Leitsatz (amtlich)

Eine Auto-Waschhalle ist ein "bewegliches Wirtschaftsgut" im Sinne des § 19 BHG 1964, wenn sie kein Gebäude, sondern eine Betriebsvorrichtung ist.

 

Normenkette

BHG 1964 § 19; BGB § 95 Abs. 1 S. 2

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte unterhält in Berlin (West) einen Gewerbebetrieb, der sich mit der Aufstellung und dem Betrieb von Auto-Waschanlagen befaßt. Das FA lehnte es bei der in der H-straße auf fremdem Grund und Boden errichteten Auto-Waschanlage ab, auch für die Baukosten der Waschhalle eine Investitionszulage zu gewähren.

Das FG gab der Klage statt und verpflichtete das FA, dem Kläger eine weitere Investitionszulage von insgesamt X DM zu gewähren. Es war der Auffassung, daß es sich bei der Auto-Waschanlage insgesamt um ein bewegliches Wirtschaftsgut handelt. Bei der Ausarbeitung der Konstruktion sei die Fertigteilbauweise gewählt worden, d. h., die konstruktiven Verbindungen seien schraubbar gehalten worden. Für die Erstellung der Maschinenüberdachung benötige die aufstellende Firma ca. 1 1/2 Tage. Im gleichen Zeitraum könnte die Überdachung auch wieder demontiert werden. Es handele sich bei der gesamten Waschanlage um einen sogenannten Scheinbestandteil. Der Kläger habe das Wirtschaftsgut nur zu einem vorübergehenden Zweck mit dem Grund und Boden verbunden (§ 95 BGB). Nach dem Mietvertrag habe der Kläger bei Ablauf oder Aufhebung des Vertrages die Baulichkeiten einschließlich der Fundamente wieder zu entfernen und den alten Zustand wiederherzustellen.

Mit der Revision trägt das FA vor: Eine rechtliche Prüfung, die mit der Feststellung der Voraussetzungen des § 95 BGB abgebrochen werde, ohne auf die Frage einzugehen, ob und inwieweit einkommensteuerliche Besonderheiten zu beachten seien, sei unvollständig und fehlerhaft. Auf Grund des § 50 Abs. 3 BewG a. F. sei für die Autowaschhalle durch die Bewertungsstelle des FA ein Einheitswert rechtskräftig festgestellt worden. Diese für Zwecke der Vermögensbesteuerung getroffene Feststellung sei für das Einkommensteuerrecht zwar nicht unmittelbar bindend, liefere jedoch wichtige Anhaltspunkte, die auch für die Zwecke der Investitionszulage Gültigkeit hätten. Rechne man die Waschhalle als Gebäude auf fremdem Grund und Boden in entsprechender Anwendung des § 50 Abs. 3 BewG a. F. auch einkommensteuerlich dem Grundvermögen zu, so könne sie nicht bewegliches Anlagevermögen sein.

Die Feststellung des FG, mit der die Umschließung der Waschanlage als "Maschinenüberdachung" bezeichnet werde, beruhe auf mangelnder Sachverhaltsaufklärung. Würde man dieser Sachverhaltswürdigung folgen, so müßte die gesamte Anlage als eine Betriebsvorrichtung angesehen werden. Das FG hätte aber die unstreitig vorhandene Betriebsvorrichtung von einem weiteren Bauwerk abgrenzen müssen, das nach Auffassung des FA ein Gebäude sei. Der vom FG vernommene Handlungsbevollmächtigte des Revisionsbeklagten habe das Vorhandensein einer Toilette erwähnt. Mit dieser Tatsache habe sich das Gericht überhaupt nicht befaßt. Aus der Einheitswertakte ergebe sich, daß neben dem WC noch ein Aufsichtsraum vorhanden sei. Dort werde das Entgelt für den Autowaschdienst kassiert. Es bedürfe keiner näheren Ausführungen, daß dieser Aufsichtsraum (einschließlich WC) ebenso wie z. B. ein Tankwärterhaus ein Gebäude darstelle (Urteil des BFH II 41/55 U vom 30. November 1955, BFH 62, 55, BStBl III 1956, 21, 22). Die vollständige Umschließung der Waschanlage, die ein ständiges Begehen durch Menschen vorsehe, spreche darüber hinaus für die Gebäudeeigenschaft des gesamten Bauwerkes. Die Waschanlage habe ein Fundament von 90 cm Tiefe. Das reiche für eine feste Bodenverbindung vollständig aus. Die Demontierbarkeit der Waschhalle sei in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung. Denn eine feste Verbindung könne bereits durch das bloße Eigengewicht eines Bauwerkes hergestellt werden. Das FG habe versäumt, sich ein vollständiges Bild durch eine Ortsbesichtigung oder die Beiziehung der Einheitswertakte, in der sich auch eine Entwurfszeichnung befinde, zu machen.

Der Revisionsbeklagte trägt vor, die Beweglichkeit müsse nach tatsächlichen, wirtschaftlichen Gesichtspunkten bestimmt werden. Es stehe fest, daß die Waschanlage dem Betrieb auch für den Fall, daß dieser verlegt wird, weiterhin dienen werde und dienen könne. Die Anwendung auch des § 50 Abs. 3 BewG a. F. würde der bei der Beurteilung der Betriebsvorrichtungen zum Ausdruck gekommenen Tendenz des BFH, das BewG zwecks erweiternder Auslegung heranzuziehen, zuwiderlaufen. Zum Thema Ortsbesichtigung sei darauf hinzuweisen, daß dem FG ein ausführliches Gutachten des Architekten D. vorgelegen habe, aus dem sich ein genaues Bild der Anlage ergebe. Von der Gesamtfläche der Anlage von 130 qm entfielen im übrigen auf den sogenannten Aufsichtsraum nur 4 qm, die nur etwa zur Hälfte für den Kassierer reserviert seien. Auf das vom FA angeführte WC entfielen lediglich 1,5 qm. Das seien verschwindend geringe Prozentsätze, so daß aus Wirtschaftlichkeitsgründen eine Trennung dieser Einrichtungen von der Gesamtanlage gar nicht möglich sei.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision ist begründet und führt zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

Die Gewährung einer Investitionszulage nach § 19 BHG 1964 ist im Streitfall u. a. davon abhängig, ob die Waschhalle ein bewegliches oder ein unbewegliches Wirtschaftsgut des Anlagevermögens darstellt. Die Vorinstanz folgert die Beweglichkeit allein aus der Tatsache, daß es sich bei der Waschhalle um ein Bauwerk auf fremdem Grund und Boden im Sinne des § 95 Abs. 1 Satz 2 BGB handelt. In der zur Veröffentlichung bestimmten Entscheidung VI R 170/69 vom heutigen Tage hat der Senat sich mit der Frage befaßt, nach welchen Kriterien das Einkommensteuerrecht, das insoweit vorbehaltlich etwaiger für die Investitionszulage zu beachtender Besonderheiten auch für die Anwendung des § 19 BHG 1964 maßgeblich ist, die Unterscheidung zwischen beweglichen und unbeweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens vornimmt. Er hat dabei insbesondere unter Hinweis auf die Regelungen in § 7 EStG die Auffassung vertreten, daß alle Gebäude, gleichgültig ob sie auf eigenem oder auf fremdem Grund und Boden errichtet oder ob sie nach einer bestimmten Zeit wieder entfernt werden, zu den Wirtschaftsgütern des unbeweglichen Vermögens zu rechnen sind. Die Tatsache, daß ein Gebäude auf fremdem Grund und Boden errichtet worden ist und daß, wie im Streitfall, der Mieter des Grundstücks sich zur Entfernung des Gebäudes verpflichtet hat, berührt hiernach nicht die Beurteilung des Bauwerkes als Gebäude und damit als unbewegliches Wirtschaftsgut im Sinne des Einkommensteuerrechts. Da die Vorinstanz von anderen Grundsätzen ausgegangen ist, war ihre Entscheidung aufzuheben.

Die Sache ist noch nicht entscheidungsreif, da das FG, von seinem Rechtsstandpunkt aus zu Recht, zu der Frage, ob die Waschhalle und ihre Nebenräume ein Gebäude im Sinne des Einkommensteuerrechts sind oder ob alle Bauwerke zusammen mit den weiteren Einrichtungen eine einheitliche Betriebsvorrichtung bilden, die dem beweglichen Anlagevermögen zuzurechnen wäre, noch keine Feststellungen getroffen hat. Es wird dies nunmehr nachzuholen und dabei auch darüber zu befinden haben, welcher Beweismittel es sich gegebenenfalls bedienen will. Bei der Abgrenzung der Betriebsvorrichtungen von Grundstücken sind entsprechend der bisherigen Rechtsprechung des BFH (vgl. die zutreffenden Ausführungen in Abschn. 43 Abs. 2 EStR) die allgemeinen Grundsätze des Bewertungsrechts anzuwenden. Es bietet sich daher an, daß das FG die Einheitswertakten beizieht. Kommt das FG zu dem Ergebnis, daß die streitigen Bauwerke zutreffend als Gebäude bewertet worden sind, so ist diese Beurteilung auch der einkommensteuerlichen Betrachtung und damit der Anwendung des § 19 BHG 1964 zugrunde zu legen. Eine Investitionszulage kommt in diesem Falle nicht in Betracht. Liegt jedoch eine einheitliche Betriebsvorrichtung vor, so ist auch insoweit eine Investitionszulage zu gewähren.

 

Fundstellen

Haufe-Index 69402

BStBl II 1971, 316

BFHE 1971, 456

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