Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Abgrenzung zwischen einem (steuerfreien) Hoheitsbetrieb und einem (steuerpflichtigen) Betrieb gewerblicher Art bei Leistungen eines kommunalen Friedhofträgers
Leitsatz (NV)
1. Die gemeindliche Friedhofsverwaltung hat in Ausübung ihrer öffentlichen Gewalt alle Leistungen bereitzustellen, die nach allgemeiner Ansicht für eine würdige Bestattung als unverzichtbar angesehen werden.
2. Sonderleistungen der Gemeinde, die über die Aufgaben im öffentlichen Bestattungs- und Friedhofswesen hinausgehen, werden auch dann in einem Betrieb gewerblicher Art erbracht, wenn die hoheitlichen und die gewerblichen Tätigkeitsbereiche in einer Dienststelle zusammengefaßt sind.
Normenkette
KStG § 1 Abs. 1 Nr. 6; KStDV 1968 §§ 1, 4; StG 1977 § 4
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine kreisfreie Stadtgemeinde, unterhält mehrere Friedhöfe mit zwei Friedhofsgärtnereien und einer Baumschule. Die Verwaltung dieser Einrichtungen ist organisatorisch in dem Friedhofsamt zusammengefaßt, das wiederum Teil des städtischen Garten- und Friedhofsamtes ist. Die Aufgaben des Friedhofsamtes sind geregelt durch eine Friedhofsordnung, die durch eine Friedhofsgebührenordnung und die Entgeltordnung für städtische Leistungen auf den Friedhöfen ergänzt wird. Danach hat das Friedhofsamt folgende Aufgaben:
a) Die Planung, Gestaltung, Anlage und Pflege von Friedhöfen im Bereich der Klägerin einschließlich aller technischen Einrichtungen;
b) die Bereitstellung, Vergabe und Verwaltung von Grabstellen;
c) die Bestattung von Toten (Erd- und Feuerbestattung) einschließlich aller damit in Verbindung stehenden Arbeiten auf den Friedhöfen;
d) die Anlage und Erhaltung von Kriegs- und Sozialgräbern;
e) die Ausführung gärtnerischer und sonstiger Friedhofsarbeiten auf Antrag gegen Entgelt;
f) den Abschluß von Verträgen über die Grabpflege nach dem Tode der Antragsteller im Rahmen der Daseinsvorsorge für die Bürger (Legate);
g) die Unterhaltung der Gebäude, Werkstätten, Fahrzeuge, Maschinen und Geräte zur Erfüllung dieser Aufgaben.
Die Klägerin gab für den Bereich des Friedhofsamtes für die Streitjahre (1965 bis 1970) keine Körperschaftsteuererklärungen ab, obwohl sie das Friedhofsamt als einen Betrieb gewerblicher Art angesehen und dies dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -) auch mitgeteilt hat.
Im Anschluß an eine Betriebsprüfung führte das FA Körperschaftsteuerveranlagungen der Klägerin - Garten- und Friedhofsamt - für die Streitjahre durch.
Einspruch und Klage blieben erfolglos.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung von materiellem Recht (§ 1 Abs. 1 Nr. 6 des Körperschaftsteuergesetzes in der vor dem 1. Januar 1977 geltenden Fassung - KStG a. F. -). Sie verfolgt ihr Begehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist begründet. Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Finanzgericht (FG) zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
1. Die Klägerin ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Als solche unterliegt sie grundsätzlich nicht der Körperschaftsteuer. Als Subjekt der Körperschaftsteuer kommt sie jedoch insofern in Betracht, als sie einen (steuerpflichtigen) Betrieb gewerblicher Art unterhält (§ 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG a. F.; § 1 der Körperschaftsteuer-Durchführungsverordnung in der Fassung vor dem 1. Januar 1977 - KStDV a.F. -; Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 13. März 1974 I R 7/71, BFHE 112, 61, BStBl II 1974, 391) und daher insoweit nicht der Ausübung öffentlicher Gewalt dient (§ 4 KStDV a. F.).
Das FG ist hinsichtlich des Begriffs ,,Betrieb gewerblicher Art" zutreffend von der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs - RFH - (Urteil vom 22. Oktober 1929 I Aa 644/29, RStBl 1929, 666) und der des BFH (Urteile vom 22. September 1976 I R 102/74, BFHE 120, 53, BStBl II 1976, 793, und vom 26. Mai 1977 V R 15/74, BFHE 123, 70, BStBl II 1977, 813) ausgegangen. Danach ist ein Betrieb gewerblicher Art eine Einrichtung oder ein Inbegriff fortdauernder wirtschaftlicher Verrichtungen, die - ohne daß eine Gewinnerzielungsabsicht erforderlich wäre - unter einem einheitlichen Willen auf ein bestimmtes sachliches Ziel gerichtet sind, dadurch in sich wirtschaftlich zusammenhängen und eine fuktionelle Einheit bilden, sich aber innerhalb der Gesamtbetätigung der Körperschaft des öffentlichen Rechts wirtschaftlich als etwas besonderes herausheben (§ 1 Abs. 2 Satz 1 KStDV a. F.); es muß sich bei dem Betrieb um eine Tätigkeit von einigem Gewicht handeln, so etwa, daß auch eine Einzelperson als Inhaber gedacht werden kann (RStBl 1929, 666).
Das FG hat auch den Begriff ,,Hoheitsbetrieb" (§ 4 KStDV a. F.) zutreffend eng ausgelegt. Diese Betriebe, ,,die überwiegend der Ausübung der öffentlichen gewalt dienen . . ., gehören nicht zu den Betrieben gewerblicher Art" (so § 4 Satz 1 KStDV a. F.). Dabei ist die ,,Ausübung öffentlicher Gewalt" eine Tätigkeit, durch die eine öffentlich-rechtliche Körperschaft Aufgaben erfüllt, die ihr in ihrer Eigenschaft als Träger der öffentlichen Gewalt eigentümlich und vorbehalten sind (so zutreffend Herrmann / Heuer / Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 1 KStG a. F. Anm. 55a). Das ist insbesondere anzunehmen, wenn der Empfänger der Leistung kraft gesetzlicher oder behördlicher Anordnung zu deren Annahme verpflichtet ist (§ 4 Satz 2 KStDV a. F.; vgl. aber § 4 Abs. 5 Satz 2 KStG 1977). Der Tätigkeitsbereich des Friedhofsamtes hat - wie das FG richtig erkannt hat - seine Grundlage in dem allgemeinen Ordnungsrecht (,,Polizeirecht"), das der öffentlich-rechtlichen Körperschaft in ihrer Eigenschaft als Hoheitsträger zugeordnet ist und auf öffentlich-rechtlicher Grundlage beruht. Das gilt - worüber zwischen den Beteiligten Einverständnis besteht - insbesondere für das Zurverfügungstellen von Friedhöfen und für die Bestattung von Leichen (vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts - BVerwG - vom 16. Dezember 1966 VII C 45.65, BVerwGE 25, 364; Urteil des Oberverwaltungsgerichts - OVG - Münster vom 1. Dezember 1965 III A 1579/64, Deutsches Verwaltungsblatt - DVBl - 1966, 836).
2. Nach den vorgenannten Grundsätzen hatte das FG zu prüfen, ob und inwieweit die einzelnen Tätigkeiten der Klägerin - wie sie in der Gewinnübersicht unter 1 bis 7 aufgeführt sind - einem (steuerfreien) Hoheitsbetrieb oder einem (steuerpflichtigen) Betrieb gewerblicher Art zuzuordnen sind. Dabei sind dem FG Rechtsfehler unterlaufen.
a) Das Herstellen von Fundamenten für die großen Grabmäler ist dem hoheitlichen Bereich zuzuordnen; die dabei erzielten Gewinne (Nr. 3 der Gewinnzusammenstellung) bleiben deshalb steuerfrei.
Zu der Bestattung, die umstreitig in Ausübung öffentlicher Gewalt vollzogen wird (vgl. oben 1. am Ende), gehört nicht nur das Überlassen der Grabstätte und der eigentliche Bestattungsvorgang, sondern auch die Fundamentierung der großen Grabmäler. Das folgt notwendig aus der Verkehrssicherungspflicht, die dem Friedhofsträger als öffentlich-rechtliche Pflicht der Allgemeinheit gegenüber obliegt; die Friedhöfe sind regelmäßig der Öffentlichkeit zugänglich und können von jedermann frei betreten werden. Gegenüber dieser Verpflichtung treten die Erwägungen der Beteiligten und des FG in den Hintergrund, das mit dem Fundamentieren ggf. verbundene Öffnen der Grabstätte sei eine hoheitliche Aufgabe, während mögliche Straftaten (grober Unfug, Grabschändung, Leichenschänderei) den gewerblichen Charakter nicht ausschlössen. Diese Erwägungen rechtfertigen es jeweils für sich allein nicht, die aus dem Fundamentieren erzielten Gewinne dem einen oder dem anderen Bereich zuzurechnen. Es kann bei dieser Rechtslage auch offenbleiben, ob das Fundamentieren nur vom Personal des Friedhofsamtes ausgeführt werden darf oder auch von Dritten.
b) Für die Gewinne aus dem Harmoniumspiel, aus Ausschmückungen und aus dem Gruftschmuck gilt folgendes:
Die gemeindliche Friedhofsverwaltung hat in Ausübung ihrer öffentlichen Gewalt kraft Herkommens alles bereitzuhalten und -zustellen, was für die Bestattung (Einäscherung) der Toten in einer nach Ansicht eines erheblichen Teils der Bevölkerung würdigen und insoweit den Mindestanforderungen genügenden Weise erforderlich ist. Diese (öffentlich-rechtliche) Verpflichtung umfaßt nicht nur das Errichten und Unterhalten der notwendigen Gebäude und Einrichtungen (Leichenhalle und Trauerhalle, Krematorium, Friedhofskapelle, Fuhrpark, Gerätschaften usw.), sondern ebenso Leistungen, die mit der Bestattung untrennbar verbunden sind und allgemein als unverzichtbar für eine würdige Bestattung angesehen werden. Dazu gehören das Bereitstellen einer Trauerhalle mit einer für alle Trauerfeierlichkeiten gleichermaßen erwarteten, einfachen Ausschmückung, die musikalische Ausgestaltung der Trauerfeier auf einem gemeinde-(friedhofs-) eigenen Instrument (Orgel, Harmonium oder eine moderne Wiedergabeanlage), ggf. das Läuten von Glocken sowie das Ausschmücken des ausgehobenen Grabes (sog. Gruftschmuck).
Die Angaben des FG unter 6 und 7 der Gewinnzusammenstellung lassen mangels konkreter Feststellungen dazu nicht erkennen, ob und welcher Teil der aufgeführten Gewinne auf einfache Ausschmückungen und einfachen Gruftschmuck entfallen, die bzw. den das Friedhofsamt in Ausübung seiner hoheitlichen Gewalt kraft Herkommens bereitgestellt hat, und welche Gewinnteile aus weiteren Leistungen (bessere Ausschmückungen und besserer Gruftschmuck, weitere Sonderleistungen) herrühren, die über die Aufgaben der Klägerin im öffentlichen Bestattungs- und Friedhofswesen hinausgehen. Das schließt eine revisionsrichterliche Prüfung durch den Senat aus. Das Urteil war deshalb aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.
c) Die Gewinne aus Grabpflege und Bepflanzung (Nr.1 der Gewinnzusammenstellung), aus Blumenverkäufen (Nr. 4 der Gewinnzusammenstellung) und die Zinsen zur Rücklage Dauergrabpflege (Nr. 5 der Gewinnzusammenstellung) hat das FG zutreffend nicht dem hoheitlichen Tätigkeitsbereich der Klägerin zugeordnet. Insoweit hat die Klägerin keine öffentliche Aufgabe erfüllt, sondern ist nachhaltig wirtschaftlich sowie zur Erzielung von Einnahmen tätig geworden und hat einen Betrieb gewerblicher Art (§ 1 Abs. 1 KStDV a. F.) unterhalten. FA und FG haben deshalb die Gewinne aus diesen Tätigkeitsbereichen zu Recht der Körperschaftsteuer unterworfen.
In diesem Zusammenhang weist der Senat darauf hin, daß das FG keine Feststellungen im einzelnen über die Pflege und Betreuung von Kriegs- und Sozialgräbern durch die Klägerin getroffen hat. Das diesbezügliche Vorbringen der Klägerin im Revisionsverfahren ist deshalb neues Vorbringen, das für den Senat unbeachtlich ist (vgl. § 118 Abs. 2 FGO). Die Klägerin wird Gelegenheit haben, Tatsachen zur Unterhaltung und Betreuung der Kriegs- und Sozialgräber im zweiten Rechtsgang vorzutragen.
3. Der Auffassung der Klägerin, es liege kein Betrieb gewerblicher Art vor, der die unter 2 b (bessere Ausschmückung, besserer Gruftschmuck, sonstige Sonderleistungen) und unter 2 c genannten Tätigkeiten der Klägerin umfasse, vermag der Senat nicht zu folgen.
Die Zusammenfassung des (steuerfreien) hoheitlichen und des (steuerpflichtigen) gewerblichen Tätigkeitsbereichs der Klägerin in dem Friedhofsamt und die Verwendung desselben Personals und derselben sächlichen Mittel für die Tätigkeiten in beiden Bereichen sind allein organisatorisch bedingt und für die steuerliche Betrachtung unerheblich, auch wenn für die einzelnen Bereiche nicht getrennte Bücher geführt werden (vgl. BFHE 123, 70, BStBl II 1977, 813; BFHE 112, 61, BStBl II 1974, 391). Entscheidend ist vielmehr, daß die Klägerin die genannten Leistungen nicht in Ausübung öffentlicher Gewalt erbracht hat und die daraus erzielten Gewinne deshalb nicht ihrem Hoheitsbetrieb zugerechnet werden können. Die dem steuerpflichtigen Bereich zuzuordnenden Leistungen sind von den Leistungen der Klägerin im Rahmen des steuerfreien hoheitlichen Bereichs sowohl funktionell (oben unter 2) als auch - wie die einverständlichen Zusammenstellungen der Beteiligten ausweisen - hinsichtlich des Gewinns klar voneinander abzugrenzen.
Der so abgegrenzte Bereich gewerblicher Tätigkeiten der Klägerin hebt sich auch wirtschaftlich aus der Gesamttätigkeit der Klägerin heraus, wobei es auf das Verhältnis der Einnahmen zum betroffenen Bereich der gemeindlichen Gesamtverwaltung ankommt. Diese Annahme wird durch die Ergebnisse gerechtfertigt, die in diesem gewerblichen Tätigkeitsbereich erzielt worden sind. Insoweit handelt es sich nach allem um einen Betrieb gewerblicher Art (,,Friedhofsamt") i. S. des § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG a. F. und nicht um Tätigkeiten, die zu der Erfüllung hoheitlicher Aufgaben (nur) im Verhältnis von Nebentätigkeiten stehen.
4. Mit dieser Entscheidung kommt der Senat hinsichtlich der Tätigkeiten der Klägerin - Friedhofsamt - für die Körperschaftsteuer zu ähnlichen Ergebnissen wie der V. Senat in seiner Entscheidung vom 14. April 1983 V R 3/79 (BFHE 138, 260, BStBl II 1983, 491) in der Umsatzsteuersache der Klägerin.
Fundstellen
Haufe-Index 414624 |
BFH/NV 1987, 810 |