bezüge des Kindes, die zur Bestreitung seines Unterhalts oder seiner Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind, im Veranlagungszeitraum nicht mehr als 7 200 DM betragen haben. Zur Auslegung dieser Vorschrift hat der Senat in der Entscheidung vom 8. November 1972 VI R 257/71 (BFHE 107, 436, BStBl II 1973, 143) grundsätzlich Stellung genommen. Er hat dort ausgeführt, daß Einkünfte im Sinne des § 32 Abs. 2 Nr. 2 letzter Satz EStG die steuerpflichtigen Einkünfte nach § 2 Abs. 4 EStG sind und daß der Relativsatz in dem Satzteil "die eigenen Einkünfte und Bezüge des Kindes, die zur Bestreitung seines Unterhalts und seiner Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind", allein auf den Begriff "Bezüge" zu beziehen ist. Er hat ferner ausgeführt, daß unter "Bezügen" solche Einnahmen zu verstehen sind, die nicht im Rahmen der einkommensteuerlichen Einkunftsermittlung erfaßt werden, also nichtsteuerbare oder im einzelnen (z. B. durch §§ 3 bis 3b EStG) für steuerfrei erklärte Einnahmen. Diese Auslegung gilt auch für § 33a Abs. 1 Satz 3 EStG, der hinsichtlich der anzurechnenden Einkünfte und Bezüge im Wortlaut mit § 32 Abs. 2 Nr. 2 letzter Satz EStG im wesentlichen übereinstimmt. Beide Vorschriften haben auch denselben Sinn und Zweck, nämlich die Gewährung des Kinderbzw. Unterhaltsfreibetrags bei Vorliegen bestimmter Einkünfte und Bezüge der unterhaltenen Person einzuschränken.
Nach diesen Grundsätzen fällt die von der Mutter des Klägers empfangene Entschädigungsrente, da sie nach § 3 Nr. 7 EStG steuerfrei ist, zwar nicht unter die Einkünfte im Sinne des § 33a Abs. 1 Satz 3 EStG. Sie gehört aber zu den Bezügen im Sinne dieser Vorschrift, da auf sie zumindest eine der beiden Alternativen des Relativsatzes zutrifft, nämlich die Eignung zur Bestreitung des Unterhalts der Mutter des Klägers. Das ergibt sich unmittelbar aus dem Lastenausgleichsgesetz. Die Entschädigungsrente, neben der Unterhaltshilfe eine der beiden Formen der Kriegsschadenrente (§ 263 Abs. 1 LAG), wird nämlich nach § 261 LAG dem Geschädigten - oder nach dessen Tod seiner Ehefrau - nur gewährt, wenn der Geschädigte in vorgeschrittenem Lebensalter steht oder infolge von Krankheit oder Gebrechen dauernd erwerbsunfähig ist und ihm nach seinen Einkommensverhältnissen die Bestreitung des Lebensunterhalts nicht möglich oder nicht zumutbar ist. Dementsprechend hängt ihre Gewährung auch davon ab, daß die Einkünfte des Berechtigten einen bestimmten Betrag nicht übersteigen (§ 279 LAG). Nach § 287 Abs. 2 LAG ruht die Entschädigungsrente, solange die persönlichen Voraussetzungen für ihre Gewährung, zu denen auch die von § 279 LAG aufgestellten Einkunftsgrenzen gehören, nicht mehr vorliegen. Diese Vorschriften des LAG lassen erkennen, daß für die Entschädigungsrente auch Gründe der Bestreitung des Lebensunterhalts des Empfängers maßgebend waren. Die Entschädigungsrente ist sonach auch zur Bestreitung des Unterhalts geeignet. Ihre Anrechnung auf den Freibetrag von 1 200 DM ist daher nicht zu beanstanden.
Das FA hat die Bezüge der Mutter des Klägers nach Abschn. 190 Abs. 3 Satz 9 EStR 1967 um 360 DM gekürzt. Ob dies mit dem Gesetz vereinbar ist, kann dahinstehen, da das Gericht auch im Fall der Verneinung dieser Frage nicht berechtigt wäre, den vom FA gewährten Freibetrag in Höhe von 353 DM zu streichen und damit die Einkommensteuer höher als im angefochtenen Steuerbescheid festzusetzen.
Fundstellen
Haufe-Index 70837 |
BStBl II 1974, 339 |
BFHE 1974, 514 |