Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerliche Förderungsgesetze
Leitsatz (amtlich)
Ein Mietkaufvertrag, dessen mietrechtlicher Inhalt nach Mietzins, Mietzeit und Mietbedingungen bei wirtschaftlicher Betrachtung nur mit der Gebrauchsüberlassung zusammenhängt, kann insbesondere dann nicht von vornherein nur als Kaufvertrag angesehen werden, wenn der Mieter erst nach fast zwei Jahren Mietdauer von seiner Kaufoption Gebrauch macht.
Normenkette
BHG § 19 Abs. 1, § 19/2
Tatbestand
Der Revisionsbeklagte, ein Immobilienmakler, mietete am 1. März 1963 einen Blattfernschreiber gegen einen monatlichen Mietzins von 129 DM und erwarb das Gerät am 9. Dezember 1964 von der Herstellerin und Vermieterin unter Anrechnung der Mietzinsen auf den Kaufpreis von 8.525 DM. Der Revisionskläger (Finanzamt - FA -) versagte die nach § 19 Abs. 1 und 2 des Berlinhilfegesetzes vom 19. August 1964 - BHG 1964 - (BStBl I 1964, 509) beantragte Investitionszulage, da der zunächst gemietete Fernschreiber beim Erwerb nicht mehr neu gewesen sei. Der hiergegen eingelegte Einspruch hatte keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage des Revisionsbeklagten mit folgender Begründung statt: Der hier vorliegende Mietkaufvertrag könne zwar rechtskonstruktiv in einen Mietvertrag und in einen Kaufvertrag zerlegt werden, wie es das FA getan habe. Nach dem Willen der Vertragschließenden solle er jedoch eine Einheit bilden. So werde auch der Mietkaufvertrag von der Rechtslehre angesehen, nämlich als gemischter Vertrag, in dem sich Elemente des Mietvertrags und des Kaufvertrags miteinander vereinigten. Nach dem Willen der Vertragsparteien werde der Besitz an dem Gegenstand nicht nur wegen des Mietvertrages, sondern auch wegen des in Aussicht genommenen Kaufvertrags übertragen. Wenn dieser zustande komme, verliere der Mietvertrag jede Bedeutung. Er werde daher auch nur für den Fall abgeschlossen, daß der Mieter das Kaufangebot des Vermieters nicht annehme und der Kaufvertrag somit nicht zustande komme. Aus der vereinbarten Anrechnung der Mietzinsen auf den Kaufpreis sei zu entnehmen, daß die Vertragsparteien mit Abschluß des Kaufvertrags den nur für den Fall der Nichtannahme des Kaufangebots abgeschlossenen Mietvertrag als nicht bestehend betrachten und nur noch den Kaufvertrag gelten lassen wollten. Sie verhielten sich so, als beruhe die Besitzübertragung allein auf dem Kaufvertrag. Da nur diese Behandlung dem im Zweifel maßgebenden Vertragswillen der Parteien entspreche, könne die davon abweichende Betrachtung des FA steuerlich nicht anerkannt werden. Dem stehe auch nicht das Urteil des BFH I 221/56 U vom 5. November 1957 (Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 65 S. 550 - BFH 65, 550 -, BStBl III 1957, 445) entgegen, das bei einem Mietkaufvertrag nur ausnahmsweise den Abschluß des Mietvertrags steuerlich unberücksichtigt lasse. Aber auch der BFH gehe dabei davon aus, daß die Anschaffung auf dem gesamten einheitlichen Vertrag beruhe, nicht nur auf einen Teil des Vertrags. Die Anschaffung erfolge hier nicht in einem Zeitpunkt, nämlich im Augenblick der Annahme des Kaufvertrags, sondern in einem Zeitraum, der mit Abschluß des Mietkaufvertrags beginne und mit der Annahme des Kaufangebots ende. Damit entfalle auch der Einwand des FA, der (am 8. Februar 1965 gestellte) Antrag auf Gewährung der Investitionszulage (für den in das Jahr 1963 fallenden Vorgang) sei zu spät gestellt worden, maßgebend sei allein das in das Jahr 1964 fallende Ende des Anschaffungsvorgangs.
Das FA begründet die Revision wie folgt: Die für die Entscheidung maßgebliche Anschaffung im Sinn des § 19 BHG 1964 erfolge mit der Lieferung. Was unter diesem letzteren Begriff zu verstehen sei, lasse sich weder dem EStG noch der EStDV entnehmen, wohl aber aus § 3 Abs. 1 UStG und § 2 Abs. 1 UStDB. Danach liege eine Lieferung vor, wenn der Abnehmer des Wirtschaftsguts die Verfügungsgewalt darüber erlange. Dieser Vorgang könne sich nur in einem Zeitpunkt, nicht wie das FG für den Mietkaufvertrag entschieden habe, in einem Zeitraum ereignen. Dies werde bestätigt durch das zu § 21 Abs. 1 BHG 1962 ergangene BFH-Urteil IV 242/64 vom 6. November 1964 (Steuer- und Zollblatt für Berlin - StuZBl Bln - 1965 S. 556). Die Vorentscheidung stehe auch im Widerspruch zu dem BFH-Urteil I 121/56 U (a. a. O.), auf das sich das FG für seine Auffassung zu Unrecht berufe. Dieses Urteil beschränke sich nur auf Ausführungen zu der Frage, unter welchen besonderen Voraussetzungen sogenannte Mietkaufverträge wirtschaftlich von vornherein als Kaufverträge zu behandeln seien.
Der Revisionsbeklagte beantragt Entscheidung nach Lage der Akten. Er macht geltend, daß ein von der Vorentscheidung abweichendes Urteil steuerpolitisch nicht vertretbar sei, weil dann der kapitalschwächere Steuerpflichtige gegenüber dem kapitalkräftigeren benachteiligt würde. Eine derartige Ungleichbehandlung könne nicht Sinn eines Steuergesetzes sein.
Entscheidungsgründe
Die wegen grundsätzlicher Bedeutung vom FG auf Beschwerde zugelassene Revision (§§ 115, 129, 130 Abs. 1 FGO) führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Abweisung der Klage gegen die Einspruchsentscheidung des FA.
Die nach § 19 BHG 1964 zustehende Investitionszulage wird nur für neue abnutzbare, zum Anlagevermögen eines Betriebs in Berlin (West) gehörende Wirtschaftsgüter nach Ablauf des Kalenderjahres gewährt, in dem die Wirtschaftsgüter angeschafft oder hergestellt worden sind. Bei einem Mietkaufvertrag wie im Streitfall kommt es darauf an, wann das Wirtschaftsgut angeschafft worden ist und ob es in diesem Zeitpunkt neu war. Die Entscheidung hängt von der allgemeinrechtlichen Beurteilung der Kaufoption in Verbindung mit einem Miet- oder Pachtvertrag ab. Die steuerliche Beurteilung solcher Verträge ist durch die Rechtsprechung weithin geklärt; hierzu BFH-Urteile V 198/54 U vom 27. Januar 1955 (BFH 60, 241, BStBl III 1955, 94); I 221/56 U (a. a. O.); IV 429/62 U vom 25. Oktober 1963 (BFH 78, 107, BStBl III 1964, 44). Solche Verträge sind entweder als Mietverträge oder als Kaufverträge mit gestundeten Kaufpreisraten zu behandeln. Dabei ist zwischen der Beurteilung der Rechtslage bei dem im Streitfall nicht interessierenden Vermieter bzw. Verkäufer und dem hier in Betracht kommenden Käufer bzw. Mieter zu unterscheiden. Der BFH hat im Urteil V 198/54 U (a. a. O.) zur Großhandelsvergünstigung bei der Umsatzsteuer im Fall eines Mietkaufvertrags anhand der Tatsache, daß die Kunden das Kaufangebot des Händlers fast ausnahmslos angenommen hatten, die bürgerlich-rechtlich getrennten Vorgänge (Miete und Kauf) umsatzsteuerlich als wirtschaftlich zusammengehörig und als eine Einheit angesehen, so daß nur die Lieferung eines im Sinn des § 12 UStDB unbearbeitenden Gegenstandes vorliege. Praktisch waren also die Mietverträge mit Kaufrecht - vom Verkäufer aus gesehen - Kaufverträge, die unter einer so gut wie nie eingetretenen auflösenden Bedingung standen.
Die für das Ertragsteuerrecht maßgebenden Grundsätze der steuerlichen Behandlung von Mietkaufverträgen über bewegliche Anlagegüter behandelt das BFH-Urteil I 221/56 U. Danach enthält ein unwiderrufliches Kaufangebot des Vermieters im Zusammenhang mit einem als Mietvertrag bezeichneten Vertrag als gemischter Vertrag Elemente des Miet- und des Kaufvertrages. Soll ein derartiger Vertrag bis zur Annahme des Kaufangebots steuerlich als Mietvertrag angesehen werden, so dürfen Mietzins, Mietzeit und Mietbedingungen bei wirtschaftlicher Betrachtung nur mit der Gebrauchsüberlassung zusammenhängen und mit den Bestimmungen des künftigen Kaufvertrages nicht so eng verbunden sein, daß entweder der Mietvertrag ohne Kaufvertrag oder der Kaufvertrag ohne Mietvertrag nicht verständlich ist. Die Beurteilung eines solchen Vertrages entscheidet sich nach der Bemessung und der Entrichtung des Kaufpreises bei späterer Annahme des Kaufangebotes. Wird der Kaufpreis nach dem Lieferpreis bei Abschluß des "Miet" - Vertrags bestimmt und werden die Mietzahlungen auf diesen Preis in voller Höhe angerechnet, so liegt in der engen Verbindung zwischen Miet- und Kaufvertrag eines der wichtigsten Merkmale dafür, daß es sich bei dem gesamten Vertrag in Wahrheit um einen Kaufvertrag mit gestundeten Kaufpreisraten handelt.
Nach dem BFH-Urteil IV 429/62 (a. a. O.) kann ein Mietvertrag über eine bewegliche Sache auch dann schon in einen Kaufvertrag umgedeutet werden, wenn er nicht mit der Kaufoption verbunden ist und Ausgestaltung und Bemessung der Mietzahlungen nicht ungewöhnlich sind und nicht gegen einen Mietvertrag sprechen. Die Umdeutung kann schon dann vorgenommen werden, wenn in einem Mietvertrag die Mietdauer so bemessen ist, daß bei ihrem Ablauf die Mietsache durch den Gebrauch verbraucht ist und wenn für den Mieter während der Mietzeit praktisch keine Möglichkeit besteht, die Mietsache an den Vermieter zurückzugeben. Mit Recht weist jedoch Vogel im Steuerberater-Jahrbuch 1964/65, "Steuerliche Beurteilung von Leasing-Verträgen", S. 165 (S. 191 letzter Satz), darauf hin, daß diese für einen Sonderfall ergangene Urteil nicht verallgemeinert werden darf und auch nicht auf das Leasing übertragen werden kann.
Der Revisionsbeklagte hat mit der Lieferfirma des Blattfernschreibers einen Vertrag am 1. März 1963 unter der Bedingung abgeschlossen, daß der Gegenstand binnen einer Frist von zwei Jahren käuflich erworben werden kann, wobei die zu dem Erwerbszeitpunkt gezahlten Mieten auf den Kaufpreis voll anzurechnen waren. Der künftige Erwerb war also in die freie Entschließung des Revisionsbeklagten gelegt. Vorher ist ihm nur der Besitz verschafft worden. Damit wird die vom FG aus dem einheitlichen Vertrag abgeleitete, schon in ihrer allgemeinen Begründung unhaltbare rechtliche Beurteilung, die Anschaffung erfolge nicht wie üblich in einem Zeitpunkt, sondern in einem 21 Monate und neun Tage umfassenden Zeitraum, auch im einzelnen durch den tatsächlichen Vorgang als unhaltbar widerlegt. Der Anschaffungsvorgang kann nur in der mit dem Abschluß des Kaufvertrages verbundenen Einigung über den Eigentumsübergang (§ 929 Satz 2 BGB) am 9. Dezember 1964 vollzogen worden sein. Nur diese Auslegung entspricht dem hier vorliegenden Sachverhalt. Der Revisionsbeklagte hatte ja den Vertrag über den Fernschreiber gerade deshalb abgeschlossen, weil er sich nicht sofort zum Kauf entschließen wollte oder konnte. Er wollte sich einfach nicht binden; dafür nahm er auch das Risiko einer unter Umständen überhöhten Miete für einige Zeit in Kauf. Die in dem BFH-Urteil I 221/56 U (a. a. O.) hervorgehobenen Kennzeichen eines von vornherein vorliegenden Kaufvertrages liegen hier nicht vor. Die Miete von monatlich 129 DM ist für das Objekt im Wert von 8.525 DM nicht als unangemessen anzusehen. Auch die daraus abzuleitende Mietdauer hält sich durchaus im üblichen Rahmen. Der Revisionsbeklagte hat auch die gezahlte Miete bis zum Erwerb des Wirtschaftsgutes als Betriebsausgabe behandelt.
Scheitert sonach die Zurückbeziehung der Anschaffung auf den Beginn des Vertragsverhältnisses an dem tatsächlichen Geschehensablauf, so ergibt sich aus der zunächst auf dem Mietverhältnis beruhenden Nutzung des Fernschreibers, daß er im Zeitpunkt des Eigentumserwerbs, d. h. der Anschaffung, nicht mehr "neu" im Sinn des § 19 Abs. 2 Satz 1 BHG 1964 gewesen sein konnte.
Diese rechtliche Beurteilung wird auch im vorliegenden Fall nicht durch die in Abschn. 2 der Rundverfügung des Landesfinanzamts Berlin Nr. 164/165 vom 10. September 1965 (StuZBl Bln 1965 S. 1408) enthaltene Verwaltungsanweisung berührt, worin unter Bezugnahme auf das hier nicht einschlägige, einen bestimmten Einzelfall betreffende BFH-Urteil IV 429/62 U (a. a. O.) die Auffassung vertreten wird, daß bei einem Leasing-Vertrag der wirtschaftliche, nicht der bürgerlich-rechtliche Empfänger, demnach also der Mieter, nicht der Vermieter, zulageberechtigt sein soll.
Miete und Kauf sind bürgerlich-rechtlich klar voneinander abgegrenzt. Solange der Gesetzgeber für den Mietkaufvertrag als einen aus diesen beiden Rechtsverhältnissen gemischten Vertrag keine Sonderregelung getroffen hat, kann die Rechtsprechung die in voller Vertragsfreiheit getroffenen Vereinbarungen nur so auslegen, wie sie bei Unvereinbarkeit der beiden Vertragstypen im Einzelfall der Sach- und Rechtslage entsprechen.
Der Hinweis des Revisionsbeklagten, daß die Versagung der Investitionszulage für Mietkaufverträge eine steuerpolitisch nicht vertretbare Benachteiligung der kapitalschwächeren gegenüber den kapitalstärkeren Steuerpflichtigen darstelle, steht der dem BFH allein obliegenden rechtlichen Würdigung nicht entgegen.
Fundstellen
Haufe-Index 412225 |
BStBl III 1967, 63 |
BFHE 1967, 191 |
BFHE 87, 191 |