Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewerbesteuerpflicht von Handwerksbetrieben im Beitrittsgebiet ab 1. Juli 1990
Leitsatz (NV)
Handwerksbetriebe im Beitrittsgebiet sind bereits ab dem 1. Juli 1990 nach dem GewStG DDR gewerbesteuerpflichtig. Der III. Senat schließt sich der Auffassung des XI. Senats (BFHE 176, 130) an.
Normenkette
GewStG DDR § 2 Abs. 1; GewStG DDR § 22 Abs. 1; GewStG DDR § 20 Abs. 3; StAnpG DDR; HdwStG DDR § 1 Abs. 1
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) betreibt in A einen Frisiersalon. Er war in der Zeit vom 1. April 1953 bis zum 30. Juni 1993 in der Handwerksrolle eingetragen. Bei der Festsetzung der zusammengefaßten Steuerrate für das Streitjahr 1990 berücksichtigte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) für das zweite Halbjahr einen Gewinn aus Handwerkstätigkeit in Höhe von ... DM, den er als Gewerbeertrag der Berechnung der Gewerbesteuer zugrunde legte.
Der vom Kläger erhobene Einspruch, mit dem er sich gegen die Erhebung von Gewerbesteuer für den Monat Juli 1990 wandte und begehrte, den Gewinn des zweiten Halbjahres 1990 nur in Höhe von 5/6 als Gewerbeertrag anzusetzen, blieb ohne Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt.
Es führte aus:
Aufgrund des Wegfalls der Befreiung der Handwerker von der Gewerbesteuer nach dem Gesetz der DDR über die Besteuerung der Handwerker (HdwStG DDR) vom 16. März 1966 (Gesetzblatt -- GBl -- I 1966, 71; GBl-Sonderdruck Nr. 537) durch das Gesetz der DDR zur Änderung und Ergänzung steuerlicher Rechtsvorschriften bei der Einführung der Währungsunion mit der Bundesrepublik Deutschland (Steueranpassungsgesetz -- StAnpG DDR --) vom 22. Juni 1990 (GBl-Sonderdruck Nr. 1427) sei der Kläger am 1. Juli 1990 in die Gewerbesteuerpflicht eingetreten. Damit sei er nach § 22 Abs. 1 des Gewerbesteuergesetzes der DDR (GewStG DDR) i. d. F. vom 18. September 1970 (GBl- Sonderdruck Nr. 672) erst ab dem 1. August 1990 zur Gewerbesteuer heranzuziehen.
Mit der Revision rügt das FA die unzutreffende Anwendung von § 22 Abs. 1 GewStG DDR. Das HdwStG DDR habe als Sonderregelung die Besteuerung der Handwerker abschließend geregelt. Eine ausdrückliche Befreiung von der Gewerbesteuer habe es nicht enthalten. Mit der Aufhebung des HdwStG DDR zum 1. Juli 1990 sei nicht eine Steuerbefreiung i. S. von § 22 Abs. 1 GewStG DDR weggefallen, sondern ein bis dahin nicht anwendbares Steuergesetz (das GewStG DDR) sei wieder in Kraft getreten. Im übrigen bezwecke das StAnpG DDR, die Besteuerung der Handhwerker im Beitrittsgebiet ab dem 1. Juli 1990 an die Besteuerung in den alten Bundesländern anzugleichen. Eine wortgetreue Auslegung des § 22 Abs. 1 GewStG DDR würde zu dem sinnwidrigen Ergebnis führen, daß Handwerker -- im Gegensatz zu anderen Gewerbesteuerpflichtigen -- für den Monat Juli 1990 nicht zur Gewerbesteuer herangezogen würden.
Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).
1. Das FG hat die am 15. Januar 1993 bei Gericht eingegangene Klage zutreffend als zulässig erachtet. Die der am 14. Dezember 1992 mittels eingeschriebenen Briefes zugestellte Einspruchsentscheidung beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung ist insoweit unrichtig, als sie nicht darauf hinwies, daß ab dem 1. Januar 1993 Klage beim FG -- und nicht mehr beim Bezirksgericht -- Finanzsenat -- erhoben werden kann. Die unrichtige Belehrung über die Klagemöglichkeit hat nach § 55 Abs. 2 FGO zur Folge, daß die Erhebung der Klage innerhalb eines Jahres seit der Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung zulässig ist.
2. Entgegen der Rechtsauffassung des FG hat das FA die Gewerbesteuer zu Recht vom 1. Juli 1990 an erhoben.
Der Senat verweist zur Begründung auf das Urteil des XI. Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 15. September 1994 XI R 20/93, BFHE 176, 130. Der XI. Senat hat in diesem Urteil entschieden, daß ein Handwerksbetrieb, wie er auch im Streitfall unterhalten wird, im Beitrittsgebiet im zweiten Halbjahr 1990 vom 1. Juli an nach Maßgabe des § 2 Abs. 1 GewStG DDR der Gewerbesteuer unterlag. Er ist dabei davon ausgegangen, daß das GewStG DDR auf private Handwerksbetriebe im Beitrittsgebiet im zweiten Halbjahr 1990 anwendbar sei. Die Handwerkersteuer habe eine Steuer eigener Art dargestellt, die der Gewerbesteuer sondergesetzlich vorgegangen sei. Mit der Außerkraftsetzung des HdwStG DDR ab 1. Juli 1990 durch das StAnpG DDR sei das GewStG DDR und mit ihm die Gewerbesteuerpflicht der Handwerker wieder uneingeschränkt an dessen Stelle getreten, mit der Folge, daß die bislang gebotene Differenzierung zwischen Handwerks- und Gewerbebetrieben hinfällig geworden sei.
Der erkennende Senat schließt sich dieser Rechtsprechung an. Aus dem Eintritt in die Gewerbesteuerpflicht zum 1. Juli 1990 bzw. aus § 22 Abs. 1 GewStG DDR ergibt sich nicht, wie das FG meint, daß die Gewerbesteuer erst vom Beginn des folgenden Monats, also vom 1. August 1990 an, zu erheben wäre. § 20 Abs. 3 StAnpG DDR, durch den u. a. das HdwStG DDR (mit Durchführungsbestimmungen) aufgehoben wurde, ist als konstitutive Vorschrift zu verstehen, die bislang in der DDR geltende steuerliche Vorschriften änderte und ergänzte, ohne daß nach Aufhebung des HdwStG DDR Besteuerungslücken entstanden. § 20 Abs. 3 StAnpG DDR stellt sich im Verhältnis zu § 22 Abs. 1 GewStG DDR als Sondervorschrift dar, die den sich nach allgemeinem Gewerbesteuerrecht ergebenden Erhebungsbeginn vorverlegt (anliegendes BFH-Urteil XI R 20/93, mit Hinweis auf das Urteil vom 15. März 1993 XI R 10/93, BFHE 174, 241, BStBl II 1994, 813, zum Eintritt von Einzelhändlern in die Gewerbesteuerpflicht nach dem GewStG DDR).
Fundstellen
Haufe-Index 420545 |
BFH/NV 1995, 923 |