Entscheidungsstichwort (Thema)
Ordnungsmäßige Bekanntgabe von Gewinnfeststellungsbescheiden
Leitsatz (NV)
Zur ordnungsmäßigen Bekanntgabe von Gewinnfeststellungsbescheiden an eine Mitunternehmerschaft, die sich aus Gesellschaftern einer Personengesellschaft und aus Nichtgesellschaftern zusammensetzt.
Normenkette
AO 1977 § 122 Abs. 1 S. 1, §§ 124, 183 Abs. 1 Sätze 1-2, 5
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Beigeladene und Revisionskläger zu 4 (Beigeladener oder Ehemann) betrieb ein Einzelhandelsunternehmen. Die im Jahre 1969 als Kommanditgesellschaften gegründeten Klägerinnen und Revisionsklägerinnen zu 1 und 2 (Kommanditgesellschaften) setzten dieses Unternehmen fort. Gesellschafter sind eine GmbH als Komplementärin (Beigeladene und Revisionsklägerin zu 3) und die Beigeladene und Revisionsklägerin zu 5, die Ehefrau des früheren Inhabers, als Kommanditistin (Beigeladene oder Ehefrau). Die GmbH verfügte über 25 v. H., die Ehefrau über 75 v. H. des Festkapitals der Kommanditgesellschaften; ihr Gewinn wurde im Verhältnis der Kapitalanteile verteilt. 1973 wurde die Beteiligung der Ehefrau aufgestockt; seitdem waren am Festkapital der Gesellschaften die GmbH mit 12,5 v. H., die Kommanditistin mit 87,5 v. H. beteiligt. Der Ehemann der Kommanditistin war Hauptgesellschafter der GmbH und ihr Geschäftsführer.
Nach einer Betriebsprüfung für die Jahre 1970 bis 1974 kam der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) zu dem Ergebnis, daß nicht die Kommanditistin, sondern ihr Ehemann Mitunternehmer der Gesellschaften sei und daß die von ihm bezogenen Vergütungen den steuerlichen Gewinn nicht mindern dürften. Der Ehemann habe den Kommanditgesellschaften die für ihren Betrieb unerläßlichen Grundstücke und zunächst auch das Inventar verpachtet; er habe es erst 1973 an die Gesellschaften verkauft. Für die Geschäftsführung habe er seit 1972 Tantiemen in Höhe von 20 v. H. des Reingewinns der Kommanditgesellschaften erhalten. Darüber hinaus habe er den Gesellschaftern Darlehen gewährt und sich für ihre Verbindlichkeiten verbürgt. Er habe danach über Mitunternehmerinitiative und Mitunternehmerrisiko verfügt. Als Gesellschafter sei er praktisch nicht absetzbar gewesen. Da die Pachtverträge mit einmonatiger Frist kündbar gewesen seien, habe er den Betrieb der Gesellschaften jederzeit an sich ziehen können. Seine Ehefrau sei nur nach außen als Kommanditistin aufgetreten; die Einlage sei ihr vom Ehemann zur Verfügung gestellt und ein darüber abgeschlossener Darlehensvertrag tatsächlich nicht durchgeführt worden. Der Ehemann habe auch mittels Auszahlungen und Einzahlungen nach Belieben über die Kapitalkonten der Kommanditistin verfügt.
Nach den Feststellungen des Prüfers habe das Gehalt des Ehemannes als Geschäftsführer der GmbH auch die vereinbarte Vergütung überschritten; insoweit sei eine verdeckte Gewinnausschüttung der GmbH anzunehmen. Eine solche verdeckte Gewinnausschüttung liege auch darin, daß die GmbH im Jahre 1973 sich nicht an der Kapitalerhöhung in den Kommanditgesellschaften beteiligt und eine Minderung ihres Gewinnanteils hingenommen habe; als verdeckte Gewinnausschüttung hat das FA die laufende Gewinnminderung bei der GmbH angesehen. Schließlich aktivierte der Prüfer eine vom Ehemann im Zusammenhang mit der Grundstücksverpachtung geleistete Abstandszahlung und ließ nur Absetzungen für Abnutzung (AfA) zum Abzug zu. Den vom Ehemann aus der Veräußerung des Inventars erzielten Gewinn erfaßte der Prüfer bei seinen gewerblichen Einkünften.
Entsprechend diesen Feststellungen erließ das FA für den Zeitraum 1970 bis 1974 entsprechende Gewinnfeststellungsbescheide für die Kommanditgesellschaften. Im Anschriftenfeld der Bescheide ist der beigeladene Ehemann vor der Firma der Kommanditgesellschaften aufgeführt. Der festgestellte Gewinn wird in ihnen jeweils auf die GmbH und den Ehemann aufgeteilt; die Ehefrau wird in den Bescheiden nicht erwähnt.
Die Einsprüche blieben im wesentlichen erfolglos; auch die Klagen wurden abgewiesen.
Hiergegen richtet sich die vom Senat zugelassene Revision der beiden Klägerinnen und der drei Beigeladenen, mit der die Verletzung materiellen und formellen Rechts gerügt wird.
Die Revisionsklägerinnen zu 1 und 2 beantragen, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Zahlungen an den Revisionskläger zu 4 als Betriebsausgaben zum Abzug zuzulassen. Die Revisionskläger zu 3 bis 5 beantragen, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das Finanzgericht (FG) zurückzuverweisen oder nach den erstinstanzlichen Anträgen der Klägerinnen zu 1 und 2 zu entscheiden.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Auf die Revision muß das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen werden.
1. Die angefochtenen Bescheide sind nicht ordnungsmäßig ergangen.
Das FA hat im Streitfall die Mitunternehmerstellung der Kommanditistin verneinen und die Mitunternehmereigenschaft eines Dritten, nämlich des Ehemannes der Kommanditistin, bejahen wollen. Zwar wird die Kommanditistin im Feststellungsbescheid nicht erwähnt; daß sie als Mitunternehmerin ausgeschlossen werden sollte, ergibt sich aber aus der Bezugnahme auf die Betriebsprüfungsberichte und aus dem Umstand, daß als Feststellungsbeteiligter nur ihr Ehemann aufgeführt wird. Betroffen von den Feststellungsbescheiden waren darüber hinaus die GmbH als Komplementärin und der Ehemann der Kommanditistin, die das FA als Mitunternehmer ansah. Ihnen allen mußten die Feststellungsbescheide bekanntgegeben werden, um volle Wirksamkeit zu entfalten (§ 122 Abs. 1 Satz 1, § 124 der Abgabenordnung - AO 1977 -).
Wem ein Bescheid bekanntgegeben werden soll, ergibt sich aus der Bezeichnung seiner Adressaten. Sie müssen nicht unbedingt im Anschriftenfeld genannt werden; es kann darin auch auf nähere Angaben im sachlichen Teil des Bescheides verwiesen werden. So genügt es, wenn die Adressaten im Anschriftenfeld in einer Sammelbezeichnung erscheinen und die dadurch erfaßten Steuerpflichtigen im Feststellungsteil aufgeführt werden (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 7. April 1987 VIII R 259/84, BFHE 150, 331, BStBl II 1987, 766, m. w. N.). Eine solche Sammelbezeichnung liegt auch in der Erwähnung eines Gesellschaftsverhältnisses im Anschriftenteil; dann müssen im sachlichen Inhalt des Bescheids aber die Personen aufgeführt werden, die als Gesellschafter Adressaten sein sollen. Dem ist vorliegend hinsichtlich der Ehefrau nicht genügt worden, die vom Inhalt der Feststellungen betroffen ist, weil ihr die Eigenschaft als Mitunternehmerin abgesprochen wird; sie wird im Bescheid nicht aufgeführt.
Nicht hinreichend als Adressat bezeichnet ist auch der von den Feststellungen betroffene Ehemann der Kommanditistin. Von der Sammelbezeichnung der Kommanditgesellschaften ist er nicht erfaßt, weil er nicht Gesellschafter war. Er wird zwar im Anschriftenfeld aufgeführt, jedoch nach dem schon in früheren Feststellungsbescheiden geübten Brauch ersichtlich als Geschäftsführer und Vertreter der GmbH, der ihrerseits die Geschäftsführung in den Kommanditgesellschaften oblag. Der Bescheid ist ihm unter diesen Umständen auch nicht ordnungsgemäß bekanntgegeben worden. Zwar kann ein für die Gesellschafter bestimmter Gewinnfeststellungsbescheid der zur Vertretung der Gesellschaft berechtigten Person als dem Empfangsbevollmächtigten mit Wirkung für die Gesellschafter bekanntgegeben werden, falls darauf im Feststellungsbescheid hingewiesen wird (§ 183 Abs. 1 Sätze 1, 2 und 5 AO 1977). Diese Bestimmung greift für den Ehemann jedoch wiederum nicht ein, weil er nicht Gesellschafter der Kommanditgesellschaften war.
Damit die angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheide gegenüber allen Beteiligten wirksam werden und gegen sie einheitlich entschieden werden kann, muß das FG dem FA Gelegenheit geben, die Bescheide ordnungsmäßig zu adressieren und bekanntzugeben. Hierbei werden im Anschriftenfeld zweckmäßigerweise zusätzlich die Kommanditistin und ihr Ehemann gesondert aufgeführt.
2. Aus prozeßökonomischen Gründen weist der Senat darauf hin, daß nach dem Beschluß des Großen Senats vom 25. Juni 1984 GrS 4/82 (BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751) der Mitunternehmerstellung ein Gesellschafts- oder Gemeinschaftsverhältnis zugrunde liegen muß; Einflußmöglichkeiten aufgrund eines Dienst-, Darlehens- oder Pachtvertrages genügen dagegen nicht (BFH-Urteil vom 22. Januar 1985 VIII R 303/81, BFHE 143, 247, BStBl II 1985, 363). Allerdings wird die Würdigung eines Vertragsverhältnisses als Gesellschaftsvertrag nicht durch seine abweichende Bezeichnung gehindert; hierbei kann auch berücksichtigt werden, ob ein Vertragsbeteiligter die sonst einem Gesellschafter zustehenden Befugnisse in Anspruch nimmt (BFH-Urteil vom 5. Juni 1986 IV R 272/84, BFHE 147, 146, BStBl II 1986, 802). Erscheint der Ehemann der Kommanditistin danach nicht als Gesellschafter neben seiner Ehefrau, ist auch zu prüfen, ob der Gesellschaftsvertrag zwischen der GmbH und der Kommanditistin wie unter Dritten vereinbart und vollzogen worden ist oder ob der Ehemann nach den Grundsätzen der BFH-Entscheidung vom 5. Juni 1986 IV R 53/82 (BFHE 147, 139, BStBl II 1986, 798) als alleiniger Unternehmer neben der GmbH zu betrachten ist.
Sofern die von der Revision nicht aufgegriffene Frage der verdeckten Gewinnausschüttungen weiterhin streitig ist, wird das FG zu prüfen haben, ob die Folgen einer als verdeckte Gewinnausschüttung betrachteten Änderung des Gesellschaftsvertrages nicht im Jahr der Vertragsänderung zu erfassen sind (vgl. Schmidt, Einkommensteuergesetz, 7. Aufl., § 15 Anm. 117, m. w. N.).
Fundstellen
Haufe-Index 416251 |
BFH/NV 1990, 343 |