Entscheidungsstichwort (Thema)
Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern Bewertung/Vermögen-/Erbschaft-/Schenkungsteuer Erbschaft/Schenkung und Steuern
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage, wann eine Schenkung im Sinne des ErbStG und damit die Grunderwerbsteuerbefreiung nach § 3 Ziff. 2 Satz 1 GrEStG gegeben ist.
Normenkette
GrEStG § 3 Ziff. 2; ErbStG § 3 Abs. 1 Nrn. 1-2
Tatbestand
Zwischen der Beschwerdegegnerin (Bgin.) und ihrem am 15. Juni 1950 verstorbenen Ehemann wurde durch Ehevertrag vom 12. April 1911 die Errungenschaftsgemeinschaft des bürgerlichen Rechts als vertraglicher Güterstand vereinbart. Seitens der Bgin. wurden ausweislich des Ehevertrages ein Bankguthaben und Bargeld im Gesamtbetrag von 11.894 Mark sowie Grundstücke im Gesamtwert von 2.950 Mark in das Gesamtgut der Errungenschaftsgemeinschaft eingebracht. Im Ehevertrag wurde vereinbart, daß die Bgin. ihrem Ehemann ihre Guthaben und ihr Bargeld - vorbehaltlich des Rückersatzes dem Werte nach - zum Betrieb seines Geschäftes überläßt. Nach den Erbschaftsteuerakten des verstorbenen Ehemannes hatte die Bgin. am Todestag ihres Ehemannes einen Ersatzanspruch an das Gesamtgut in Höhe von 14.844 Mark (11.894 Mark + 2.950 Mark).
Durch notariell beurkundeten übergabevertrag vom 10. Juni 1949 übertrug der Ehemann der Bgin. seinen Anteil an drei zum Gesamtgut der Errungenschaftsgemeinschaft gehörigen Grundstücken an die Bgin. zu Alleineigentum mit der Maßgabe, daß die Grundstücke künftig Vorbehaltsgut der Ehefrau sein sollten. Das Wort "Schenkung" wurde in diesem Vertrag nicht verwendet.
§ 3 des Vertrages lautete wörtlich: "Die übergabe erfolgt unentgeltlich mit Rücksicht auf die bisherige Mitarbeit der Ehefrau im Geschäft des Ehemannes und mit Rücksicht darauf, daß die Mittel zum Erwerb der Grundstücke zum erheblichen Teil aus Vorbehaltsgut der Ehefrau stammten."
In einem Schreiben vom 26. August 1949 an das Finanzamt führte der inzwischen verstorbene Ehemann der Bgin. aus:
"Nach meiner Verheiratung brauchte ich Mittel zum Erwerb von Grundstücken und teilweise zur Förderung der damals gegründeten Firma. Der Erwerb dieser Grundstücke hat sich vor 1914 abgewickelt. Die Grundstücke wurden zur Bebauung des heutigen Fabrikgeländes gebraucht, mit dessen Bau 1913 begonnen wurde. Die Bezahlung erfolgte damals in bar."
In der Niederschrift über eine Verhandlung vor dem Finanzamt, die am 25. April 1950 stattfand und von dem Ehemann der Bgin. persönlich unterschrieben wurde, heißt es unter anderem:
"Die Frau sollte eine Gegenleistung für ihre frühere Geldgestellung zum Erwerb der Grundstücke und Aufbau der Gebäude seinerzeit und für ihre langjährige Mitarbeit im Betrieb des Ehemannes erhalten. Die Anteilsübertragung geschah also insoweit nicht schenkweise."
Das Finanzamt verneinte eine Steuerbefreiung nach § 3 Ziff. 2 Satz 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG), weil eine Schenkung im Sinne des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) nicht gegeben sei, und zog die Bgin. zur Grunderwerbsteuer heran. Dabei wurde der Wert der Gegenleistung auf insgesamt 20.000 DM geschätzt.
Auf die Berufung wurde die Steuerfestsetzung aufgehoben und die Bgin. von der Steuer freigestellt. Das Finanzgericht bejahte eine Schenkung im Sinne des ErbStG und sah demgemäß den Erwerb des Grundstücks nach § 3 Ziff. 2 Satz 1 GrEStG als steuerbefreit an.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde (Rb.) führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Finanzgericht.
Nach § 3 Ziff. 2 Satz 1 GrEStG sind Grundstücksschenkungen unter Lebenden im Sinne des ErbStG von der Besteuerung ausgenommen. Entscheidend ist somit, ob eine Schenkung im Sinne des ErbStG vorliegt. Nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 und 2 ErbStG gilt als Schenkung im Sinne dieses Gesetzes
"1. jede Schenkung im Sinne des bürgerlichen Rechts;
jede andere freigebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird;
....". Die Schenkung im Sinne des bürgerlichen Rechts (ß 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) ist ein Unterfall der freigebigen Zuwendung des § 3 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG. Es braucht deshalb nur untersucht zu werden, ob eine freigebige Zuwendung im Sinne des ErbStG vorliegt. Wird diese verneint, so ist auch eine Schenkung im Sinne des bürgerlichen Rechts nicht gegeben. Siehe dazu das Gutachten des Reichsfinanzhofs I D 1/30 vom 21. Mai 1931 (Slg. Bd. 29 S. 137, Reichssteuerblatt - RStBl - 1931 S. 559).
Eine freigebige Zuwendung im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG liegt lediglich dann vor, wenn
der Bedachte auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird (objektive Voraussetzung),
der Zuwendende den Willen hat, den Bedachten auf seine Kosten zu bereichern (subjektive Voraussetzung).
Eine freigebige Zuwendung ist hiernach dann zu verneinen, wenn die Leistung der einen Partei - im Streitfall die des verstorbenen Ehemannes - durch eine Leistung der anderen Partei ausgelöst wurde, vorausgesetzt, daß der Empfänger nur das erhält, war er von dem Zuwendenden rechtlich beanspruchen konnte. Um eine freigebige Zuwendung bejahen zu können, ist erforderlich, daß dem Bedachten etwas anfällt, was ihm nicht bereits gebührt. Demgemäß ist auch die nachträgliche Abgeltung früherer unentgeltlicher Leistungen als Schenkung anzusehen, weil die nachträgliche Leistung nicht auf Grund einer bereits vorhandenen, mit der früheren Leistung in Wechselbeziehung stehenden Verpflichtung bewirkt wird. Es liegt nicht in der Macht der Beteiligten, einer unentgeltlichen Leistung, die abgeschlossen der Vergangenheit angehört, rückwirkend die Eigenschaft der Entgeltlichkeit zu verleihen. Andererseits ist eine freigebige Zuwendung zu verneinen, wenn die Leistung des Zuwendenden - im Streitfall die des Ehemannes der Bgin. - auf einer Verpflichtung beruht. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Verpflichtung, die erfüllt wird, erzwingbar ist oder nicht. Auch die Erfüllung einer nicht erzwingbaren Schuld ist grundsätzlich keine Schenkung (Gutachten des Reichsfinanzhofs V D 6/24 vom 21. November 1924 - Slg. Bd. 15 S. 72, 78 -).
Selbst wenn hiernach objektiv eine Bereicherung gegeben wäre, müßte eine freigebige Zuwendung dennoch verneint werden, wenn der Zuwendende ernsthaft glaubte, zu der Zuwendung rechtlich verpflichtet zu sein. Siehe dazu das Gutachten des Reichsfinanzhofs V D 6/24 vom 21. November 1924 (vgl. oben) sowie die Urteile des Reichsfinanzhofs V e A 299/27 vom 26. September 1927 (Mrozek-Kartei, ErbStG 1925, § 3 Abs. 1 Nr. 2 Rechtsspruch 11) und V e A 719/28 vom 26. April 1929 (Steuer und Wirtschaft 1929 Nr. 533). So hat der Reichsfinanzhof durch das Urteil V e A 719/28 vom 26. April 1929 entschieden, daß eine freigebige Zuwendung nicht vorliegt, wenn ein Amerikaner sich nach seinen Anschauungen bei Nichteinhaltung eines Eheversprechens zur Entschädigung für verpflichtet hält. Der III. Senat des Bundesfinanzhofs hat sich der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs angeschlossen. In dem Urteil III 41/50 U vom 24. Januar 1952 (Slg. Bd. 56 S. 110), Bundessteuerblatt - BStBl - 1952 III S. 45) ist ausgeführt worden, daß im Falle der Umstellung einer Reichsmarkverbindlichkeit über das gesetzliche Umstellungsverhältnis hinaus eine Schenkung dann nicht vorliegt, wenn der Schuldner sich zu einer höheren Umstellung für rechtlich verpflichtet hält. Vgl. außerdem die Urteile III 229/52 U vom 25. September 1953 (Slg. Bd. 58 S. 43, BStBl 1953 III S. 308) und III 198/54 U vom 1. Juli 1955 (Slg. Bd. 61 S. 86, BStBl 1955 III S. 231). Andererseits ist eine freigebige Zuwendung dann nicht ausgeschlossen, wenn die Zuwendung nur einer sittlichen Pflicht oder einer auf den Anstand zu nehmenden Rücksicht entspricht. Demgemäß genügt die Auffassung, daß der Schenkende einer solchen Pflicht entspricht, nicht bereits zur Verneinung einer Schenkung (Urteil des Reichsfinanzhofs III e A 25/32 vom 8. Juni 1934 - RStBl 1934 S. 923 -). Dementsprechend hat auch der III. Senat des Bundesfinanzhofs in dem vorerwähnten Urteil III 198/54 U vom 1. Juli 1955 eine freigebige Zuwendung deshalb bejaht, weil der Zuwendende sich zwar kaufmännisch-moralisch, aber nicht rechtlich zu einer höheren Umstellung als 10 : 1 für verpflichtet hielt. Jedoch hat der Reichsfinanzhof in dem Urteil III e 40/37 vom 25. November 1937 (RStBl 1938 S. 5) ausgeführt, daß es sich um eine lediglich sittliche, die Freigebigkeit einer Zuwendung nicht ausschließende Verpflichtung dann nicht handelt, wenn ein Gläubiger seine Forderung ganz oder teilweise aufgibt, weil er dem Schuldner kein Unrecht zufügen will. Eine Handlung, durch die ein Unrecht vermieden oder wiedergutgemacht werden solle, könne ihrem inneren Wesen nach keine Schenkung darstellen.
Die vorerwähnten Grundsätze sind in der angefochtenen Entscheidung nicht immer berücksichtigt worden.
In dem übergabevertrag vom 10. Juni 1949 ist zwar das Wort "unentgeltlich" gebraucht, so daß hieraus geschlossen werden könnte, daß durch die übergabe der Grundstücke keine rechtliche Verpflichtung des verstorbenen Ehemannes gegenüber der Bgin. erfüllt wurde. Bei der Auslegung eines Vertrages kann es aber nicht ausschließlich auf den wörtlichen Inhalt ankommen. Entscheidend ist vielmehr der von den Beteiligten wirklich verfolgte Zweck. Unbestritten ist jedenfalls, daß die Ehefrau Grundstücke und Kapital in das Gesamtgut der Errungenschaftsgemeinschaft eingebracht hatte, daß der Ehevertrag vom 12. April 1911 der Bgin. einen Ersatzanspruch offenhält und daß im Vertrag vom 10. Juni 1949 ausdrücklich auf die Herkunft der Mittel zum Erwerb der Grundstücke hingewiesen wurde.
Selbst wenn objektiv eine Bereicherung zu bejahen ist, bleibt die Frage offen, ob der verstorbene Ehemann der Bgin. den Willen hatte, die Bgin. auf seine Kosten zu bereichern. Nach den bereits angeführten Umständen muß dies als zweifelhaft angesehen werden. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, daß der verstorbene Ehemann nach seinen Erklärungen im § 3 des übergabevertrages vom 10. Juni 1949 und in der Niederschrift vor dem Finanzamt vom 25. April 1950 durch seine Leistungen frühere Leistungen der Ehefrau abgelten wollte. Ob der Ehefrau für eine Mitarbeit im Geschäft rechtlich Ansprüche gegen den Ehemann auf eine Entschädigung zustehen oder nicht, kann dahingestellt bleiben. Eine freigebige Zuwendung wäre auch dann zu verneinen, wenn der verstorbene Ehemann beabsichtigt hätte, derartige Leistungen abzugelten. Daß die Ehefrau im Geschäft des Ehemannes mitgearbeitet hat, ist von diesem in den vorgenannten urkundlichen Erklärungen ausdrücklich behauptet worden. Angesichts dieser Darstellung des verstorbenen Ehemannes muß der Bgin. zugemutet werden, ihr gegenteiliges Vorbringen, daß außerdem von der von ihr mitunterschriebenen Erklärung in der Urkunde vom 10. Juni 1949 abweicht, glaubhaft zu machen und darzulegen, worauf die Widersprüche zurückzuführen sind. Darüber, daß - abweichend von dem vorerwähnten Grundsatz, wonach bei nachträglicher Abgeltung früherer Leistungen, soweit hierzu keine Verpflichtung besteht, eine freigebige Zuwendung vorliegt - in der nachträglichen Entlohnung früherer Dienste ein schenkungsteuerpflichtiger Vorgang nicht zu erblicken ist, auch wenn ein Rechtsanspruch auf diese Entlohnung nicht bestand, siehe das Urteil des Reichsfinanzhofs III 138/42 vom 26. November 1943 (RStBl 1944 S. 205).
Zu berücksichtigen ist außerdem, daß die Hingabe der Gelder und der Grundstücke durch die Bgin. in einem Ehevertrag vereinbart wurde. Es wäre zu prüfen, ob nicht der übergabevertrag vom 10. Juni 1949 eine Abänderung jener Vereinbarungen darstellt, zumal gewisse Formulierungen in der Urkunde vom 10. Juni 1949 darauf hindeuten. Nach einem Urteil des Reichsfinanzhofs III e 37/40 vom 12. Mai 1942 (RStBl 1942 S. 580) haben Vereinbarungen unter Ehegatten über die Regelung ihrer güterrechtlichen Verhältnisse zwar meistens bei dem einen Ehegatten rechtlich eine Vermögensvermehrung zu Lasten des anderen Ehegatten zur Folge; gleichwohl sind sie regelmäßig keine freigebigen Zuwendungen im Sinne des Steuerrechts, weil ihr eigentlicher Zweck nicht auf die übertragung von Vermögenswerten, sondern lediglich auf die rechtliche Ordnung der ehelichen Lebensgemeinschaft gerichtet ist und deshalb der Bereicherungswille fehlt. Dasselbe wird auch dann gelten müssen, wenn güterrechtliche Vereinbarungen geändert werden, vorausgesetzt, daß der Vertrag vom 10. Juni 1949 auch als Vertrag über die änderung güterrechtlicher Verhältnisse anzusehen ist. Allerdings hat der Reichsfinanzhof in dem Urteil I e A 56/31 vom 7. Juli 1931 (RStBl 1931 S. 675) entschieden, daß in der Vereinbarung der allgemeinen Gütergemeinschaft eine steuerpflichtige Schenkung dann erblickt werden kann, wenn die Eheleute gleichzeitig nicht allein ihre güterrechtlichen, sondern auch ihre erbrechtlichen Verhältnisse regelten. Ob aber ein solcher Ausnahmefall unter den besonderen Umständen des Streitfalles gegeben ist, wäre gleichfalls noch zu prüfen.
Die angefochtene Entscheidung war somit aufzuheben und die nicht spruchreife Sache zur weiteren Aufklärung und zur erneuten Entscheidung an das Finanzgericht zurückzuverweisen. Diesem war auch die Entscheidung über die Kosten der Rb. zu übertragen.
Fundstellen
Haufe-Index 408885 |
BStBl III 1957, 449 |
BFHE 1958, 562 |
BFHE 65, 562 |