Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Rücklagen zur Bestreitung zukünftiger Ausgaben genießen nicht die Steuervergünstigung des § 33 EStG 1951.
Normenkette
EStG § 33
Tatbestand
Der Steuerpflichtige (Stpfl.) war an Tuberkulose erkrankt. Nach der letzten ärztlichen Bescheinigung vom November 1948 beträgt seine Erwerbsminderung 30 %. Er war im Veranlagungszeitraum 1951 45 Jahre alt. Nach seiner Einlassung büßte er in B. seine gesamte Habe und seinen beruflichen Wirkungskreis ein. Er hat sich in S. eine neue Existenz als Rechtsanwalt geschaffen.
Er begehrt für eine Rücklage von 4.000 DM die Steuervergünstigung des § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Zur Begründung führt er folgendes aus:
Er sei als Angehöriger eines freien Berufs seiner Familie gegenüber rechtlich und moralisch verpflichtet, für den Fall eines vorzeitigen Todes oder einer Arbeitsunfähigkeit vorzusorgen. Auf Grund seines Gesundheitszustands könne seine Familie verlangen, daß er einen Teil seines Einkommens zu dieser Vorsorge verwende. Charakteristisch für seine Lage sei, daß er sich nicht versichern lassen könne, weil jede Versicherungsgesellschaft dies mit Rücksicht auf seinen Gesundheitszustand ablehne. Das Gebot der steuerlichen Gleichmäßigkeit und der sozialen Gerechtigkeit verlange, daß im Fall der Unmöglichkeit des Abschlusses eines Versicherungsvertrags ein Ausgleich gewährt werde. Dieser könne nur darin bestehen, daß ihm die Bildung von Rücklagen für sein Alter, für den Fall seiner Erkrankung, Arbeitsunfähigkeit usw. ermöglicht werde. Bei einem Einkommen von etwa 17.000 DM jährlich müsse er mindestens 4.000 DM zum Ausgleich des Risikos zurücklegen, gegen das er sich nicht versichern könne. Im Rahmen von steuerbegünstigten Kapitalansammlungsverträgen könne er das Risiko auch nicht annähernd ausgleichen, weil er die normale Freigrenze von 1.600 DM bereits anderweitig beansprucht habe und der darüber hinausgehende Aufwand nur zur Hälfte abzugsfähig sei. Die Notwendigkeit aus dem Einkommen von 17.000 DM 4.000 DM zurückzulegen, beeinträchtige als außergewöhnliche Belastung seine steuerliche Leistungsfähigkeit beträchtlich.
Das Finanzamt hat den Antrag des Stpfl. mit der Begründung abgelehnt, daß die Steuervergünstigung des § 33 EStG nur für solche Aufwendungen gewährt werden könne, die bereits entstanden seien. Es hat auch darauf hingewiesen, daß der Stpfl. im Jahre 1951 insgesamt rund 2.500 DM für Versicherungsbeiträge aufgewendet und sich dadurch einen gewissen Versicherungsschutz geschaffen habe.
Die Sprungberufung blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht ist der Rechtsauffassung des Finanzamts beigetreten. Darüber hinaus hat es noch folgendes ausgeführt: Der von dem Beschwerdeführer (BF.) vorgeschlagene Ausweg, auf ein besonderes Sperrkonto bei einem Kreditinstitut den Betrag von 4.000 DM steuerbegünstigt einzuzahlen, über welchen nur mit Genehmigung des Finanzamts im Falle der Erkrankung, der Erwerbslosigkeit oder des Todes verfügt werden könne, sei nicht gangbar. Der Bf. verkenne hierbei, daß Ermäßigungen nach § 33 EStG nur für bereits erwachsene Aufwendungen berücksichtigt werden können, nicht jedoch für Rücklagen wegen künftig möglicher Krankheitsfälle.
In der Rechtsbeschwerde (Rb.) hat der Stpfl. im wesentlichen sein bisheriges Vorbringen wiederholt. Er hat weiterhin darauf hingewiesen, daß ein Versicherungsschutz die Versicherungssumme sofort bereit stelle, während dieselbe Summe durch Kapitalbildung nur in jahrzehntelanger Ansammlung erreicht werden könne. Er müsse sich daher bis aufs äußerste anstrengen, um durch Rücklagenbildung den Versicherungsschutz zu ersetzen. Der Stpfl. hat schließlich noch eingehende Ausführungen über das rechtliche Verhältnis des § 33 EStG zu § 10 EStG gemacht.
Entscheidungsgründe
Der Rb. muß der Erfolg versagt werden.
Nach § 33 EStG werden bei der Veranlagung auf Antrag außergewöhnliche Belastungen, die dem Stpfl. zwangsläufig erwachsen und seine steuerliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen, durch Ermäßigung der Einkommensteuer berücksichtigt. Aus Absatz 2 a. a. O. geht hervor, daß die Belastungen in "Aufwendungen" bestehen müssen. Hierauf fußend hat der Bundesfinanzhof in ständiger Rechtsprechung (siehe insbesondere die in der Sammlung der Entscheidungen und Gutachten des Bundesfinanzhofs im Bd. 56 auf den Seiten 476 und 773 veröffentlichten Urteile) ausgesprochen, daß eine Belastung außergewöhnlich ist, wenn einem Stpfl. größere Aufwendungen als der Mehrzahl der Stpfl. gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes entstehen. Unter Aufwendungen in diesem Sinn sind Ausgaben zu verstehen. Es muß sich um bare Ausgaben oder um Sachleistungen handeln, die zu einer außergewöhnlichen Belastung des Stpfl. geführt haben.
Die vom Stpfl. vorgenommene Rücklage stellt eine Ansammlung von Beträgen zur Bestreitung zukünftiger Ausgaben dar. Eine Belastung liegt somit noch nicht vor. Sie kann erst im Zeitpunkt der späteren Verausgabung eintreten. Der Senat verkennt nicht die besonderen Umstände des Falles, die es dem Stpfl. unmöglich machen, eine Versicherung abzuschließen. Der Senat sieht sich jedoch außerstande, bei der gegenwärtigen Rechtslage dem Begehrten des Stpfl. auf Gewährung der Steuervergünstigung des § 33 EStG zu entsprechen.
Da es an einer wesentlichen Voraussetzung für die Anwendung des § 33 EStG fehlt, bedarf es nicht der Prüfung der Frage, in welchem Verhältnis § 33 EStG zu § 10 EStG steht.
Die mündliche Verhandlung bot dem erkennenden Senat keine Möglichkeit, von der im Bescheid vom 11. März 1954 vertretenen Rechtsauffassung abzugehen.
Wie bereits in dem Bescheid ausgeführt wurde, setzt die Vorschrift des § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG) voraus, daß dem Steuerpflichtigen größere Aufwendungen als der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes entstehen. Die Ansammlung von Beträgen zur Bestreitung zukünftiger Ausgaben sind keine Aufwendungen im Sinne des § 33 EStG. Es fehlt somit an einer gesetzlichen Voraussetzung zur Gewährung der von dem Steuerpflichtigen beantragten Steuervergünstigung. Sein Verlangen läuft auf eine Erhöhung der gesetzlich begrenzten Freibeträge hinaus. Ihm kann daher nicht stattgegeben werden.
Der Beschwerdeführer hat im Jahre 1951 für Kranken-, Angestellten-, Lebens- und sonstige Versicherungen zugunsten von ihm selbst und seiner Familie insgesamt rund 2.500 DM aufgewendet. Wenn das Bestehen dieser Versicherungen bei der gegebenen Rechtslage für die Entscheidung auch ohne Belang ist, so kann doch immerhin festgestellt werden, daß ein - wenn auch bescheidener - Versicherungsschutz vorhanden ist.
Nach alledem mußte die Rechtsbeschwerde als unbegründet zurückgewiesen werden.
Fundstellen
Haufe-Index 408081 |
BStBl III 1955, 43 |
BFHE 1955, 111 |
BFHE 60, 109 |