Leitsatz (amtlich)
Der Grundsatz der Einzelbewertung des BewG gilt auch für die Wertberichtigung von Forderungen, die zum Betriebsvermögen gehören. Bei einer Vielzahl gleichartiger und im wesentlichen gleichwertiger kleinerer Forderungen können aber die besonderen Umstände, die Anlaß für eine unter dem Nennwert liegende Bewertung sind, durch Pauschalierung ermittelt werden.
Normenkette
BewG i.d.F. vor dem BewG 1965 § 6; BewG i.d.F. vor dem BewG 1965 § 14 Abs. 1; BewG i.d.F. vor dem BewG 1965 § 66 Abs. 1; BewG i.d.F. vor dem BewG 1965 § 66 Abs. 4
Tatbestand
Das FA (Revisionsbeklagter) ließ bei der Feststellung des Einheitswerts des Betriebsvermögens der Revisionsklägerin zum 1. Januar 1959 den von ihr beantragten Abzug vom Rohvermögen für eine Pauschalwertberichtigung auf die Außenstände in Höhe von 7,5 v. H. der Außenstände und für Wechselobligo nicht zu. Der Einspruch gegen den Feststellungsbescheid und die Berufung gegen die Einspruchsentscheidung waren erfolglos.
Das FG begründete sein Urteil im wesentlichen wie folgt: Bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens gelte der Grundsatz der Einzelbewertung der Wirtschaftsgüter. Die Ausführungen der Revisionsklägerin seien nicht geeignet, von dieser Rechtsauffassung abzuweichen. Forderungen seien mit dem Nennwert anzusetzen. Der Ansatz mit einem niedrigeren Wert erfordere, daß im Einzelfall die besonderen Umstände dargetan werden, die eine Bewertung unter dem Nennwert rechtfertigten. Gesichtspunkte der Praktikabilität könnten nicht dazu führen, die Pauschalwertberichtigung aus der Steuerbilanz in die Vermögensaufstellung zu übernehmen. Eine Rückstellung für das Wechselobligo könne nicht zugelassen werden, weil es sich hierbei um eine aufschiebend bedingte künftige Haftungsverbindlichkeit aus diskontierten Wechseln handle. Eine Wertberichtigung der dem Wechsel zugrunde liegenden Forderung sei nicht möglich, weil diese Forderung mit der Hereinnahme des Wechsels wirtschaftlich als erloschen zu betrachten sei; denn der Gläubiger sei verpflichtet, zunächst auf Grund des Wechsels Befriedigung zu suchen.
Mit der Rechtsbeschwerde, die nach Inkrafttreten der FGO als Revision zu behandeln ist, wird unrichtige Rechtsanwendung gerügt.
Die Revisionsklägerin meint, die Vorinstanz habe den Grundsatz der Einzelbewertung falsch interpretiert. Dieser Grundsatz sei nicht auf Wertberichtigungen anzuwenden und außerdem sei er seinem Inhalt nach von der Zwecksetzung einer Bilanz abhängig. Entscheidend seien die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung, die eine Pauschalwertberichtigung der Außenstände zuließen. Der BFH habe überdies mit Urteil III 372/59 U vom 28. September 1962 (BFH 75, 664, BStBl III 1962, 510) eine zusammengefaßte Bewertung im wesentlichen gleichartiger Waren nicht als Verstoß gegen den Grundsatz der Einzelbewertung betrachtet. Es sei deshalb nicht einzusehen, weshalb nicht auch beim Forderungsbestand durch eine zusammengefaßte Bewertung den bewertungsrechtlichen Vorschriften entsprochen werden könne. In bezug auf das Wechselobligo sieht die Revisionsklägerin die unrichtige Rechtsanwendung darin, daß die Vorinstanz das rechtliche Wesen des Diskontgeschäfts verkannt habe. Die Hingabe eines Wechsels erfolge nicht an Zahlungs Statt, sondern nur zahlungshalber. Damit bleibe die Grundforderung trotz der Wechselhingabe bestehen. Für die Bewertung sei deshalb von der Grundforderung auszugehen, für die eine Wertberichtigung nach allgemeinen Grundsätzen möglich sei. Das FG sei auch deshalb zu einer unrichtigen Rechtsanwendung gekommen, weil es die Hingabe eines Wechsels zum Diskont rechtsirrtümlich als Verkauf des Wechsels behandelt habe.
Die Revisionsklägerin beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und den Einheitswert unter Berücksichtigung der pauschalen Wertberichtigung auf die Forderungen und der Rückstellung für Wechselobligo festzustellen, hilfsweise, die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
1. Dem FG ist darin zuzustimmen, daß nach dem BewG der Grundsatz der Einzelbewertung für alle zu einem gewerblichen Betrieb gehörenden Wirtschaftsgüter gilt. Diese Rechtsauffassung hat der Senat in ständiger Rechtsprechung, zuletzt mit eingehender Begründung in dem Urteil III 181/64 vom 12. Juli 1968 (BFH 93, 323, BStBl II 1968, 794) vertreten. Entgegen der Ansicht der Revisionsklägerin sind auch Forderungen einzeln zu bewerten. Dies ergibt sich aus § 66 BewG i. d. F. vor BewG 1965 (im folgenden BewG) in Verbindung mit § 14 BewG. Danach entspricht der Teilwert von Kapitalforderungen, deren Wert nicht durch die Zugehörigkeit zu einem Betrieb beeinflußt wird, grundsätzlich dem Nennwert (vgl. BFH-Urteil III 133-134/55 S vom 26. August 1955, BFH 61, 207, BStBl III 1955, 278). Die Bewertung mit einem niedrigeren Wert als dem Nennwert kann dann in Betracht kommen, wenn besondere Umstände dies rechtfertigen (§ 14 Abs. 1 BewG). Auch für die Erfassung dieser besonderen Umstände gilt der Grundsatz der Einzelbewertung.
Die Einzelbewertung ist indessen nicht nur für die Einheitsbewertung des Betriebsvermögens, sondern auch für die Steuerbilanz (§ 6 EStG) und für die Handelsbilanz (§§ 39, 40 HGB, 151 ff. AktG 1965, § 42 GmbHG) durchzuführen. Deshalb können die für die Aufstellung der Steuerbilanz und der Handelsbilanz in rechtlich zulässiger Weise entwickelten Methoden der Einzelbewertung auch für die Einheitsbewertung übernommen werden, soweit sich aus dem BewG nicht etwas anderes ergibt.
Für die Handelsbilanz hat das Gesetz zur Änderung des Handelsgesetzbuches und der Reichsabgabenordnung vom 2. August 1965 (BGBl I 1965 S. 665) eine dahingehende Ergänzung des § 40 HGB gebracht, daß unter Aufrechterhaltung des Grundsatzes der Einzelbewertung unter bestimmten Voraussetzungen eine Gruppenbewertung zulässig ist. In der Regierungsvorlage zu diesem Gesetz (Bundestags-Drucksache IV/2865) wird ausgeführt, daß durch diese Sonderregelung die mehr oder weniger neben dem Gesetz entwickelten Bewertungsverfahren auf eine gesicherte Rechtsgrundlage gestellt werden sollen. Sachlich wird die Regelung damit begründet, daß es unter besonderen Umständen wegen des Mißverhältnisses zwischen dem Arbeitsaufwand und dem zu erwartenden Erfolg in der Bewertungsgenauigkeit unzumutbar sein könne, bei einem größeren Bestand an Vermögensgegenständen jeden einzelnen Gegenstand gesondert zu bewerten. Hieraus ergibt sich, daß dem Grundsatz der Einzelbewertung eine zusammengefaßte Bewertung annähernd gleichartiger oder gleichwertiger Vermögensgegenstände nicht fremd ist. Dies hat der erkennende Senat für die Warenbewertung in seinem Urteil III 372/59 U (a. a. O.) ausgesprochen. Der I. Senat hat mit Urteil I 60/57 U vom 1. April 1958 (BFH 67, 47, BStBl III 1958, 291) entschieden, daß eine pauschale Wertberichtigung wegen des Delkredere grundsätzlich zulässig sei, wenn dadurch die Richtigkeit des Bilanzbildes nicht wesentlich beeinträchtigt werde. Der erkennende Senat hat für Banken eine pauschale Wertberichtigung der Forderungen zugelassen, wenn erfahrungsgemäß ein bestimmter Ausfall bei der Gesamtheit der Forderungen eintritt (Urteil III 387/59 vom 9. Februar 1962, HFR 1962, 74). Auch in der Literatur wird die Auffassung vertreten, daß eine pauschale Berücksichtigung wertmindernder Umstände bei der Bewertung von Forderungen im Rahmen der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens zulässig ist (vgl. Gürsching-Stenger, Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, Kommentar, § 109 BewG 1965, Anm. 52; Rössler-Troll, Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, 8. Aufl., § 109 BewG 1965, Anm. 18; van der Velde, Der Betrieb 1965 S. 1189).
Der Senat kommt damit zu dem Ergebnis, daß eine pauschale Berücksichtigung besonderer Umstände im Sinne des § 14 BewG, die eine Bewertung von Forderungen mit einem niedrigeren Wert als dem Nennwert rechtfertigen, dem Grundsatz der Einzelbewertung nicht schlechthin widerspricht. Da es bei einem größeren Forderungsbestand oft nicht möglich ist, sämtliche Forderungen im einzelnen zu untersuchen, ist es üblich geworden, die besonderen Risiken, die den Forderungen, namentlich den kleineren Forderungen, innewohnen, in vereinfachter Weise zu ermitteln. Materiell handelt es sich hierbei um eine in vereinfachter Form ermittelte Wertberichtigung der einzelnen Forderungen wegen besonderer Risiken. Hieraus ergibt sich, daß das allgemeine Kreditrisiko (§ 152 Abs. 6 AktG), das im Gegensatz zum speziellen, aus der Kenntnis der individuellen Lage der Schuldner sich ergebenden Kreditrisiko steht, nicht berücksichtigt werden kann. Zum allgemeinen Kreditrisiko gehören z. B. die Möglichkeit eines Forderungsausfalls wegen Abschwächung der Konjunktur, bei Auslandsforderungen die Risiken auf Grund politischer Maßnahmen, aber auch allgemein das Ausfallrisiko, das einer Forderung von an sich guter Bonität anhaftet, weil der Schuldner durch unvorhergesehene Ereignisse, wie z. B. durch Krankheit, in Zahlungsschwierigkeiten geraten kann (vgl. auch Adler-Düring-Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Aktiengesellschaft, 4. Aufl., § 152, Tz. 85).
Voraussetzung für die pauschale Ermittlung der besonderen Umstände, die zu einer Bewertung unter dem Nennwert führen, ist, daß eine Vielzahl gleichartiger oder gleichwertiger Forderungen vorliegt, die eine Schätzungsgrundlage für den im Einzelfall im allgemeinen anzunehmenden Ausfall gibt. Dies kann je nach den Verhältnissen des Betriebs ein gemischtes Bewertungsverfahren erfordern. Gehören zum Betriebsvermögen nur einige große oder größere Forderungen und im übrigen eine Vielzahl kleiner oder kleinerer Forderungen, dann können die großen Forderungen in die pauschale Wertberichtigung nicht mit einbezogen werden. Auch dann, wenn sich die Forderungen der Art nach unterscheiden (z. B. Inlandsforderungen und Auslandsforderungen oder DM-Forderungen und Valutaforderungen) ist entweder für jede Art bei Vorhandensein einer Vielzahl von Forderungen die Pauschalierung getrennt durchzuführen oder, wenn von einer Art keine hinreichende Anzahl vorliegt, sind die besonderen Umstände teils individuell und teils pauschal zu berücksichtigen.
Weiter ist zu beachten, daß die Wertminderung in den Verhältnissen des maßgebenden Feststellungszeitpunkts begründet sein muß; zukünftige Ereignisse müssen außer Betracht bleiben (vgl. auch BFH-Urteil I 99/56 U vom 4. Dezember 1956, BFH 64, 43, BStBl III 1957, 16). Darüber hinaus ergibt sich für die Einheitsbewertung eine weitere Einschränkung aus § 6 BewG. Danach können Lasten, die vom Eintritt eines zukünftigen ungewissen Ereignisses abhängen, bei der Einheitsbewertung nicht berücksichtigt werden. Dies gilt auch für die besonderen Umstände im Sinne des § 14 Abs. 1 BewG, die zu einer Bewertung unter dem Nennwert führen. Dementsprechend können bei der Forderungsbewertung im Rahmen der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens zukünftige Zinsverluste infolge etwaigen verspäteten Zahlungseingangs (sogenannte innerbetriebliche Zinsverluste), Kosten einer evtl. erforderlich werdenden Beitreibung, Erlösschmälerungen durch Skonti oder von der zukünftigen Entwicklung abhängige Mengenrabatte usw. nicht berücksichtigt werden. Die pauschale Erfassung der besonderen Umstände, die zu einer Bewertung unter dem Nennwert führen, beschränkt sich demnach im wesentlichen auf das durch die Bonität des Schuldners begründete Ausfallwagnis. Aus diesem Grund kann ein in der Steuerbilanz eingesetzter Wertberichtigungsposten für Forderungen nur dann in die Vermögensaufstellung für die Einheitsbewertung des Betriebsvermögens übernommen werden, wenn ihm keine Wertminderungen zugrunde liegen, die auf den oben genannten, bei der Einheitsbewertung nicht berücksichtigungsfähigen Umständen beruhen.
Das FG ist von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen. Das Urteil ist deshalb aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Für die Pauschalierung der wertmindernden Umstände geben die betrieblichen Verhältnisse in den Jahren vor dem Feststellungszeitpunkt einen Anhaltspunkt, wenn nicht nach den Verhältnissen des maßgebenden Feststellungszeitpunkts feststeht, daß die Entwicklung anders verlaufen wird.
2. Die Vorinstanz hat einen Abzug wegen des sogenannten Wechselobligos zu Recht nicht zugelassen. Mit Urteil III 238/63 vom 17. März 1967 (BFH 88, 554, BStBl III 1967, 486) hat der Senat entschieden, die Hereinnahme eines Wechsels und die Weitergabe dieses Wechsels zum Diskont führten dazu, die Forderung, derentwegen der Wechsel begeben wurde, wirtschaftlich zunächst als erfüllt zu betrachten. Diese Auffassung entspreche den tatsächlichen kaufmännischen Gepflogenheiten. Aus diesem Grund wurde eine Wertberichtigung der Grundforderung, die zur Wechselbegebung führte, abgelehnt. Eine Rückstellung für Wechselobligo wurde entsprechend der Rechtsprechung des Senats zum Schuldabzug für Gewährleistungsansprüche, Haftungsansprüche usw. nur für den Fall zugelassen, daß der Steuerpflichtige im Feststellungszeitpunkt aus dem Wechsel in Anspruch genommen wurde. An dieser Auffassung hat der Senat in dem zur Veröffentlichung bestimmten Urteil III R 89/66 vom 18. April 1969 festgehalten. Lediglich dann, wenn zahlungshalber hereingenommene Wechsel in der Weise diskontiert werden, daß alle für eine Forderung begebenen Wechsel bei Fälligkeit an den Diskontnehmer zurückgegeben und zurückbelastet werden, führt die Diskontierung auch wirtschaftlich nicht zur Erfüllung wegen der Grundforderung. In diesem Fall gehört die Grundforderung ungeachtet der buchtechnischen Behandlung noch zu den Besitzposten des Betriebsvermögens, der auf der Schuldenseite die Verpflichtung zur Einlösung der diskontierten Wechsel gegenübersteht.
Der vom FG frei von Rechtsfehlern festgestellte Sachverhalt, an den der BFH gebunden ist (§ 118 FGO), gibt keinen Hinweis dafür, daß die Revisionsklägerin die von ihr diskontierten Wechsel bei Fälligkeit wieder zurücknimmt und den Forderungsbetrag vom Akzeptanten selbst einzieht. Die durch die Revisionsklägerin vorgenommene Verwertung der Wechsel gibt auch keine Veranlassung, von der in den Urteilen III 238/63 (a. a. O.) und III R 89/66 vertretenen Rechtsauffassung abzuweichen. Das Vorbringen der Revisionsklägerin, die Vorinstanz sei deshalb zu einer unrichtigen Entscheidung gekommen, weil sie die Diskontierung eines Wechsels zu Unrecht als Verkauf gewürdigt habe, ist nicht geeignet, diese Rechtsauffassung zu widerlegen. Denn nach ständiger Rechtsprechung des Reichsgerichts (vgl. Urteil II 94/33 vom 13. Oktober 1933, Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Bd. 142 S. 23 [26]) ist für den Regelfall, in dem der Diskontnehmer den noch nicht fälligen, mit einem fremden Akzept versehenen Wechsel endgültig auf den Diskontgeber überträgt, und dieser den Wechsel gegen Zahlung der Diskontsumme endgültig übernehmen will, das Diskontgeschäft stets als Verkauf des Wechsels anzusehen. Der Revision mußte deshalb insoweit der Erfolg versagt bleiben.
Fundstellen
Haufe-Index 68676 |
BStBl II 1969, 700 |
BFHE 1969, 540 |