Leitsatz (amtlich)
1. Schriftmetalle einer Druckerei gehören zum Umlaufvermögen (Rohstoffe).
2. Zur Behandlung von Druck- und Prägeformen einer Druckerei.
3. Die Anschaffungs- und Herstellungskosten kurzlebiger Wirtschaftsgüter sind auch dann sogleich in voller Höhe als Betriebsausgaben abziehbar, wenn aus diesen Wirtschaftsgütern nach Gebrauch Rohstoffe in erheblichem Umfang wiedergewonnen werden.
Orientierungssatz
1. Die Beurteilung dessen, was abnutzbare körperliche Wirtschaftsgüter und Anlagevermögen i.S. des § 30 Abs. 2 UStG 1967 sind, richtet sich nach den Vorschriften des Einkommensteuerrechts (vgl. BFH-Rechtsprechung).
2. Zum Umlaufvermögen gehören die Wirtschaftsgüter, die in einem einmaligen Akt veräußert oder verbraucht werden sollen (vgl. BFH-Urteil vom 13.1.1972 V R 47/71).
Normenkette
AktG § 151 Abs. 1 Fassung: 1965-09-06, § 152 Abs. 1 Fassung: 1965-09-06; EStG § 7 Abs. 1; HGB § 240 Abs. 3, § 247 Abs. 2, § 255 Abs. 2; UStG 1967 § 30 Abs. 2; HGB § 266 Abs. 2
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH, betreibt eine Druckerei. Sie druckt u.a. Zeitschriften für Verlage.
Die Klägerin verwendete im Streitzeitraum 1968 bis 1970 sog. Schriftmetalle, die zur Herstellung von Setzteilen (Druck- und Prägeformen) für Zeitschriften benötigt wurden. Die Schriftmetalle waren eine Legierung von Blei, Antimon und Zinn. Sie wurden in Barren (sog. Bleibarren) erworben, deren Anschaffungskosten weniger als 800 DM betrugen (Anschaffungskosten insgesamt 1968 = 59 187,91 DM, 1969 = 101 738,21 DM, 1970 = 78 603,47 DM). Die Bleibarren wurden zusammen mit schon gebrauchten Schriftmetallen (Altschriftmetalle) verschmolzen und zu Druck- und Prägeformen gegossen. Die Druck- und Prägeformen wurden jeweils nur für die Herstellung einer Zeitschriftenausgabe benutzt; nach Angaben der Klägerin nutzten sie sich wegen der hohen Auflage stark ab. Sie wurden anschließend wieder eingeschmolzen und zu neuen Druck- und Prägeformen vergossen. Die ständigen Umschmelzungen hatten zur Folge, daß sich einige Metalle innerhalb der Legierung schneller verbrauchten und beim Umschmelzen zugegeben werden mußten. Die Klägerin hatte die Schriftmetalle in einem Festwert bilanziert.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) unterwarf nach einer Betriebsprüfung die Anschaffungen von Schriftmetallen der Selbstverbrauchsteuer gemäß § 30 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1967. Der Einspruch blieb im Streitpunkt erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage im Streitpunkt statt. Es führte aus: Es könne dahingestellt bleiben, ob die einzelnen Bleibarren geringwertige Wirtschaftsgüter gemäß § 6 Abs.2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) seien. Ihre Zuführungen seien jedenfalls Ergänzungsinvestitionen, die nicht steuerbar seien. Die Bleibarren seien mit den Altschriftmetallen so verbunden worden, daß ihre gesonderte Erfassung nicht mehr möglich sei. Jeder eingeschmolzene Barren sei in dem Wirtschaftsgut "gebrauchtes Altmetall" aufgegangen.
Das FA rügt mit der Revision die Verletzung des § 30 UStG 1967: Eine Sofortabschreibung gemäß § 6 Abs.2 EStG entfalle, da die Bleibarren außerhalb des Bestands an Schriftmetallen nicht selbstständig nutzungsfähig seien. Die zugekauften Metalle seien allerdings selbständig bewertungsfähig. "Jedes Kilo Setzmetall" habe einen Wert. Eine Ergänzungsinvestition komme nicht in Betracht, weil sich das Wirtschaftsgut "zugekaufte Menge" mit dem Wirtschaftsgut "vorhandene Menge" nicht etwa --wie bei Gebäudebestandteilen-- zu einem einheitlichen Wirtschaftsgut verbinde.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben, soweit sie die Umsatzsteuer um 4 735,01 DM (1968), 7 121,68 DM (1969) und 4 716,21 DM (1970) herabgesetzt hat.
Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Sie entgegnet: Das FA übersehe, daß die Bleibarren Rohstoffe seien. Aber auch die Druck- und Prägeformen seien Umlaufvermögen, weil sie nur für einen einzigen Auftrag (eine Zeitschriftenausgabe) verwendet würden (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 28.Februar 1961 I 195/60 U, BFHE 73, 322, BStBl III 1961, 384). Sie habe die Schriftmetalle auch zunächst als Umlaufvermögen ausgewiesen und sie erst in Anpassung an eine 1967 durchgeführte Betriebsprüfung in das Anlagevermögen eingegliedert.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
1. Das FG hat im Ergebnis zu Recht eine Selbstverbrauchsteuerpflicht verneint. Ein Selbstverbrauch liegt vor, wenn ein Unternehmer körperliche Wirtschaftsgüter, die der Abnutzung unterliegen und deren Anschaffungs- oder Herstellungskosten nach den einkommensteuerrechtlichen Vorschriften im Jahr der Anschaffung oder Herstellung nicht in voller Höhe als Betriebsausgaben abgesetzt werden können, im Inland der Verwendung oder Nutzung als Anlagevermögen zuführt (§ 30 Abs.2 Satz 1 UStG 1967). Die Beurteilung dessen, was abnutzbare körperliche Wirtschaftsgüter und Anlagevermögen sind, richtet sich nach den Vorschriften des Einkommensteuerrechts (BFH-Urteile vom 5.Dezember 1974 V R 30/74, BFHE 114, 295, BStBl II 1975, 344; vom 13.Januar 1972 V R 47/71, BFHE 106, 142, BStBl II 1972, 744).
Das FG ist zu Unrecht davon ausgegangen, daß die Bleibarren und die Altschriftmetalle Anlagevermögen waren. Die Bleibarren wurden vielmehr mit ihrem Erwerb, die Altschriftmetalle mit ihrer Gewinnung dem Umlaufvermögen zugeführt. Eine Selbstverbrauchsteuerpflicht entfällt schon aus diesem Grunde. Unentschieden bleiben kann, ob auch die Druck- und Prägeformen mit ihrer Herstellung dem Umlaufvermögen zugeführt wurden. Sollten sie dem Anlagevermögen zuzurechnen sein, entfällt eine Selbstverbrauchsteuerpflicht, weil die Herstellungskosten der Formen nach einkommensteuerrechtlichen Vorschriften sogleich in voller Höhe als Betriebsausgaben abgesetzt werden konnten. Der Senat folgt weitgehend den Ausführungen von Kaufhold (Die Selbstverbrauchsteuer für Metallbestände und Druckformen im graphischen Gewerbe, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 1974, 49).
2. Schriftmetalle außerhalb von Druck- und Prägeformen sind Umlaufvermögen, gleichviel, ob sie als erworbene Bleibarren noch unverarbeitet vorrätig sind oder als Altschriftmetalle aus benutzten Druck- und Prägeformen gewonnen worden sind oder als Schmelzen von Bleibarren mit Altschriftmetallen vorhanden sind. Zum Umlaufvermögen gehören die Wirtschaftsgüter, die in einem einmaligen Akt veräußert oder verbraucht werden sollen (BFHE 106, 142, BStBl II 1972, 744; Umkehrschluß aus § 152 Abs.1 des Aktiengesetzes --AktG-- 1965, § 247 Abs.2 des Handelsgesetzbuches --HGB-- i.d.F. des Bilanzrichtlinien-Gesetzes --BiRiLiG--). Die Schriftmetalle sind in jedwedem Zustand dazu bestimmt, für die Herstellung von Druck- und Prägeformen verwandt zu werden. Innerhalb des Umlaufvermögens gehören sie zu dem Vorratsvermögen und hier zu den Rohstoffen (§ 151 Abs.1 Aktivseite III A 1 AktG 1965, § 266 Abs.2 B I 1 HGB). Rohstoffe sind sie deswegen, weil sie den Hauptstoff für die Herstellung der Druck- und Prägeformen abgeben.
Unerheblich ist, daß die Schriftmetalle nicht nur erworben wurden (Bleibarren), sondern größtenteils im Betrieb aus Druck- und Prägeformen wiedergewonnen und in Schmelzprozessen --ggf. unter Zugabe ausgefallener Legierungsmetalle-- wieder in einen für die Prägung brauchbaren Zustand gebracht wurden. Handelsrechtlich wird ein Ausweis selbst gewonnener Rohstoffe unter den (erworbenen) Rohstoffen zumindest für zulässig gehalten (Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Aktiengesellschaft, 4.Aufl., 1968, § 157 Anm.61; Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, Aktiengesetz, 1973, § 157 Anm.51; Budde/Förschle in Beck'scher Bilanzkommentar, 1986, § 275 HGB Anm.78). Gleiches muß für Rohstoffe gelten, die wiedergewonnen und durch Bearbeitungsmaßnahmen (hier unter Zugabe ausgefallener Legierungsbestandteile) auf den Qualitätsstand erworbener Rohstoffe gebracht werden. Derartige Bearbeitungsmaßnahmen liegen noch außerhalb des Herstellungsvorgangs der Druck- und Prägeformen.
Das Handelsrecht macht den Ausweis als Rohstoffe nicht nur davon abhängig, daß diese als Hauptstoffe in herzustellende Vermögensgegenstände eingehen; es wird darüber hinaus verlangt, daß die herzustellenden Vermögensgegenstände Fertigerzeugnisse sein sollen (Adler/Düring/Schmaltz, a.a.O., § 151 Anm.118; Fülling, Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung für Vorräte, 1976, S.37, 39; Sarx in Beck'scher Bilanzkommentar, § 247 HGB Anm.117; einschränkend Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, a.a.O., § 151 Anm.46). Steuerrechtlich ist diese Begriffsbestimmung übernommen worden (u.a. Schreiben des Bundesministers der Finanzen --BMF-- vom 25.März 1976 Tz.24, BStBl I 1976, 246 zur Wertschöpfungsregelung nach dem Berlinförderungsgesetz --BerlinFG--). Hiervon ausgehend, könnten die Schriftmetalle nicht als Rohstoffe angesehen werden, sofern die Druck- und Prägeformen, deren Herstellung sie dienen sollen, dem Anlagevermögen zuzurechnen sein sollten (dazu unten 3.). Eine Beschränkung des Rohstoffbegriffs auf Hauptstoffe für die Produktion von Fertigerzeugnissen ist indessen weder im Gesetz gefordert noch sachlich geboten. Auch bereits auf Lager befindliche und für die Herstellung von Sachanlagegütern vorgesehene Hauptstoffe sind Rohstoffe, solange sie noch auf "Vorrat" liegen, weil sie noch nicht in den Herstellungsprozeß der Sachanlage eingegangen sind. Eine andere Frage ist, ob eine derartige Erhöhung des Rohstoffbestands in der Gewinn- und Verlustrechnung im Rahmen des Rohertrags (§ 157 Abs.1 Nr.5 AktG 1965, § 275 Abs.2 Nr.5 a HGB) oder an sonstiger Stelle auszuweisen ist.
3. Die von den Schriftmetallen (Rohstoffe) zu unterscheidenden Druck- und Prägeformen sind, wie Kaufhold (a.a.O., S.49 f.) zu Recht anführt, mit Gieß-, Spritz- oder anderen Formen vergleichbar, die in der Industrie einmalig oder wiederholt zur Ausführung von Kundenaufträgen eingesetzt werden. Es macht keinen Unterschied aus, in welcher Weise die Formen eingesetzt werden, sei es zum Ausgießen oder zum Stanzen der in Auftrag gegebenen Produkte, sei es wie hier zum Drucken der von den Verlagen bestellten Zeitschriften.
Die Druck- und Prägeformen wurden auf Kosten der Klägerin hergestellt und blieben in ihrem Eigentum. Derartige Formen sind im allgemeinen als Anlagevermögen zu aktivieren (BFH-Urteile in BFHE 73, 322, BStBl III 1961, 384; vom 8.Oktober 1970 IV R 125/69, BFHE 100, 249, BStBl II 1971, 51; vom 28.Oktober 1977 III R 72/75, BFHE 123, 538, BStBl II 1978, 115). In dem letztgenannten Urteil des BFH wird die Auffassung vertreten, daß Formen, die sich bei der Durchführung eines Auftrags in verhältnismäßig kurzer Zeit verbrauchen, "ähnlich wie Betriebsstoffe" dem Umlaufvermögen zuzurechnen seien (BFHE 123, 538, 540, BStBl II 1978, 115; ähnlich bereits BFHE 73, 322, 324, BStBl III 1961, 384; ebenso Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 6 EStG Anm.265 Stichwort "Formen und Modelle"; für Druck- und Prägeformen Kaufhold, a.a.O., S.51; a.A. Bp-Kartei Nordrhein-Westfalen Teil III Druckereien, V B 6). Der Senat kann diese Frage offenlassen.
Eine Selbstverbrauchsteuer wäre selbst dann nicht angefallen, wenn die Formen Anlagevermögen waren. In diesem Fall waren sie Wirtschaftsgüter, deren Herstellungskosten nach einkommensteuerrechtlichen Vorschriften im Jahr der Herstellung in voller Höhe als Betriebsausgaben abgesetzt werden konnten. Die Formen waren nach dem Ausdruck einer Zeitschriftenausgabe wirtschaftlich und auch technisch verbraucht. Dies hat das FG unangefochten aufgrund der Aussage des Geschäftsführers der Klägerin in dem Erörterungstermin festgestellt. Danach wurden die Druck- und Prägeformen "praktisch täglich" wieder eingeschmolzen, weil die hohen Auflagen "auch eine enorme Abnutzung" mit sich gebracht hatten. Hieraus läßt sich schließen, daß die Formen, falls sie Anlagevermögen waren, unter den Gegebenheiten des Streitfalls Wirtschaftsgüter waren, deren Verwendung oder Nutzung sich erfahrungsgemäß auf einen Zeitraum von weniger als einem Jahr erstreckte (kurzlebige Wirtschaftsgüter). Eine Verteilung der Herstellungskosten auf die Gesamtdauer der Verwendung oder Nutzung entfällt gemäß § 7 Abs.1 EStG. Die Herstellungskosten können vielmehr im Jahr der Herstellung in voller Höhe als Betriebsausgaben (§ 4 Abs.4 EStG) abgesetzt werden. Eine Selbstverbrauchsteuerpflicht kommt nicht in Betracht (BFH-Urteile vom 22.März 1973 V R 63/72, BFHE 109, 87, BStBl II 1973, 604; vom 2.Oktober 1975 V R 158/74, BFHE 117, 115, 119, BStBl II 1976, 58).
Die einzelne Druck- und Prägeform enthält allerdings einen erheblichen Anteil an Schriftmetallen, der wiedergewonnen wird und durch den Druckvorgang nur einen geringen Schwund erleidet. Sollte nicht auch dieser Wert (Schrottwert) als Betriebsausgabe abgesetzt werden können, würde § 30 Abs.2 UStG 1967 eingreifen, weil nur eine volle Absetzbarkeit der Herstellungskosten der Selbstverbrauchsteuerpflicht entgegensteht. Bei kurzlebigen Wirtschaftsgütern ist indessen schon nach dem Wortlaut des § 7 Abs.1 EStG ein Schrottwert nicht zu berücksichtigen, weil bei ihnen von vornherein keine Verteilung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten auf die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer vorgesehen ist. Erst bei einer Verteilung kann sich die Frage stellen, ob der am Ende der betrieblichen Verwendung oder Nutzung noch vorhandene Wert das Volumen der Absetzung für Abnutzung (AfA) mindert. Davon abgesehen, ist ein Schrottwert nach dem Beschluß des Großen Senats vom 7.Dezember 1967 GrS 1/67 (BFHE 91, 93, BStBl II 1968, 268) im Rahmen des § 7 EStG nur ausnahmsweise anzusetzen, z.B. bei Gegenständen von großem Gewicht und aus wertvollem Material, z.B. bei Schiffen. Die Druck- und Prägeformen sind keine derartigen Wirtschaftsgüter.
4. Der Klägerin kann nicht entgegengehalten werden, daß sie die Schriftmetalle als Anlagevermögen behandelte. Eine Bindung war dadurch nicht eingetreten. Die Festwertbildung hat in diesem Zusammenhang keine Bedeutung. Auch für Rohstoffe kann ein Festwert angesetzt werden (§ 40 Abs.4 Nr.2 HGB a.F., § 240 Abs.3 HGB i.d.F. des BiRiLiG). Die Druck- und Prägeformen hätten allerdings nicht in den Festwert einbezogen werden dürfen, gleichviel, ob sie Anlage- oder Umlaufvermögen waren.
Fundstellen
BStBl II 1988, 502 |
BFHE 152, 108 |
BFHE 1988, 108 |
WPg 1988, 430-430 |
DVRdsch 1988, 191 (L) |