Leitsatz (amtlich)
1. Bei der Schätzung des gemeinen Werts nichtnotierter Anteile an Kapitalgesellschaften nach dem sog. Stuttgarter Verfahren sind latente Ertragsteuerbelastungen der stillen Reserven grundsätzlich nicht zu berücksichtigen.
2. Der Senat hält daran fest, daß ein Anteilsbesitz von mehr als 25 % des Nennkapitals schon aufgrund seiner absoluten Größe nicht ohne Einfluß auf die Geschäftsführung ist.
Normenkette
BewG 1965 § 11 Abs. 2 S. 2
Verfahrensgang
FG München (Urteil vom 14.12.1976; Aktenzeichen VII 71/73) |
Nachgehend
Tatbestand
Die Revisionskläger sind Erben des verstorbenen Klägers und Revisionsklägers X. Dieser hielt an dem hier streitigen Stichtag (31. Dezember 1969) Aktien im Nennwert von ... DM, das sind 26 % des am 1. August 1969 aus Gesellschaftsmitteln um ... Mio DM auf ... Mio DM erhöhten und voll eingezahlten Grundkapitals der Y-AG (im folgenden AG), der Beigeladenen zu 1. An der AG waren am Stichtag weiter beteiligt die Beigeladene zu 2 mit ... DM (48 % des Grundkapitals) und die Beigeladene zu 3 mit ... DM (26 % des Grundkapitals). Die Beigeladene zu 2 hält sämtliche Aktien der Beigeladenen zu 3. Außerdem sind ... Stück auf den Inhaber lautende Genußscheine ohne Nennwert ausgegeben. Diese befanden sich am Stichtag unverändert - entsprechend dem Verhältnis der Beteiligungen - im Besitz der Aktionäre und wurden nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) nicht bedient.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) stellte den gemeinen Wert der Aktien an der AG nach dem sog. Stuttgarter Verfahren (Abschn. 76 f. der Vermögensteuer-Richtlinien 1969 - im folgenden VStR -) für alle Aktionäre auf 630 DM je 100 DM Grundkapital fest. Er ging von einem Vermögen in Höhe von ... DM und nach Kürzung um 10 % von einem Vermögenswert von ... % aus. In dem Vermögen sind Hinzurechnungen zum Einheitswert des Betriebsvermögens u. a. für Schachtelbeteiligungen und für Grundstücke enthalten. Den Ertragshundertsatz ermittelte das FA in Höhe von ... %. Seiner Berechnung legte es den aufgrund der Betriebsergebnisse errechneten Durchschnittsertrag der Jahre 1967 mit 1969 in Höhe von ... DM zugrunde und kürzte diesen um 30 % auf ... DM. Das Vorhandensein der Genußscheine, für die ein selbständiger Wert nicht festgestellt wurde, hat sich auf die Bewertung der Aktien nicht ausgewirkt.
X machte geltend, das FA habe bei der Ermittlung des Vermögenswerts die auf den stillen Reserven ruhenden Ertragsteuerbelastungen zu Unrecht nicht berücksichtigt. Außerdem beanstandete er, daß es bei der Berechnung des Ertragshundertsatzes nicht von den tatsächlich ausgeschütteten Dividenden ausgegangen sei. Mit einer Beteiligung von 26 % am Grundkapital habe er keinen Einfluß auf die Geschäftsführung nehmen können.
Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) lehnte es das FG ab, die auf den stillen Reserven liegende latente Ertragsteuerbelastung bei der Ermittlung des Vermögenswerts zu berücksichtigen. Im übrigen ging die Vorinstanz davon aus, daß ein Anteilsbesitz von 26 % nicht als ein solcher ohne Einfluß auf die Geschäftsführung angesehen werden könne und deshalb die Voraussetzungen des Abschn. 80 VStR nicht gegeben seien. Es hänge zwar von den Umständen des Einzelfalles ab, unter welchen Voraussetzungen der Besitz von Aktien keinen Einfluß auf die Geschäftsführung gewähre. Diese Voraussetzungen lägen jedenfalls dann von vornherein nicht vor, wenn ein Anteilseigner - wie im Streitfall X - mehr als 25 % der Aktien halte.
Die Revisionskläger rügen mit der Revision Verletzung des § 11 Abs. 2 Satz 2 des Bewertungsgesetzes (BewG). Nach dieser Vorschrift seien bei der Bewertung von nichtnotierten Anteilen das Vermögen und die Ertragsaussichten der Kapitalgesellschaft so zu schätzen, daß der Preis ermittelt werde, den ein vernünftiger Käufer bezahlen würde. Ein solcher würde es jedoch ablehnen, stille Reserven in voller Höhe zu vergüten. Er würde die auf den stillen Reserven lastende künftige Ertragsteuerbelastung abziehen. Außerdem habe es das FG zu Unrecht abgelehnt, im Streitfall die Anweisungen über die Ermittlung des gemeinen Werts für Aktien ohne Einfluß auf die Geschäftsführung anzuwenden (Abschn. 80 VStR). Die Rechte, die das Aktiengesetz (AktG) dem Inhaber einer Beteiligung von mehr als 25 % des Grundkapitals einräume, seien jedenfalls dann ohne praktische Bedeutung, wenn ein anderer Aktionär mehr als 50 % der Aktien halte. Im Streitfall komme hinzu, daß gemäß § 26 der Satzung Beschlüsse der Hauptversammlung nur dann der qualifizierten Mehrheit (mindestens drei Viertel des bei der Beschlußfassung vertretenen Grundkapitals) bedürften, soweit das Aktiengesetz dies ausdrücklich vorschreibe. Die danach verbleibenden Fälle der notwendigen Mitwirkung der Revisionskläger seien wegen der besonderen hier vorliegenden Verhältnisse ohne wirtschaftliche Bedeutung. Im übrigen seien die Mitwirkungsrechte der Revisionskläger noch dadurch beschränkt, daß alle wesentlichen Beschlüsse der Hauptversammlung durch das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungs- und Bausparwesen (BAV) zu genehmigen seien.
Schließlich rügen die Revisionskläger, FA und FG hätten nicht geprüft, welchen Einfluß das Vorhandensein von Genußscheinen auf Vermögens- und Ertragswert der Aktien hätten. Richtigerweise hätten die Genußscheine gemäß Abschn. 80 VStR wie stimmrechtslose Aktien bewertet und der auf die Aktien entfallende Wert entsprechend niedriger festgestellt werden müssen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
1. Anteile an Kapitalgesellschaften, für die ein Kurswert i. S. von § 11 Abs. 1 BewG nicht gegeben ist, sind mit dem gemeinen Wert anzusetzen (§ 11 Abs. 2-BewG). Liegen - wie im Streitfall - zeitnahe Verkäufe, aus denen der gemeine Wert abgeleitet werden könnte, nicht vor, so ist der Wert unter Berücksichtigung des Vermögens und der Ertragsaussichten der Gesellschaft zu schätzen (§ 11 Abs. 2 Satz 2 BewG). Im Interesse einer möglichst gleichmäßigen und praktikablen Wertermittlung schätzt die Finanzverwaltung den gemeinen Wert von Anteilen an Kapitalgesellschaften seit der Vermögensteuerhauptveranlagung 1953 nach dem sog. Stuttgarter Verfahren (BStBl I 1955, 97). Danach ist maßgebende Größe der Vermögenswert (Abschn. 77 VStR). Dieser ist aufgrund der Ertragsaussichten zu korrigieren. Der BFH hat in ständiger Rechtsprechung das Stuttgarter Verfahren als geeignetes Schätzungsverfahren anerkannt, das dem Gesetz entspricht und ein wertvolles Hilfsmittel darstellt, um die Einheitlichkeit der Bewertung zu gewährleisten. Abweichungen von diesem Verfahren hat der Senat mit Rücksicht auf die Gleichmäßigkeit der Besteuerung nur zugelassen, wenn die Anwendung der Bestimmungen in Abschn. 77 ff. VStR in Ausnahmefällen aufgrund von Besonderheiten zu nicht tragbaren, d. h. offensichtlich unrichtigen Ergebnissen führt (vgl. Urteil vom 14. November 1980 III R 81/79, BFHE 132, 479, BStBl II 1981, 351).
2. In Übereinstimmung mit diesen Grundsätzen hat es das FG im Streitfall zu Recht abgelehnt, eine latente Ertragsteuerbelastung der stillen Reserven bei der Schätzung des gemeinen Werts der Aktien zu berücksichtigen.
a) Im Urteil vom 20. Oktober 1978 III R 31/76 (BFHE 126, 227, BStBl II 1979, 34), hat es der erkennende Senat unter Anknüpfung an seine frühere Rechtsprechung (Urteile vom 18. Dezember 1968 III R 135/67, BFHE 95, 266, BStBl II 1969, 370, und vom 20. Dezember 1968 III R 122/67, BFHE 95, 280, BStBl II 1969, 373) und unter Hinweis auf die Rechtsprechung des II. Senats (Urteil vom 5. Juli 1978 II R 64/73, BFHE 126, 55, BStBl II 1979, 23) abgelehnt, bei der Ermittlung des Vermögenswerts die latente Ertragsteuerbelastung aufgrund einer in der Vergangenheit gebildeten Preissteigerungsrücklage in die Berechnung eingehen zu lassen. Der Senat hat seine Entscheidung insbesondere damit begründet, daß die bewertungsrechtliche Anteilsbewertung durch das Stichtagsprinzip geprägt sei. Hiernach dürften sich bei der Bewertung von Anteilen an Kapitalgesellschaften nur solche Verhältnisse und Gegebenheiten auswirken, die im Bewertungszeitpunkt so hinreichend konkretisiert sind, daß mit ihnen am Feststellungszeitpunkt als Tatsache zu rechnen sei. Der Senat hat hieraus gefolgert, daß bei der Ermittlung des Vermögenswerts nur entstandene Schulden oder wenigstens ausreichend begründete Verhältnisse für ein Leistungsgebot berücksichtigt werden dürfen. Hierunter fallen nicht, wie der Senat ausgeführt hat, latente Ertragsteuerbelastungen der Zukunft bei Unternehmen, von deren Fortführung auszugehen sei. Die Berücksichtigung einer latenten Ertragsteuerbelastung der vorhandenen stillen Reserven liefe im Ergebnis auf die Ermittlung des Zerschlagungswerts hinaus. Dieser ist indes keine zutreffende Grundlage, für die Ermittlung des Vermögenswerts eines Unternehmens, dessen Fortführung bei der Anteilsbewertung zu unterstellen ist.
Der Senat hält an dieser Auffassung fest. Die kritischen Äußerungen im Schrifttum (vgl. u. a. Bauer, Der Betrieb 1980 S. 320 f., 370 f. - DB 1980, 320 f., 370 f. -; Freericks, Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK -, Anmerkungen, Bewertungsgesetz 1965, § 11, Rechtsspruch 17) beruhen auf betriebswirtschaftlicher Sicht und berücksichtigen die Tragweite des bei der steuerrechtlichen Anteilsbewertung geltenden Stichtagsprinzips nicht. Die Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens sind, auch soweit sie infolge Legung stiller Reserven in der Steuerbilanz nicht mit ihrem wirklichen Wert ausgewiesen werden, am Stichtag in Höhe ihres wirtschaftlichen Werts tatsächlich vorhanden. Die Belastung der Gesellschaft durch möglicherweise auf den stillen Reserven latent lastende Ertragsteuern hängt dagegen von einer Realisierung der stillen Reserven in der Zukunft ab. Soweit am Bewertungsstichtag noch nicht abzusehen ist, ob, wann und in welcher Höhe in der Vergangenheit gelegte stille Reserven zu besteuern sein werden, verbietet sich deren Berücksichtigung bei der steuerrechtlichen Anteilsbewertung. Die Ungewißheit über Zeitpunkt und Ausmaß einer etwaigen Realisierung stiller Reserven sowie die Höhe des Steuersatzes, die Möglichkeit, unversteuerte stille Reserven durch die Übertragung auf andere Wirtschaftsgüter (z. B. gemäß § 6 b des Einkommensteuergesetzes - EStG -) zu überführen, die Chance eines Verlustausgleichs und andere Unsicherheiten stehen einer Berücksichtigung der latenten Ertragsteuerbelastung ohne Rücksicht darauf entgegen, ob die stillen Reserven beim nichtabnutzbaren oder abnutzbaren Anlage- oder beim Umlaufvermögen gelegt sind. Eine hinsichtlich der einzelnen Vermögensteile unterschiedliche Beurteilung verbietet insbesondere die mit der Anwendung des Stuttgarter Verfahrens angestrebte Praktikabilität der Anteilsbewertung.
b) die latente Ertragsteuerbelastung ist im Streitfall auch nicht bei den Ertragsaussichten zu berücksichtigen. Allerdings hat der Senat in seinem in BFHE 126, 227, BStBl II 1979, 34 veröffentlichten Urteil die Berücksichtigung der künftigen Ertragsteuerbelastung aufgrund einer in der Vergangenheit gebildeten Preissteigerungsrücklage bei der Schätzung der Ertragsaussichten zugelassen. Dabei hat der Senat jedoch betont, daß eine Korrektur der zukünftigen Erträge gegenüber der am Stichtag aufgrund der Verhältnisse der Vergangenheit bekannten Ertragslage nur dann geboten und insoweit möglich sei, als die Ertragsteuerbelastung in den drei Jahren nach dem Bewertungsstichtag, die grundsätzlich für die Berechnung des gemeinen Werts maßgebend sind, gemessen an den für diesen Zeitraum geschätzten Erträgen von einigem Gewicht ist. Diese Voraussetzung ist im Streitfall nach den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz nicht gegeben. Einer weitergehenden Berücksichtigung der latenten Ertragsteuerbelastung auf stille Reserven bei der Ermittlung der Ertragsaussichten steht das Stichtagsprinzip entgegen. Zur Begründung verweist der Senat auf seine Ausführungen zur Ermittlung des Vermögenswerts (vgl. oben a), die hier entsprechend gelten. Es kommt hinzu, daß die Realisierung latenter Ertragsteuern bei dem künftigen Anteilseigner aufgrund des seit 1977 geltenden Anrechnungsverfahrens hinsichtlich der Körperschaftsteuer zu einem Anrechnungs-(Vergütungs-)anspruch führen wird. Denn die Körperschaftsteuer ist infolge des Anrechnungsverfahrens (§ 36 f. EStG) im wirtschaftlichen Ergebnis bei dem anrechnungsberechtigten Anteilseigner seit 1977 als Vorauszahlung auf die Einkommensteuerschuld zu beurteilen. Die Regelungen des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) 1977 sowie des Anrechnungsverfahrens (§ 36 f. EStG) werden auf die Ermittlung des Ertragshundertsatzes nicht ohne Auswirkung bleiben. Im Hinblick hierauf erscheint es dem Senat auch aus Gründen der Rechtskontinuität nicht sinnvoll, seine Rechtsprechung für das insoweit 1976 ausgelaufene Recht zu ändern.
3. Der Senat stimmt dem FG auch darin zu, daß die Sonderregelungen über die Ermittlung des gemeinen Werts für Aktien ohne Einfluß auf die Geschäftsführung (Abschn. 80 VStR) im Streitfall nicht eingreifen.
a) Nach Abschn. 80 VStR wird der Umstand, daß Anteile an Kapitalgesellschaften keinen Einfluß auf die Geschäftsführung gewähren, dadurch berücksichtigt, daß vom Vermögenswert ein höherer Abschlag gewährt und bei der Ermittlung des Ertragshundertsatzes nicht auf die ausschütttungsfähigen Erträge der Gesellschaft, sondern auf die tatsächlich ausgeschütteten Dividenden abgestellt wird. Ob Anteile an einer Kapitalgesellschaft Einfluß auf die Geschäftsführung der Gesellschaft gewähren, ist zwar grundsätzlich nach den Verhältnissen des Einzelfalles zu beurteilen (ständige Rechtsprechung, zuletzt BFH-Urteil vom 6. Oktober 1978 III R 95/76, BFHE 126, 66, BStBl II 1979, 6, mit weiteren Hinweisen). Der erkennende Senat hat jedoch wiederholt entschieden, daß ein Anteilsbesitz von mehr als 25 % des Nennkapitals schon aufgrund seiner absoluten Größe nicht ohne Einfluß auf die Geschäftsführung ist (Urteile vom 12. März 1971 III R 82/69, BFHE 101, 550, BStBl II 1971, 419; vom 5. Oktober 1973 III R 8/72, BFHE 110, 567, BStBl II 1974, 77; vom 24. Januar 1975 III R 4/73, BFHE 115, 58, BStBl II 1975, 374). Diese Rechtsprechung führt zu angemessenen Ergebnissen und wird im Schrifttum weithin gebilligt (vgl. z. B. Gürsching/Stenger, Kommentar zum Vermögensteuergesetz und Bewertungsgesetz, 7. Aufl., § 11 BewG Anm. 120 f.; Rössler/Troll/Langner, Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, 12. Aufl., § 113 BewG Anm. 29; anderer Ansicht z. B. Bellstedt, StRK, Anmerkungen - Altes Recht -, Bewertungsgesetz, § 13, Rechtsspruch 29). Sie beruht auf der Erwägung, daß es hier nicht um die Einflußmöglichkeiten auf die Willensbildung des Vorstandes, sondern darum geht, welche Einwirkungsmöglichkeiten eine Beteiligung auf die Geschäfte der Hauptversammlung eröffnet. Größere Einwirkungsmöglichkeiten dieser Art gewähren Beteiligungen jedenfalls dann, wenn sie mehr als 25 % des Nennkapitals betragen. Dies gilt unabhängig davon, in welchem Umfang die Rechte der sog. Sperrminorität im Einzelfall durch die Satzung eingeschränkt sind. Denn nach den Vorschriften des Aktiengesetzes erfordert eine ganze Reihe von Beschlüssen der Hauptversammlung eine qualifizierte Mehrheit von mindestens 75 % des Grundkapitals (z. B. Beschlüsse über die Änderung des Unternehmensgegenstandes - § 179 Abs. 2 AktG -, über den Ausschluß des Bezugsrechts - § 186 Abs. 3 AktG -, über Kapitalerhöhungen gegen Einlagen in bestimmten Fällen - § 182 Abs. 1 Sätze 2 und 3 AktG -, über die Ausgabe von Vorratsaktien - § 202 Abs. 2 AktG -, über die Herabsetzung des Grundkapitals - § 222 Abs. 1 AktG -, über die Auflösung der Gesellschaft und deren etwaige spätere Fortsetzung - §§ 262 Abs. 1 Nr. 2, 274 Abs. 1 AktG -, über den Abschluß von Unternehmensverträgen und Verträgen über die Eingliederung und Verschmelzung - §§ 293 Abs. 1, 319 Abs. 2, 340 Abs. 2 AktG -). Der Senat teilt nicht die Auffassung der Revisionskläger, wonach es sich bei diesen - auch durch Satzung jedenfalls zu ungunsten der Sperrminorität nicht abdingbaren - Schutzvorschriften um eine im wesentlichen nur formale Rechtsposition handle, der keine größere wirtschaftliche Bedeutung zukomme. Die vorstehend aufgezählten Rechte sichern einem wesentlich Beteiligten jedenfalls einen Kernbestand an Mitwirkungsbzw. Verhinderungsrechten, die den Wert wesentlicher Beteiligungen - und zwar unabhängig von der Ausgestaltung des Minderheitenschutzes im Einzelfall - erhöhen. Den werterhöhenden Umstand sieht der Senat darin, daß ein Gesellschafter, der zwar nur eine Minderheit, aber mehr als 25 % der Anteile besitzt, das Zustandekommen der vorstehend genannten Beschlüsse jederzeit verhindern kann. Beteiligungen von mindestens bzw. mehr als 25 % wird im Wirtschaftsleben generell eine größere Bedeutung beigemessen als Beteiligungen von geringerer Höhe. Dies verdeutlichen auch die steuerrechtlichen Sonderregelungen für sog. wesentliche Beteiligungen z. B. in § 17 Abs. 1 EStG, § 102 BewG, § 9 KStG a. F., § 74 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977). Insbesondere wegen des sog. Schachtelprivilegs werden häufig Kapitalgesellschaften als Käufer solcher Beteiligungen auftreten, die an Beteiligungen mit geringerem Umfang nicht interessiert wären (Beschluß des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 7. Oktober 1969 2 BvL 3/66, 2 BvR 701/64, BVerfGE 27, 111, BStBl II 1970, 160).
b) Im Streitfall gebieten auch nicht die besonderen Umstände des hier vorliegenden Sachverhalts eine Bewertung der streitbefangenen Beteiligung als solche ohne Einfluß auf die Geschäftsführung. Daß, wie die Revisionskläger unter anderem geltend machen, die kapitalmäßige Beteiligung eines fremden Dritten hier völlig außerhalb der Interessenlage des Hauptgesellschafters liege, daß für die AG als Branchenführer die Aufgabe oder Änderung des Unternehmensgegenstandes sowie eine Verschmelzung mit anderen Gesellschaften als "völlig abwegig" erscheine und daher den Mitwirkungsrechten des wesentlich Beteiligten im Streitfall jegliche praktische Relevanz fehle, ist auf die Ermittlung des gemeinen Werts der Beteiligung ohne Einfluß. Insoweit handelt es sich um persönliche Verhältnisse i. S. von § 9 Abs. 2 Satz 3 BewG, die bei der Ermittlung des gemeinen Werts der Beteiligung nicht zu berücksichtigen sind.
Die Annahme einer Beteiligung ohne Einfluß ist im Streitfall auch nicht deshalb geboten, weil X (als wesentlich Beteiligtem) im wirtschaftlichen Ergebnis nur ein Mehrheitsgesellschafter gegenüberstand. Wird berücksichtigt, daß das Stuttgarter Verfahren dem Zweck dient, den gemeinen Wert von Anteilen an Kapitalgesellschaften unter Berücksichtigung von Vermögen und Ertragsaussichten der Kapitalgesellschaft (§ 11 Abs. 2 Satz 2 BewG) im Wege der Schätzung zu ermitteln und daß ein solches Verfahren zwangsläufig typisieren muß, ist es nicht zu beanstanden, daß zwischen wesentlichen Beteiligungen, die nur einem Mehrheitsgesellschafter gegenüberstehen und solchen, bei denen außer der wesentlichen Beteiligung nur Streubesitz vorhanden ist, nicht weiter unterschieden wird. Im übrigen verkennen die Revisionskläger, daß jeder wesentlich Beteiligte, der seine Interessen in der Hauptversammlung bei Beschlüssen durchsetzen will, die die einfache Mehrheit erfordern, auf eine Absprache mit anderen Aktionären angewiesen und zu eigenen Zugeständnissen gezwungen sein wird. Dies gilt unabhängig davon, ob er einem Mehrheitsgesellschafter oder lediglich Streubesitz gegenübersteht.
An dieser Beurteilung ändert auch nichts der Umstand, daß die Befugnisse der Hauptversammlung durch das Versicherungsaufsichtsrecht und durch den Genehmigungsvorbehalt des BAV erheblich eingeschränkt sind. Diese Einschränkungen von Gestaltungsrechten der Hauptversammlung treffen Mehrheitsgesellschafter und wesentlich Beteiligte in gleicher Weise.
4. Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, daß FA und FG im Streitfall für die Genußscheine einen besonderen Wert nicht festgestellt und das Vorhandensein der Genußscheine auch bei der Bewertung der Aktien nicht weiter berücksichtigt haben. Weder die Revisionskläger noch die Beigeladenen haben dargelegt, daß sie selbst den Genußscheinen im Feststellungszeitpunkt einen selbständigen Wert beigemessen hätten. Nach den Feststellungen des FG wurden die Genußscheine bei der Gewinnverteilung nicht bedient. Die Beteiligten haben die Genußscheine bisher auch nicht veräußert, so daß sich die Genußrechte - entsprechend dem Verhältnis der Beteiligten - weiterhin im Besitz der Aktionäre befinden. In der Erklärung zu der einheitlichen und gesonderten Feststellung des gemeinen Werts der Aktien hat die AG die Genußscheine nicht als selbständige Wirtschaftsgüter erwähnt. Hiergegen haben die Beteiligten weder im Einspruchs- noch im Klageverfahren Einwendungen erhoben. Nach allem handelt es sich bei der Ausgabe der Genußscheine im Streitfall um eine lediglich in die Zukunft gerichtete Maßnahme der Gewinnverwendung und der Verteilung eines etwaigen Liquidationsgewinns, die sich am Stichtag vermögensmäßig und vermögensteuerrechtlich noch nicht ausgewirkt hat. Daher erscheint es nicht geboten, vom Vermögen oder Ertrag der AG einen Teil auf die Genußscheine abzuspalten und für diese einen besonderen Wert festzustellen.
Fundstellen
Haufe-Index 74099 |
BStBl II 1982, 8 |
BFHE 1981, 167 |