Leitsatz (amtlich)
Selbstverbrauch liegt auch vor, wenn Wirtschaftsgüter aus dem privaten in den unternehmerischen Bereich überführt und der Verwendung oder Nutzung als Anlagevermögen zugeführt werden.
Normenkette
UStG 1967 § 30 Abs. 2
Tatbestand
Der Steuerpflichtige (Kläger, Revisionsbeklagter) brachte im März 1968 einen Mercedes-PKW, den er 1967 privat angeschafft hatte, in seinen Taxibetrieb ein. Die Einlage wurde mit ... DM gebucht. Der Steuerpflichtige nutzte das Fahrzeug fortan als Taxi. Das FA (Beklagter, Revisionskläger) setzte bei der Umsatzsteuerveranlagung 1968 eine Selbstverbrauchsteuer von ... DM (8 % von ... DM) fest.
Das FG, dessen Urteil in den EFG 1970 S. 370 veröffentlicht ist, gab der Sprungklage statt. Es hat ausgeführt: Nach dem Wortlaut des § 30 Abs. 2 UStG 1967 sei zwar Selbstverbrauchsteuerpflicht gegeben. Eine wortgetreue Auslegung würde jedoch zu einem sinnwidrigen, vom Gesetzgeber nicht beabsichtigten Ergebnis führen. Die Selbstverbrauchbesteuerung habe den Sinn, den zunächst aus Gründen der Systematik zugelassenen Vorsteuerabzug auf Investitionen für eine Übergangszeit einzuschränken. Sonach entfalle eine Selbstverbrauchsteuerpflicht, wenn ein Vorsteuerabzug nicht vorausgegangen sei. Lediglich für die selbsthergestellten Investitionsgüter habe der Gesetzgeber eine Ausnahme von diesem Grundsatz machen wollen. In den verbleibenden Fällen sei in entsprechender Anwendung des § 30 Abs. 3 UStG 1967 keine Selbstverbrauchsteuer zu erheben.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision des FA führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage. Nach § 30 Abs. 2 Satz 1 UStG 1967 liegt Selbstverbrauch vor, wenn ein Unternehmer körperliche Wirtschaftsgüter, die der Abnutzung unterliegen und deren Anschaffungs- oder Herstellungskosten nach den einkommensteuerlichen Vorschriften im Jahre der Anschaffung oder Herstellung nicht in voller Höhe als Betriebsausgaben abgesetzt werden können, im Inland der Verwendung oder Nutzung als Anlagevermögen zuführt. Diese Voraussetzungen liegen vor. Ein PKW ist ein körperliches Wirtschaftsgut und unterliegt der Abnutzung. Der Einlagewert (Teilwert, § 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG), der an die Stelle von Anschaffungs- oder Herstellungskosten trat, konnte nicht sogleich als Betriebsausgabe behandelt werden. Der eingebrachte PKW wurde der Nutzung als Taxi, also als Anlagevermögen, zugeführt.
Dem FG kann nicht darin gefolgt werden, daß die Besteuerung des Selbstverbrauchs deswegen entfalle, weil kein Vorsteuerabzug geltend gemacht werden konnte. Der Senat hat in seinem Beschluß V B 45/70 vom 11. Juni 1970 (BFH 99, 322, BStBl II 1970, 644) ausgeführt, daß die Selbstverbrauchsteuerpflicht nicht von dem ungeschriebenen Tatbestandsmerkmal abhängig gemacht werden kann, sie entstehe nur dann und insoweit, als sie einen Vorsteuerabzug rückgängig mache. Daran wird festgehalten. Auch die Auffassung des FG, § 30 Abs. 3 UStG 1967 sei entsprechend anzuwenden, ist abzulehnen. Der Gesetzgeber hat die Ausnahmen von der Selbstverbrauchsteuerpflicht ersichtlich abschließend geregelt, so daß eine Analogie nicht möglich ist (Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 2. Aufl., 1969 S. 368). Der Selbstverbrauch ist in § 30 Abs. 2 Satz 1 UStG 1967 bewußt so umschrieben worden, daß ein Zusammenhang mit dem Vorsteuerabzug vermieden wurde. Es sollte nämlich die Wertschöpfung selbsthergestellter Anlagegüter der Investitionssteuer unterworfen werden (Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses des Bundestags - BT -, BT-Drucksache zu V/1581, Im einzelnen, zu § 30). Der Gesetzgeber wollte weiterhin die gewählte weite Fassung für Teilbereiche einschränken. Deshalb nahm er in § 30 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 UStG 1967 zahlreiche Fälle von der Selbstverbrauchsteuerpflicht aus und ermächtigte den Bundesminister der Finanzen in § 30 Abs. 9 UStG 1967, in Übergangsfällen die Selbstverbrauchsteuer durch Steuererlaß angemessen zu mildern. Angesichts dieser bewußt gewählten und eingehenden Regelungen kann nicht davon gesprochen werden, es sei eine ausfüllungsbedürftige Gesetzeslücke vorhanden.
Das FG weist darauf hin, daß der Steuerpflichtige doppelt belastet werde, einmal mit einer nicht als Vorsteuer absetzbaren Umsatzsteuer, zum andern mit der Selbstverbrauchsteuer. Dieses Ergebnis ist nicht sinnwidrig. Die erstgenannte Belastung ist systemgerecht. Wer einen Gegenstand für private Zwecke erwirbt, darf die ihm in Rechnung gestellte Vorsteuer nicht absetzen (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1967). Das gilt auch, wenn der Gegenstand später wieder in den unternehmerischen Bereich gelangt; schon eine kurze Zugehörigkeit zum privaten Bereich begründet eine endgültige und nicht mehr rückgängig zu machende Umsatzsteuerbelastung. Daraus folgt die Belastung mit Selbstverbrauchsteuer. Wird ein Gegenstand, der sich zuvor im privaten Bereich befand, der Verwendung oder Nutzung als Anlagevermögen zugeführt, darf nicht berücksichtigt werden, ob überhaupt und in welchem Ausmaß der Unternehmer als Privatmann eine Umsatzsteuer getragen hat.
Fundstellen
BStBl II 1971, 36 |
BFHE 1971, 278 |