Entscheidungsstichwort (Thema)
Wasserwerk als Gewerbebetrieb einer Gemeinde
Leitsatz (NV)
1. Eine Gemeinde betreibt ein Wasserwerk dann nicht als Gewerbebetrieb, wenn sie dabei ohne Gewinnabsicht handelt, d. h. nur Einnahmen erzielt, um ihre Kosten zu decken.
2. Eine Kostendeckungsabsicht besteht nicht nur dann, wenn die laufenden Einnahmen erzielt werden, um die laufenden Selbstkosten abzudecken. Dem Kostendeckungsprinzip wird auch dann Genüge getan, wenn ein Gewinn i. S. von § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG in der Absicht erzielt wird, um Vermögensverluste auszugleichen, die in der Vergangenheit eingetreten sind. Zur Kostendeckung gehört auch die Erhaltung des der gewerblichen Tätigkeit dienenden Vermögens.
3. Eine Kostendeckungsabsicht läßt sich nicht ohne weiteres durch eine Regelung in der Betriebssatzung des Wasserwerks begründen, nach der weder Gewinne erzielt noch Verluste ausgewiesen werden sollen. Entscheidend ist der tatsächliche Wille der Gemeinde, der in den objektiven Umständen zu Tage tritt. Er kann von der Bestimmung einer Satzung abweichen.
Normenkette
GewStG § 2 Abs. 1; GewStDV § 1 Abs. 1, § 2 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionklägerin (Klägerin) ist eine Gebietskörperschaft des öffentlichen Rechts. Im Streitjahr 1974 betrieb sie in der Form eines Eigenbetriebs nach der Eigenbetriebsverordnung für das Land Nordrhein-Westfalen vom 22. Dezember 1953 - EigVO - (Sammlung des bereinigten Landesrechts Nordrhein-Westfalen - GS NW - S. 181) ein Wasserwerk nach Maßgabe der Betriebssatzung vom 28. Oktober 1965.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) erließ aufgrund der Feststellungen einer Außenprüfung einen Gewerbesteuermeßbescheid.
Gegen den Bescheid legte die Klägerin Einspruch ein. Während des Einspruchsverfahrens ergänzte der Rat der Gemeinde die Eigenbetriebssatzung für das Wasserwerk durch Anfügung eines Abs. 3 zu § 1 der Satzung mit folgendem Wortlaut:
,,Das Wasserwerk der Gemeinde dient dem öffentlichen Wohl. Es soll weder Gewinne erzielen noch Verluste ausweisen. Etwaige Überschüsse sollen lediglich der Substanzerhaltung und gegebenenfalls der Wiedererlangung des durch frühere Verluste verlorenen Vermögens dienen. Im übrigen finden auf die Wirtschaftsführung die Vorschriften der §§ 8 - 21 EigVO Anwendung."
Mit der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage machte die Klägerin geltend, daß der schließlich in 1981 erzielte Gewinn auf einer Anhebung der Wasserpreise zur Finanzierung anstehender Investitionen beruhe, die nur aus den von den Gemeindewerken nicht zu vertretenden Gründen in 1981 nicht ausgeführt worden seien. Sie seien dann 1982 nachgeholt worden und hätten sich auf über 1 Mio. DM belaufen, von denen eine halbe Million durch langfristige Kreditaufnahme hätte finanziert werden müssen.
Während des finanzgerichtlichen Verfahrens wurde der angefochtene Bescheid geändert. Der Änderungsbescheid wurde auf Antrag der Klägerin zum Gegenstand des Verfahrens gemacht.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet ab.
Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung der §§ 2, 35 c Nr. 1 Buchst. a des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) i. V. m. §§ 1, 2 der Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung (GewStDV).
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Das Urteil des FG wird aufgehoben. Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Der Senat kann aufgrund der bisherigen Feststellungen des FG nicht entscheiden, ob die Klägerin mit dem Wasserwerk der Gewerbesteuer unterliegt.
Gemäß § 2 Abs. 1 GewStG ist jeder stehende Gewerbebetrieb gewerbesteuerpflichtig. Dies gilt gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStDV auch für Unternehmen von juristischen Personen des öffentlichen Rechts, wenn sie als stehende Gewerbebetriebe anzusehen sind. Stehende Gewerbebetriebe sind solche Gewerbebetriebe, die keine Reisegewerbebetriebe i. S. des § 35 a Abs. 2 GewStG sind (§ 1 Abs. 2 GewStDV). Mithin ist bei Unternehmen von juristischen Personen des öffentlichen Rechts darauf abzustellen, ob sie gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 GewStDV unter Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr als selbständige nachhaltige Betätigung mit Gewinnabsicht betrieben werden. Die Gewinnerzielungsabsicht (Gewinnabsicht) ist das Streben nach Betriebsvermögensvermehrung in Gestalt eines Totalgewinns (vgl. Beschluß des Großen Senats des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 25. Juni 1984 GrS 4/82, BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751). Totalgewinn ist dabei das Gesamtergebnis des Betriebes von der Gründung bis zur Veräußerung oder Aufgabe oder Liquidation (vgl. BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751). Ohne Gewinnabsicht handelt, wer Einnahmen nur erzielt, um seine Kosten zu decken (vgl. BFH-Urteil vom 22. August 1984 I R 102/81, BFHE 142, 152, BStBl II 1985, 61, m. w. N.).
Kostendeckungsabsicht besteht nicht nur dann, wenn die laufenden Einnahmen erzielt werden, um die laufenden Selbstkosten abzudecken. Dem Kostendeckungsprinzip wird auch dann Genüge getan, wenn ein Gewinn i. S. des § 4 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nur in der Absicht erzielt wird, um Vermögensverluste auszugleichen, die in der Vergangenheit eingetreten sind (vgl. Urteil in BFHE 142, 152, BStBl II 1985, 61). Zur Kostendeckung gehört auch die Erhaltung des der gewerblichen Tätigkeit dienenden Vermögens (BFH-Urteil vom 15. Dezember 1976 I R 58/75, BFHE 121, 78, BStBl II 1977, 250).
Die Absicht der Gewinnerzielung i. S. des § 1 Abs. 1 GewStDV ist eine innere Tatsache, die wie alle sich in der Vorstellung von Menschen abspielenden Vorgänge nur anhand äußerlicher Merkmale beurteilt werden kann (Beschluß in BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751 unter C.IV.3. c)bb). Aus objektiven Umständen muß auf das Vorliegen oder Fehlen der Absicht geschlossen werden, wobei einzelne Umstände einen Anscheinsbeweis (prima-facie-Beweis) liefern können, der vom Steuerpflichtigen entkräftet werden kann (Beschluß in BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751). Zu den äußeren Umständen gehört auch das spätere Verhalten des Steuerpflichtigen (Urteil in BFHE 121, 78, BStBl II 1977, 250).
Es trifft entgegen der Ansicht der Klägerin nicht zu, daß im Streitfall lediglich eine vergangenheitsorientierte Betrachtung durchzuführen sei. Aus der Rechtsprechung ergibt sich nicht, daß die äußerlichen Merkmale, anhand derer die Gewinnerzielungsabsicht festzustellen ist, zeitlich vor dem Zeitraum liegen müssen, für den beurteilt wird, ob ein bestimmtes Tätigwerden mit Gewinnerzielungsabsicht vorgenommen wird.
Die Klägerin hatte zwar aus dem Wasserwerk Gewinne erzielt, die nicht nur die laufenden Kosten und die jeweils vorangegangenen Verluste abdeckten. Die Gewinne in den Jahren 1948 bis 1973 betrugen insgesamt 427 082 DM, die Verluste 245 908 DM; die Gewinne in den dem Streitjahr nachfolgenden Jahren 1975 bis 1981 betrugen 517 303 DM, die Verluste 189 625 DM. Das FG hat jedoch keine Feststellungen dazu getroffen, ob die erzielten Gewinne auch dazu ausreichten, das dem Wasserwerk dienende Vermögen zu erhalten. Feststellungen hierzu sind jedoch nach der Rechtsprechung erforderlich, um entscheiden zu können, ob eine Gewinnerzielungsabsicht vorliegt.
Anlaß zu dieser Prüfung bestand, weil die Klägerin in der Klageschrift - wie vom FG festgestellt - vorgetragen hat, daß der Gewinn des Jahres 1981 auf eine Wasserpreiserhöhung zurückzuführen sei, die dazu diente, eine Investition in Höhe von 1 Mio DM im folgenden Jahr zu finanzieren.
Der Senat kann ohne die von dem FG nachzuholenden Feststellungen nicht im Sinne der Klage abschließend entscheiden. Insbesondere ist die Klage nicht aufgrund der Einwendungen der Klägerin begründet, wenn man lediglich die bisher getroffenen Feststellungen des FG zugrunde legt.
Im Sinne der Klage kann aufgrund der Feststellungen des FG auch nicht entschieden werden, wenn man davon ausgeht, daß der Gewinn des Jahres 1981 auf die Anhebung des Wasserpreises zurückzuführen war und dazu dienen sollte, anstehende Investitionen zu finanzieren. Selbst wenn man den Gewinn des Jahres 1981 außer Betracht läßt, ergibt sich für den Zeitraum von 1948 bis 1981 ein Gewinn. Er beträgt nach den Berechnungen des FG 265 376 DM und nach den Berechnungen der Klägerin 8 484 DM; es kommt auch insoweit nicht auf die Einwendungen der Klägerin gegen die Berechnung des Gewinns bzw. der Verluste durch das FG an.
Auf § 1 Abs. 3 der Betriebssatzung kann sich die Klägerin nicht mit Erfolg berufen. Entscheidend ist der tatsächliche Wille des Steuerpflichtigen, der in den objektiven Umständen zutage tritt. Er kann von der Bestimmung einer Satzung abweichen (Urteil in BFHE 142, 152, BStBl II 1985, 61).
Nicht zutreffend ist der Einwand der Klägerin, die Gewerbesteuerpflicht beginne erst mit dem Wirtschaftsjahr, in dem der Gewinn eines Beobachtungszeitraums die Verluste in dem Zeitraum übersteigt.
Einmal haben nach den vom FG zugrunde gelegten Zahlen die Gewinne erstmals im Jahre 1968 die Verluste um 50 603 DM überstiegen (Gewinne bis zum Jahre 1968 296 511 DM - Verluste bis zum Jahre 1968 245 908 DM). In den Folgejahren kam es unter Einbeziehung der Gewinne und Verluste der jeweiligen Vorjahre zu keinem Überwiegen der Verluste.
Selbst wenn man jedoch von den von der Klägerin errechneten Gewinnen und Verlusten ausgeht, greift ihr Einwand nicht durch. Die Gewerbesteuerpflicht tritt nicht erst in dem Wirtschaftsjahr ein, in dem der Saldo aus dem in dem Wirtschaftsjahr angefallenen Gewinn bzw. Verlust und den Gewinnen bzw. Verlusten der Vorjahre zu einem Überschuß der Gewinne über die Verluste führt. Auch wenn man die von der Klägerin errechneten Gewinne / Verluste zugrunde legt, kann nicht angenommen werden, daß es ihr nur auf den Ausgleich der Verluste ankam und sie erst ab einem bestimmten Zeitpunkt den Entschluß faßte, Gewinne zu erzielen, die über den Ausgleich der vorangegangenen Verluste hinausgehen. Anhaltspunkte für eine Änderung ihrer Absicht, wie sie durch die Entwicklung der Verhältnisse indiziert wird, sind nicht erkennbar. Dem steht das BFH-Urteil vom 15. Dezember 1976 I R 58/75 (BFHE 121, 78, BStBl II 1977, 250) nicht entgegen. Aus dem Urteil kann nicht hergeleitet werden, daß die Gewerbesteuerpflicht erst in dem Wirtschaftsjahr entsteht, dessen Ergebnis unter Einbeziehung der Ergebnisse der Vorjahre erstmals zu einem Überwiegen der Gewinne über die Verluste führt. Nach dem Urteil wird solange kein Gewerbebetrieb begründet, als die Gewinne lediglich der Erhaltung und der Wiedererlangung des durch vorausgehende Verluste verlorenen Vermögens dienen sollen. Es hält nicht das rechnerische Ergebnis des Vergleichs von Verlusten mit Gewinnen für entscheidend. Anders wäre es nicht verständlich, wenn es das Urteil, obwohl in dem Streitfall die Verluste der Vorjahre nicht voll ausgeglichen wurden, für möglich hält, daß die Tätigkeit des Steuerpflichtigen im damaligen Verfahren künftig nicht mehr nur der Aufrechterhaltung und Sicherstellung der Wasserversorgung, sondern darüber hinaus auch der Gewinnerzielung dient.
Der Senat muß im gegenwärtigen Stand des Verfahrens nicht darauf eingehen, ob es richtig ist, bei der Berechnung des Gewinns bzw. Verlusts die Investitionszulage, bestimmte Erträge aus Anlageverkäufen sowie die Zuführung zur Erneuerungsrücklage außer Betracht zu lassen. Für den Beobachtungszeitraum 1948 bis 1981, der dem Urteil des FG zugrunde liegt, überstiegen die Gewinne die Verluste in diesem Zeitraum um 247 494 DM, wenn man die angeführten Positionen nicht als gewinnerhöhend betrachtet.
Fundstellen
Haufe-Index 415594 |
BFH/NV 1989, 388 |