Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Beteiligtenfähigkeit einer vollbeendeten GdbR
Leitsatz (NV)
1. Die Auslegung einer Rechtsbehelfsschrift darf nicht zur Annahme eines Erklärungsinhalts führen, für den sich in der Erklärung selbst keine Anhaltspunkte mehr finden lassen.
2. Eine Innengesellschaft ohne Gesamthandsvermögen ist mit ihrer Auflösung zugleich vollbeendet.
Normenkette
AO 1977 § 357; FGO § 46 Abs. 1, § 67
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Gebrüder X.-KG (KG) war mit zwei weiteren Gesellschaftern an der S-GmbH beteiligt. Mit Vertrag vom 31. Dezember 1970 schlossen sich die drei Gesellschafter zu dem Zweck einer einheitlichen Willensbildung gegenüber der S-GmbH zu der S-GdbR, der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin) zusammen. In einem weiteren Vertrag vom gleichen Tag wurde vereinbart, daß die S-GmbH ihre Geschäftsergebnisse an die Klägerin abführt.
Alleiniger Gesellschafter im steuerrechtlichen Sinn der KG und der Gebrüder X-Bank OHG (X-OHG) war die X-KG. Die X-OHG gewährte der S-GmbH im Streitjahr 1973 ein Darlehen von . . . DM. Infolge der einheitlichen Betrachtung der Firmengruppe X wurden das Darlehen und die hierfür gezahlten Zinsen im Einheitswert des Betriebsvermögens und in der Gewinnfeststellung der X-KG erfaßt.
Jeweils mit Vertrag vom 29. Dezember 1978 traten die drei Gesellschafter der Klägerin ihre Anteile an der S-GmbH an die X-KG ab. Diese hat die erworbenen GmbH-Anteile mit Vertrag vom 16. Dezember 1981 an die KG abgetreten.
Nachdem der vorläufige Gewerbesteuermeßbescheid 1973 der Klägerin gemäß der Gewerbesteuererklärung vom 13. August 1974 ergangen war, erließ der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) jeweils am 8. November 1979 die Anordung einer Betriebsprüfung u. a. für die Gewerbesteuer des Streitjahres 1973 gegen die Klägerin und gegen die S-GmbH. Bei der S-GmbH begann die Betriebsprüfung am 9. November 1979. Bei der Klägerin fand sie am 8. Februar 1980 statt. Nachdem das FA dem Einspruch gegen den aufgrund der Betriebsprüfung geänderten Gewerbesteuermeßbescheid 1973 aus formellen Gründen stattgegeben hatte, gab es den geänderten Gewerbesteuermeßbescheid 1973 der KG mit Bescheid vom 2. Juni 1982 und den beiden anderen Gesellschaftern der Klägerin mit Bescheiden vom 7. Juli 1982 und vom 10. Oktober 1982 bekannt. In diesen drei Gewerbesteuermeßbescheiden war die Klägerin als Steuerschuldnerin benannt. Der Einspruch der KG vom 1. Juli 1982, zu dem die beiden anderen Gesellschafter der Klägerin hinzugezogen wurden, blieb erfolglos. Die Einspruchsentscheidung wurde der KG am 24. August 1983 zugestellt. Mit der Klage verfolgte die KG ihr Begehren, die Hinzurechnung der Dauerschuldzinsen zum Gewerbeertrag und der Dauerschuldzinsen zum Gewerbekapital der Klägerin rückgängig zu machen, weiter. In der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht (FG) am 8. März 1985 erklärte der Prozeßbevollmächtigte der KG, daß er die Klage auch im Namen der Klägerin erhebe. Das FG gab der Klage der Klägerin gegen den Gewerbesteuermeßbescheid für das Streitjahr 1973 statt, weil der Steueranspruch insoweit verjährt sei. Die Klage gegen die Gewerbesteuermeßbescheide 1974 bis 1976 wies es als unbegründet ab. Die Klage der KG sei wegen fehlender Klagebefugnis unzulässig.
Mit seiner Revision gegen das zugunsten der Klägerin ergangene Urteil für das Streitjahr 1973 rügt das FA die Verletzung des § 146 a Abs. 3 der Reichsabgabenordnung (AO) und des rechtlichen Gehörs.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung, soweit sie gegen die Klägerin ergangen ist, und zur Klageabweisung (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
1. Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß innerhalb der Klagefrist nur die KG Klage erhoben hat. In der Klageschrift vom 20. September 1983 ist allein die KG als Klägerin bezeichnet. Die Klageschrift ist von den Geschäftsführern der KG unterzeichnet. Die angefochtene Einspruchsentscheidung ist allein gegen die KG ergangen. Anhaltspunkte dafür, daß die Klage entgegen ihrem klaren Wortlaut nicht für die KG, sondern für die Klägerin erhoben werden sollte, sind nicht ersichtlich (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 1. April 1981 II R 38/79, BFHE 133, 151, BStBl II 1981, 532, und vom 12. Mai 1989 III R 132/85, BFHE 157, 296, BStBl II 1989, 846). Die Klage kann deshalb nicht in der Weise ausgelegt werden, daß das Rechtsschutzgesuch für die Klägerin gestellt werden sollte.
Der Senat kann nicht prüfen, ob das FG die Klage der KG zu Recht als unzulässig abgewiesen hat. Die KG hat gegen das klageabweisende Urteil des FG nicht Revision eingelegt; das Urteil ist insoweit rechtskräftig.
2. Die Klägerin ist auf Veranlassung des FG in den Prozeß der KG eingetreten. Der Senat läßt offen, ob in dem Hinzutreten eines weiteren Beteiligten eine Klageänderung i. S. des § 67 FGO zu sehen ist. In jedem Fall hätte das FG die Klage der Klägerin als unzulässig abweisen müssen. Eine den Beteiligten wechselnde Klageänderung ist bei fristgebundenen Klagen nur innerhalb der Klagefrist zulässig (BFH-Urteil vom 26. Februar 1980 VII R 60/78, BFHE 130, 12, BStBl II 1980, 331; Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl. § 67 Rz. 10 f.). Die Klagefrist gegen die der KG am 24. August 1983 zugestellte Einspruchsentscheidung war im Zeitpunkt der Klageerhebung durch die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem FG am 8. März 1985 bereits abgelaufen.
Entgegen der Ansicht des FG ist die von der Klägerin erhobene Klage auch nicht als Untätigkeitsklage i. S. des § 46 Abs. 1 FGO zulässig. Eine solche Klage ist statthaft, wenn die beklagte Behörde über einen außergerichtlichen Rechtsbehelf innerhalb angemessener Frist nicht sachlich entschieden hat. Diese Voraussetzung ist im Streitfall nicht erfüllt. Die Klägerin hat nicht selbst Einspruch gegen den geänderten Gewerbesteuermeßbescheid 1973 eingelegt. Einspruch gegen diesen Bescheid hat vielmehr die X-KG ,,namens und im Auftrag unserer Tochterfirma Gebrüder X-KG" eingelegt. Aus dem Einspruchsschreiben vom 1. Juli 1982 ergeben sich keine Hinweise darauf, daß das Rechtsschutzgesuch von der KG als Vertreterin der Klägerin gestellt werden sollte. Diese ist im Einspruchsschreiben nur als Adressatin des angefochtenen Bescheids erwähnt. Eine Rechtsbehelfsschrift ist allerdings nicht nur nach ihrem Wortlaut auszulegen. Auch bei scheinbar eindeutiger Bezeichnung hängt die Bestimmung des Rechtsbehelfsführers im gerichtlichen und im außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren von allen dem Empfänger der Rechtsbehelfsschrift bekannten oder vernüftigerweise erkennbaren Umständen tatsächlicher und rechtlicher Art ab (BFH-Urteil vom 10. Mai 1989 II R 196/85, BFHE 157, 217, BStBl II 1989, 822; Beschluß vom 25. September 1985 IV R 180/83, BFH/NV 1986, 171). Die Auslegung darf jedoch nicht zur Annahme eines Erklärungsinhalts führen, für den sich in der Erklärung selbst keine Anhaltspunkte mehr finden lassen (BFH-Urteil in BFHE 157, 217, BStBl II 1989, 822). Nach diesen Grundsätzen ist im Streitfall davon auszugehen, daß nur die KG Einspruch eingelegt hat. Denn die Klägerin war im Zeitpunkt der Bekanntgabe des geänderten Gewerbesteuermeßbescheids 1973 bereits voll beendet.
Die Klägerin ist durch den Wegfall ihres Gesellschaftszwecks aufgrund der Vereinbarungen vom 29. Dezember 1978 zum Jahresende 1978 aufgelöst worden. Da es sich bei ihr um eine reine Innengesellschaft ohne Gesamthandsvermögen handelte (L. Schmidt, Steuer und Wirtschaft 1970, Spalten 429, 456), war sie mit der Auflösung zugleich voll beendet (BFH-Urteil vom 26. Oktober 1989 IV R 23/89, BFHE 159, 15, BStBl II 1990, 333; Beschlüsse vom 24. November 1988 VIII B 90/87, BFHE 155, 32, BStBl II 1989, 145; vom 10. Oktober 1985 IV B 30/85, BFHE 144, 395, BStBl II 1986, 68 m. w. N.). Die zum Jahresende 1978 eingetretene Vollbeendigung der Klägerin war auch dem FA bekannt (vgl. Aktenvermerk des FA vom 19. Mai 1982 und Aufhebungsbescheid vom 2. Juni 1982). Nach ihrer Vollbeendigung konnte die Klägerin nicht mehr Beteiligte eines Rechtsbehelfsverfahrens sein (BFH-Urteil vom 17. Juli 1986 V R 37/77, BFH/NV 1987, 111; BFH-Beschluß in BFH/NV 1986, 171). Einspruch gegen den geänderten Gewerbesteuermeßbescheid konnten nur die früheren Gesellschafter der Klägerin einlegen. Schon aus diesem Grund ist es nicht möglich, den Einspruch vom 1. Juli 1982 entgegen seinem Wortlaut als Rechtsschutzgesuch der Klägerin aufzufassen.
Da der Klageantrag der Klägerin weder unter dem Gesichtpunkt einer Klageänderung noch als neue Klage nach § 46 FGO zulässig ist, hätte das FG kein Sachurteil gegen sie erlassen dürfen. Das Fehlen einer Sachentscheidungsvoraussetzung des finanzgerichtlichen Verfahrens hat das Revisionsgericht auch ohne Verfahrensrüge von Amts wegen zu beachten (st. Rspr., vgl. z. B. Urteil des Senats vom 22. November 1988 VIII R 90/84, BFHE 155, 250, BStBl II 1989, 326 m. w. N.).
Fundstellen
Haufe-Index 417372 |
BFH/NV 1991, 429 |