Entscheidungsstichwort (Thema)
Mißbräuchliche Vermietung einer Zahnarztpraxis unter Ehegatten
Leitsatz (NV)
1. Erwirbt die Ehefrau eines Zahnarztes Räume und vermietet sie diese ihrem Ehemann zur Nutzung als Praxis, steht ihr auch bei Verzicht auf die Steuerfreiheit der Vermietungsumsätze wegen Mißbrauchs von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten kein Vorsteuerabzug zu, wenn sie in einem überschaubaren Zeitraum vom Zeitpunkt der Vermietung an die Aufwendungen für Zins und laufende Tilgung der aufgenommenen Fremdmittel und für die Bewirtschaftung des Grundstücks nicht aus der Miete und sonstigem eigenen Einkommen decken kann und sich der Mieter-Ehegatte deshalb über die Zahlung von Miete und ggf. Arbeitslohn hinaus in nicht unwesentlichem Umfang an diesen Aufwendungen beteiligen muß.
2. Unterhaltszahlungen zählen hierbei nicht zum eigenen Einkommen des Vermieter-Ehegatten.
3. Mißbräuchlich ist nicht der Eigentumserwerb durch die Ehefrau, sondern die entgeltliche statt unentgeltliche Überlassung der Praxis. Den tatsächlichen Verhältnissen in den Fällen des Leitsatzes 1 wäre es angemessen, vom Abschluß eines Mietvertrags abzusehen und es dem Zahnarzt-Ehegatten zu überlassen, die entstehenden Aufwendungen als solche zu tragen.
Normenkette
AO 1977 § 42; UStG 1980 § 2 Abs. 1, § 3 Abs. 9, 4 Nr. 14, § 15 Abs. 1-2
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) war im Streitjahr (1981) gegen eine monatliche Vergütung von 480 DM in der Zahnarztpraxis ihres Ehemanns beschäftigt. Sie erwarb im Februar 1981 Räumlichkeiten zum Betrieb einer Zahnarztpraxis (... qm Nutzfläche und ... PKW-Einstellplätze) zum Preis von rund ... DM einschließlich Umsatzsteuer in Höhe von ... DM. Den Kaufpreis finanzierte die Klägerin mit Eigenmitteln in Höhe von . . . DM (davon Schenkung ihres Vaters . . . DM) und Darlehen über ... DM, bei denen ihr Ehemann Gesamtschuldner ist.
Die Klägerin vermietete die Praxis ab . . . 1981 an ihren Ehemann auf unbestimmte Zeit (früheste Kündigungsmöglichkeit zum 1990) zu einem monatlichen Mietzins von ... DM/qm zuzüglich Umsatzsteuer und Nebenkosten. Dem Mieter steht ein fünfmaliges Optionsrecht auf eine Mietvertragsverlängerung um jeweils bis zu ... Jahren zu. Entsprechend einer im Mietvertrag übernommenen Verpflichtung räumte die Klägerin ihrem Ehemann ein schuldrechtliches Ankaufsrecht ein.
Die Klägerin verzichtete gegenüber dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -) auf die Umsatzsteuerbefreiung der Vermietungsumsätze und machte für 1981 Vorsteuerbeträge in Höhe von ... DM geltend. Das FA versagte den Vorsteuerabzug und setzte die Umsatzsteuer für 1981 auf 0 DM fest.
Zur Begründung der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage brachte die Klägerin im wesentlichen vor: Ihr Ehemann habe für den Ankauf der Praxis keine Bankdarlehen erhalten können, weil er seinen Kreditrahmen bereits wegen der Praxiseinrichtung ausgeschöpft gehabt habe. Ihr Vater sei bereit gewesen, ihr im Wege vorweggenommener Erbfolge ... DM zu schenken unter der Auflage, daß sie diese Mittel zum Ankauf der Praxis unter Begründung eigenen Eigentums verwenden müsse. Die aufgenommenen Darlehen könne sie aus eigenen Mitteln tragen, die sie zum Teil selbst erziele (Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung und aus nichtselbständiger Arbeit), und im übrigen von ihrem Ehemann zur freien Verfügung erhalte.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Zur Begründung führte es aus: Der Klägerin stehe der begehrte Vorsteuerabzug nicht zu, weil sie nicht Unternehmerin sei. Der Mietvertrag könne wegen Gestaltungsmißbrauchs nicht anerkannt werden. Es sei wirtschaftlich sinnwidrig, daß ihr der Ehemann über die Miete für die Praxis hinaus erhebliche Mittel zur Verfügung gestellt habe, damit die Klägerin die aufgenommenen Darlehen habe bedienen können. Miete und Arbeitslohn hätten hierfür nicht ausgereicht. Die Klägerin hätte die von ihrem Vater erhaltenen . . . DM ihrem Ehemann als Darlehen überlassen können, das sich durch eine Grundschuld hätte absichern lassen.
Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung des § 15 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1980) und des § 42 der Abgabenordnung (AO 1977). Sie sei - so bringt sie vor - Unternehmerin gewesen. Ein Mißbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten liege nicht vor. Die Vereinbarung eines Ankaufsrechts sei bei Mietverträgen mit Zahnärzten, Ärzten und Rechtsanwälten durchaus üblich. Der Auflage ihres Vaters habe sie nur durch Erwerb des Eigentums an der Praxis, nicht durch Gewährung eines Darlehens an ihren Ehemann nachkommen können. Unerheblich sei, daß ihr Ehemann ihr über Miete und Arbeitslohn hinaus Mittel zur Verfügung gestellt habe, die sie zur Bedienung der Darlehen verwende. Sie habe aus unterhaltsrechtlichen Gründen Anspruch auf entsprechende Zahlungen gehabt.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
1. Der Klägerin steht der begehrte Vorsteuerabzug nicht zu. Sie erfüllt zwar die Voraussetzungen, von denen das Umsatzsteuergesetz 1980 den Vorsteuerabzug abhängig macht. Der Abzug kann aber wegen Mißbrauchs von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts nicht zugelassen werden.
2. Nach § 15 Abs. 1 Nr.1l Satz 1 UStG 1980 kann der Unternehmer die in Rechnungen i. S. des § 14 UStG 1980 gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen.
Die Klägerin war Unternehmerin ( 2 Abs. 1 UStG 1980). Sie erbrachte durch die Vermietung der Praxis eine sonstige Leistung (§ 3 Abs. 9 UStG 1980). Nach dem Willen der Klägerin und ihres Ehemannes vollzog sich die Nutzungsüberlassung der Praxis nicht auf familienrechtlicher Grundlage als Beitrag zur Verwirklichung der ehelichen Lebensgemeinschaft, sondern durch entgeltliche Vermietung, also durch steuerbaren Leistungsaustausch. Ein Ausschlußgrund gemäß § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG 1980 steht dem Vorsteuerabzug nicht entgegen.
3. Den Vorsteuerabzug hindert jedoch § 42 AO 1977.
a) Nach dieser Vorschrift kann durch Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts das Steuergesetz nicht umgangen werden. Liegt ein Mißbrauch vor, so entsteht der Steueranspruch so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entsteht.
b) Wie der Senat in seinen Urteilen vom 16. Januar 1992 V R 1/91 (BFHE 167, 215, BStBl II 1992, 541) und vom 10. September 1992 V R 104/91 (BFHE 169, 258) näher ausgeführt hat, ist es als unangemessene Gestaltung zu beurteilen, wenn ein Unternehmer, der einen Gegenstand für sein Unternehmen benötigt, die hierzu erforderlichen finanziellen Mittel seinem Ehegatten zur Verfügung stellt, damit dieser den Gegenstand erwirbt, um ihn an den Unternehmer-Ehegatten zu vermieten. Der Vermieter-Ehegatte wird unter diesen Umständen gewissermaßen ,,vorgeschaltet", um unter Vermeidung eigener Anschaffung das wirtschaftliche Ergebnis aus den Leistungsbezügen zu erzielen, obwohl der Mieter-Ehegatte die Aufwendungen wirtschaftlich so trägt, als wäre er Grundstückskäufer und Bauherr gewesen. Eine derartige ,,Vorschaltung" liegt vor, wenn der Vermieter-Ehegatte in einem überschaubaren Zeitraum vom Zeitpunkt der Vermietung an die Aufwendungen für Zins und laufende Tilgung der aufgenommenen Fremdmittel und für die Bewirtschaftung des Grundstücks nicht aus der Miete (einschließlich Erstattung der Nebenkosten) und sonstigem eigenen Einkommen decken kann und sich der Mieter-Ehegatte deshalb über die Zahlung von Miete und ggf. Arbeitslohn hinaus in nicht unwesentlichem Umfang an diesen Aufwendungen beteiligen muß. Unterhaltszahlungen zählen hierbei nicht zum eigenen Einkommen des Vermieter-Ehegatten.
Anders ist der Fall zu beurteilen, wenn der Mieter-Ehegatte dem Vermieter-Ehegatten bei Erwerb des Grundstücks oder bei Errichtung des Gebäudes finanzielle Mittel in ausreichender Höhe überläßt (z. B. durch Schenkung), die diesem die Lastentragung aus eigener wirtschaftlicher Kraft ermöglichen.
c) Im Streitfall sind die Voraussetzungen einer unangemessenen Gestaltung erfüllt. Die dieser Beurteilung zugrunde liegenden Tatsachen räumt die Klägerin selbst ein. Den tatsächlichen Verhältnissen wäre es angemessen gewesen, vom Abschluß eines Mietvertrags über die Praxisräume abzusehen und es dem Zahnarzt-Ehegatten zu überlassen, entsprechend seiner wirtschaftlichen Stellung die entstehenden Aufwendungen für Grundstück und Gebäude als solche zu tragen, anstatt sie zum Teil dem Eigentümer-Ehegatten verdeckt als Mietzins zuzuwenden (Senatsurteil in BFHE 167, 215, BStBl II 1992, 541).
Die Angemessenheit des Eigentumserwerbs durch die Klägerin wird hierbei nicht in Frage gestellt (vgl. Senatsurteil in BFHE 167, 215, BStBl II 1992, 541). Der Schenkungsauflage ihres Vaters konnte die Klägerin mithin durch den Erwerb des Eigentums nachkommen. ohne Bedeutung ist danach, daß - nach dem Vortrag der Klägerin - der Ehemann der Klägerin für den Erwerb der Praxisräume keine Kredite erhalten hätte. Auf die Frage, ob auch das vereinbarte Ankaufs- recht die Unangemessenheit der gewählten Gestaltung begründen könnte, kommt es nicht mehr an.
d) Die unangemessene Gestaltung widerspricht den Wertungen des Gesetzes, weil der Mieter-Ehegatte als Zahnarzt allenfallsteilweise zum Vorsteuerabzug berechtigt ist (§ 15 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 4 Nr. 14 Sätze 1, 4 Buchst. b UStG 1980; vgl. im einzelnen Senatsurteil in BFHE 167, 215, BStBl II 1992, 541).
4. Es bedarf keiner Entscheidung der Frage, ob § 42 A0 1977 das Vorliegen einer Mißbrauchsabsicht voraussetzt (vgl. hierzu Senatsurteil vom 10. September 1992 V R 104/91). Im Streitfall ist die Klage auch auf der Grundlage der Auffassung, die diese Frage bejaht, abzuweisen, da die Mißbrauchsabsicht der Klägerin zu vermuten ist. Grundlage für die tatsächliche Vermutung ist die objektive Gestaltung der Rechtsbeziehungen zwischen der Klägerin und ihrem Ehemann, wie sie oben unter II. 3. b und c beschrieben worden ist. Der Klägerin waren die der Gestaltung zugrunde liegenden tatsächlichen Verhältnisse bekannt. Nach den Feststellungen des FG ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, daß statt der Absicht zur Steuerumgehung wirtschaftlich beachtliche Gründe für die gewählte Gestaltung maßgebend gewesen sein könnten. Das Bestreben, dem Mieter-Ehegatten ein gesichertes Nutzungsrecht (auch für den Fall von Trennung oder Scheidung) zu verschaffen, macht den Abschluß eines Mietvertrages nicht plausibel. Denn auch die Nutzungsüberlassung als Beitrag im Rahmen der ehelichen Wirtschafts- und Lebensgemeinschaft hätte durch rechtlich bindende Vereinbarungen abgesichert werden können. Der Schenkungsauflage ihres Vaters ist die Klägerin - wie oben ausgeführt - schon dadurch nachgekommen, daß sie die Praxisräume zu Eigentum erworben hat.
Fundstellen