Leitsatz (amtlich)
Ein Damnum, das ein Darlehensschuldner vor Auszahlung eines zum Erwerb einer zu vermietenden Eigentumswohnung aufgenommenen Darlehens zahlt, ist im Veranlagungszeitraum seiner Leistung als Werbungskosten abziehbar, es sei denn, daß die Vorausleistung des Damnums von keinen sinnvollen wirtschaftlichen Erwägungen getragen wird.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 S. 1, § 11 Abs. 2 S. 1, § 21 Abs. 1 Nr. 1; AO 1977 § 42
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die zur Einkommensteuer zusammenveranlagt werden.
Mit notariellem Vertrag vom 23.Dezember 1980 erwarben die Kläger für 240 500 DM eine Eigentumswohnung, die ab Bezugsfertigkeit am 1.Oktober 1981 vermietet wurde.
Zur Finanzierung des Kaufpreises gewährte eine Spar- und Darlehenskasse (Sparda) ein Darlehen von 240 000 DM und einen Überziehungskredit von 30 000 DM. Der zugrunde liegende Darlehensvertrag wurde im Jahre 1980 abgeschlossen. Laut Auszug zum entsprechenden Darlehenskonto vom 29.Dezember 1980 wurden die Kläger mit einem Damnum in Höhe von 22 800 DM belastet. Die Darlehensvaluta abzüglich des Damnumsbetrags wurde erst im Laufe des Jahres 1981 ausgezahlt.
Die Kläger machten die Aufwendungen für das Damnum in ihrer Einkommensteuererklärung für 1980 als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) vertrat im Anschluß an eine Außenprüfung die Auffassung, das Damnum sei erst im Jahre 1981 bei Auszahlung der Darlehenssumme gemäß § 11 Abs.2 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) abgeflossen.
Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) führte aus: Allein durch die Buchung des Damnums auf dem Darlehenskonto --ohne gleichzeitige Auszahlung der Darlehensvaluta-- sei kein geldwertes Gut aus dem Vermögen der Kläger abgeflossen, da bei einer Aufhebung des Darlehensvertrages vor Gewährung der Darlehenssumme das Damnum nicht geschuldet werde. Das Vorbringen der Kläger, die Darlehensgeberin habe auf Bereitstellungszinsen verzichtet, andererseits das Darlehen aber nur unter der Bedingung der sofortigen Belastung mit dem Damnum gewährt, sei unbeachtlich. Es handle sich hierbei lediglich um Modalitäten der Verzinsung.
Mit ihrer Revision rügen die Kläger Verletzung des § 11 Abs.2 EStG. Sie tragen im wesentlichen vor: Zwischen den Vertragsparteien des Darlehensvertrages sei vereinbart worden, daß das Damnum sofort nach Abschluß des Darlehensvertrages fälliggestellt werde und der Darlehensgeber andererseits auf eine Bereitstellungsprovision verzichte. Für diese Vereinbarungen seien wirtschaftlich vernünftige Gesichtspunkte ausschlaggebend gewesen. Die Bereitstellungsprovision betrage 1/4 v.H. pro Monat. Für jeden Monat Verzögerung bei der Auszahlung der Darlehenssumme hätten sie einen Zinsaufwand von 600 DM gehabt; demgegenüber führe die Belastung mit dem Damnum bei einem Zins von 7,5 v.H. lediglich zu einem Zinsaufwand von 142,50 DM pro Monat. Im übrigen entstehe durch den Abzug des Damnums im Streitjahr 1980 gegenüber dem Jahr 1981 durch die unterschiedlichen Einkommensverhältnisse eine Einkommensteuerminderbelastung von 7 540 DM.
Während des Revisionsverfahrens hat das FA den angefochtenen Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1980 aus Gründen geändert, die nicht im Streit sind. Die Kläger haben daraufhin gemäß §§ 68, 121 und § 123 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) beantragt, den geänderten Bescheid vom 17.Januar 1986 zum Gegenstand des Verfahrens zu machen.
Die Kläger beantragen sinngemäß, die Vorentscheidung und die Einspruchsentscheidung aufzuheben und die Einkommensteuer 1980 unter Abänderung des Einkommensteuerbescheids vom 17.Januar 1986 auf 18 362 DM festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Kläger ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs.3 Nr.2 FGO).
1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist aufgrund der im Revisionsverfahren abgegebenen Erklärung der Kläger der Einkommensteuerbescheid 1980 vom 17.Januar 1986 (§§ 68, 121, 123 Satz 2 FGO).
2. Das angefochtene Urteil war aufzuheben, weil das FG unter Verletzung des § 11 Abs.2 EStG die Leistung des strittigen Damnums bereits im Streitjahr 1980 verneint hat.
a) Gemäß § 11 Abs.2 Satz 1 EStG sind Ausgaben in dem Kalenderjahr als Werbungskosten abzusetzen, in dem sie geleistet worden sind. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs --BFH-- (vgl. zuletzt Urteil vom 13.Dezember 1983 VIII R 173/83, BFHE 140, 440, BStBl II 1984, 428, unter Ziff.1 a) kommt es für den Zeitpunkt der Leistung im Sinne des § 11 Abs.2 Satz 1 EStG bezüglich eines Damnums auf die bürgerlich-rechtlichen Vereinbarungen der Beteiligten an, sofern sie tatsächlich durchgeführt werden (siehe auch BFH-Urteil vom 26.November 1974 VIII R 105/70, BFHE 114, 412, BStBl II 1975, 330). Haben die Vertragsparteien --wie regelmäßig-- vereinbart, daß bei Auszahlung der Darlehenssumme ein Teil hiervon als Damnum einbehalten wird, so ist ein solches Damnum in dem Zeitpunkt im Sinne des § 11 Abs.2 Satz 1 EStG geleistet, in dem das um das Damnum gekürzte Darlehenskapital dem Darlehensnehmer zufließt (Beschluß des Großen Senats des BFH vom 6.Dezember 1965 GrS 2/64 S, BFHE 84, 399, BStBl III 1966, 144).
Aufgrund dessen ist jedoch --entgegen der Auffassung des FG-- auch im Falle eines vorausgeleisteten Damnums ein Abfluß im Sinne des § 11 Abs.2 EStG entsprechend der wirtschaftlichen Zugehörigkeit der Leistung nicht erst im Zeitpunkt der Auszahlung der Darlehensvaluta anzunehmen. Das Gebot, den wirtschaftlichen Gehalt einer Rechtsgestaltung zu erfassen, darf nicht dazu führen, die gewählte bürgerlich-rechtliche Vereinbarung beiseite zu schieben (BFH-Urteil vom 28.März 1984 I R 101/80, BFHE 141, 248, BStBl II 1984, 652).
Zudem hat der erkennende Senat bereits in seinem Urteil vom 24.September 1985 IX R 2/80 (BFHE 145, 507, BStBl II 1986, 284) ausgeführt, daß aufgrund des Zu- und Abflußprinzips nach § 11 EStG Ausgaben grundsätzlich im Zeitpunkt ihres Abflusses abziehbar sind, auch wenn sie wirtschaftlich ein anderes Kalenderjahr betreffen. Der Gesetzgeber hat es durch die Normierung des Zu- und Abflußprinzips in § 11 EStG in Kauf genommen, daß es durch die Zusammenballung von Einnahmen bzw. von Ausgaben in einem Veranlagungszeitraum zu steuerlichen Zufallsergebnissen mit einer erheblichen Be- oder Entlastung kommen kann.
Der erkennende Senat hat in seiner Entscheidung in BFHE 145, 507, BStBl II 1986, 284 eine Ausnahme von dem Abflußprinzip nur dann für geboten erachtet, wenn eine Vorausleistung als eine willkürliche Zahlung und damit als ein Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts im Sinne von § 42 der Abgabenordnung (AO 1977) zu werten ist.
b) Bei Anwendung der vorstehenden Rechtsgrundsätze ist ein Abfluß des von den Klägern geleisteten Damnums im Zeitpunkt der Belastungsbuchung vom 29.Dezember 1980 grundsätzlich zu bejahen.
Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG, an die der Senat gebunden ist (§ 118 Abs.2 FGO), haben im Streitfall die Kläger als Darlehensnehmer und die Sparda als Darlehensgeberin vereinbart, daß die Zahlung des Damnums nicht erst bei Auszahlung der Darlehenssumme erfolgen solle, sondern bereits früher, und zwar im Dezember 1980. Gegen diese Vereinbarung bestehen bürgerlich- rechtlich keine Bedenken. Dem Darlehensgeber steht zwar im Zweifel ein vereinbartes Damnum erst zu, wenn der Darlehensnehmer den auszuzahlenden Darlehensbetrag im Sinne des § 607 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) empfangen hat (Urteil des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 7.März 1985 III ZR 211/83, Wertpapier-Mitteilungen --WM-- 1985, 653). Die Vertragsparteien können aber abweichende Vereinbarungen treffen (so BGH-Urteil vom 28.Februar 1985 III ZR 207/83, WM 1985, 686).
Die Vertragsparteien haben ihre vom Regelfall abweichende bürgerlich-rechtliche Vereinbarung auch durchgeführt. Denn durch die Belastungsbuchung vom 29.Dezember 1980 wurde das Vermögen der Kläger wirtschaftlich vermindert. Ein etwaiger Erwerb eines Rückerstattungsanspruchs im Falle einer späteren Aufhebung des Darlehensvertrages hat keine Bedeutung für den Abfluß eines Damnums im Veranlagungszeitraum seiner Verausgabung (BFH-Urteil vom 11.Oktober 1983 VIII R 61/81, BFHE 140, 177, BStBl II 1984, 267).
3. Dennoch ist die Sache nicht spruchreif. Denn das FG hat bisher nicht geprüft, ob in der Vorausleistung des Damnums ein Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts im Sinne von § 42 AO 1977 zu erblicken ist.
Nach § 42 Satz 1 AO 1977 kann durch Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts das Steuergesetz nicht umgangen werden. Die hiernach erforderliche Abgrenzung einer zulässigen gegenüber einer nicht anzuerkennenden Gestaltung richtet sich danach, ob diese wirtschaftlichen Vorgänge von verständigen Parteien in Anbetracht des wirtschaftlichen Sachverhalts und der wirtschaftlichen Zielsetzung gewählt werden würden oder nicht. Die rechtliche Gestaltung muß dem angestrebten Ziel angemessen sein. Sie ist unangemessen, wenn sie ungewöhnlich ist, der Steuerminderung dienen soll und bei sinnvoller, Zweck und Ziel der Rechtsordnung berücksichtigender Auslegung vom Gesetz mißbilligt wird (Urteil vom 29.Oktober 1985 IX R 107/82, BFHE 145, 351, BStBl II 1986, 217).
Ein solcher Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten läßt sich nicht aufgrund der BFH-Urteile vom 13.Dezember 1983 VIII R 64/83 (BFHE 140, 437, BStBl II 1984, 426) und in BFHE 140, 440, BStBl II 1984, 428 schon deswegen bejahen, weil das Darlehen den Klägern später als einen Monat nach Abfluß des Damnums ausgezahlt wurde. Denn als Gestaltungsmißbrauch kam in den beiden vorstehenden Urteilsfällen eine Umgehung des § 21a Abs.3 Nr.1 EStG in Betracht, der einem Abzug des Damnums nach Bezugsfertigkeit des Einfamilienhauses entgegengestanden hätte. Eine derartige Steuerumgehung ist bei der fremdvermieteten Eigentumswohnung der Kläger nicht möglich. Das von den Klägern geleistete Damnum wäre ohne die Einschränkung des § 21a Abs.3 Nr.1 EStG als Werbungskosten abziehbar.
Ein Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts nach § 42 AO 1977 wäre demnach nur gegeben, wenn die Vorausleistung des Damnums durch die Kläger von keinerlei sinnvollen wirtschaftlichen Erwägungen getragen war. Die Sache geht an das FG zurück, damit es hierzu die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen nachholt. Dabei wird es insbesondere dem Vorbringen der Kläger nachzugehen haben, die mit der Vorausleistung des Damnums verbundene Zinsbelastung sei für sie günstiger gewesen als die Zahlung einer Bereitstellungsprovision, die sie der Darlehensgeberin ohne die Vorausleistung des Damnums hätten erbringen müssen.
Fundstellen
Haufe-Index 61746 |
BStBl II 1987, 492 |
BFHE 149, 213 |
BFHE 1987, 213 |
BB 1987, 1232 |
BB 1987, 1232-1233 (ST) |
DB 1987, 1281-1282 (ST) |
DStR 1987, 381-382 (ST) |
HFR 1987, 454-455 (ST) |