Entscheidungsstichwort (Thema)
Geschäftswertübergang
Leitsatz (NV)
Wird das Anlage- und Umlaufvermögen eines Unternehmers an eine GmbH veräußert, an der beide Ehegatten mit einer gleich hohen Stammeinlage beteiligt sind, geht mit den verkauften Wirtschaftsgütern auch der Geschäftswert des Einzelunternehmens auf die GmbH über.
Eine Gewinnverwirklichung tritt hinsichtlich des gesamten Geschäftswerts ein.
Normenkette
EStG § 16
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) betrieb als Einzelunternehmer ein . . .unternehmen. Durch Vertrag vom 22. Dezember 1982 gründete er mit seiner Ehefrau eine GmbH, an der beide mit einer Stammeinlage von je . . . DM beteiligt sind.
Am 5. Januar 1983 ,,verkaufte" der Kläger sein Einzelunternehmen an die GmbH zum Preis von . . . DM; dieser Betrag entsprach den Teilwerten für das Anlagevermögen (den Geschäftswert ausgenommen) und den Warenbestand. Der erklärte Betriebsveräußerungsgewinn belief sich auf . . . DM.
Nach einer Betriebsprüfung rechnete der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) dem Veräußerungsgewinn einen Betrag von . . . DM für den Übergang des Geschäftswerts auf die GmbH hinzu. Das FA war der Auffassung, daß in dieser Höhe eine verdeckte Einlage des Klägers an die GmbH vorliege, die zu einer Gewinnrealisierung führe; es änderte dementsprechend den gesonderten Gewinnfeststellungsbescheid 1983. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.
Mit der Klage machte der Kläger geltend, daß der Geschäftswert nicht Gegenstand einer verdeckten Einlage sein könne (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 29. Januar 1975 I R 135/70, BFHE 115, 107, BStBl II 1975, 553) und das FA seine Höhe unzutreffend ermittelt habe. Mit der Klage beantragte der Kläger, unter Änderung des Feststellungsbescheids vom 26. März 1984 einen Veräußerungsgewinn in Höhe von . . . DM festzustellen.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Es entschied, daß bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns ein Geschäftswert nicht zu erfassen sei.
Das FA rügt mit der Revision die Verletzung materiellen Rechts. Es beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur erneuten Entscheidung und Verhandlung.
In den aufgrund des Verkaufs des . . .unternehmens des Klägers an die GmbH ermittelten tarifbegünstigten Gewinn ist auch der Geschäftswert einzubeziehen.
1. Veräußerungsgewinn i. S. des § 16 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ist der Betrag, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten den Wert des Betriebsvermögens übersteigt (§ 16 Abs. 2 Satz 1 EStG). Der Veräußerungspreis ist die Gegenleistung, die der Veräußerer vom Erwerber für die Übertragung des Betriebs erlangt. Werden im Zusammenhang mit der (entgeltlichen) Betriebsveräußerung einzelne Wirtschaftsgüter nicht (entgeltlich) mitveräußert, sondern in das Privatvermögen überführt oder für andere betriebsfremde Zwecke verwendet, so ist zur Ermittlung des tarifbegünstigten Betriebsveräußerungs- oder Betriebsaufgabegewinns der gemeine Wert dieser Wirtschaftsgüter gemäß § 16 Abs. 3 Sätze 1 und 3 EStG dem Veräußerungspreis hinzuzurechnen (BFH-Urteil vom 24. März 1987 I R 202/83, BFHE 149, 542, BStBl II 1987, 705).
2. Im Streitfall hat der Kläger nach den Feststellungen des FG das Anlage- und Umlaufvermögen seines Betriebs gegen einen Preis von . . . DM an die GmbH veräußert. Mit den verkauften Wirtschaftsgütern ist auch der Geschäftswert des Einzelunternehmens auf die GmbH übergegangen, weil er mit ihm untrennbar verbunden ist (BFH-Urteil vom 31. März 1971 I R 111/69, BFHE 102, 73, BStBl II 1971, 536). Nach dem Kaufvertrag zwischen dem Kläger und der GmbH ist für den Übergang des Geschäftswerts kein Kaufpreisentgelt vereinbart worden. Dies ist darauf zurückzuführen, daß nur der Kläger und seine Ehefrau Gesellschafter der GmbH sind. Eine Leistung ist dann durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt, wenn ein Nichtgesellschafter bei der Anwendung der Sorgfaltspflichten eines ordentlichen Kaufmanns der Gesellschaft den Vermögensvorteil nicht eingeräumt hätte (siehe z. B. BFH-Urteil in BFHE 149, 542, BStBl II 1987, 705). Da dem Kläger im Streitfall für die Übertragung des Geschäftswerts auch keine zusätzlichen Gesellschaftsrechte gewährt worden sind, hat er den Geschäftswert aus gesellschaftlichen Gründen ,,unentgeltlich" auf die GmbH übertragen, d. h. verdeckt bei dieser eingelegt, und damit aus der Sicht des Einzelunternehmens für betriebsfremde Zwecke, nämlich die Stärkung der im Privatvermögen gehaltenen eigenen Beteiligung (und der seiner Ehefrau) an der GmbH verwendet.
3. Nach der früheren Rechtsprechung des BFH konnte der Geschäftswert nicht Gegenstand einer verdeckten Einlage sein. Diese Rechtsprechung ist durch das Urteil des I. Senats des BFH in BFHE 149, 542, BStBl II 1987, 705 aufgegeben worden. Der I. Senat hat zur Begründung dem Sinne nach ausgeführt: Wenn eine Kapitalgesellschaft ein immaterielles Wirtschaftsgut durch verdeckte Einlage erwirbt, so ist dies aus der Sicht der Kapitalgesellschaft ein unentgeltlicher Erwerb. Gleichwohl hat die Kapitalgesellschaft das Wirtschaftsgut mit dem Teilwert zu aktivieren, weil die Normen über Einlagen (§ 4 Abs. 1 Satz 1; § 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG) auch für Kapitalgesellschaften gelten und gegenüber dem Aktivierungsverbot des § 5 Abs. 2 EStG Vorrang haben. Folgerichtig ist die verdeckte Einlage eines Wirtschaftsguts für den (verdeckt einlegenden) Gesellschafter keine entgeltliche Veräußerung, sondern eine unentgeltliche Übertragung. Gleichwohl tritt bei einer verdeckten Einlage eines Wirtschaftsguts des Betriebsvermögens Gewinnrealisierung ein, und zwar bei einer verdeckten Einlage im Zusammenhang mit einer Betriebsveräußerung gemäß § 16 Abs. 3 Sätze 1 und 3 EStG, soweit die Anteile an der Kapitalgesellschaft Privatvermögen sind.
Der erkennende Senat schließt sich dieser Auffassung an.
Das FG-Urteil ist von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Es war daher aufzuheben. Da das FG zur Höhe des für den Geschäftswert anzusetzenden Betrags keine Feststellungen getroffen hat und dem Senat die Feststellung der dazu notwendigen Tatsachen nach § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) verwehrt ist, mußte die Sache an das FG zurückverwiesen werden.
Bei der erneuten Entscheidung wird das FG zu berücksichtigen haben, daß nach den in BFHE 149, 542, BStBl II 1987, 705 ausgesprochenen Grundsätzen eine Gewinnrealisierung hinsichtlich des gesamten Geschäftswerts eintritt, und zwar ohne Rücksicht darauf, daß der Kläger nicht Alleingesellschafter der GmbH ist.
Fundstellen
Haufe-Index 415987 |
BFH/NV 1990, 20 |