Leitsatz (amtlich)
Ein Handwerker, der für seine Auftraggeber nicht Waren herstellt, die für den Absatzmarkt bestimmt sind, sondern Produktionsmittel (Geräte, Werkzeuge, Formen und dergleichen), die ihrerseits erst der Herstellung von Waren für den Absatzmarkt dienen, ist nicht Hausgewerbetreibender im Sinne des § 4 Ziff. 18 UStG in Verbindung mit § 44 UStDB und § 2 Abs. 2 HAG.
Normenkette
UStG 1951 § 4 Ziff. 18; UStDB 1951 § 44; HAG 1951 § 2 Abs. 2
Tatbestand
Der Bf. ist Graveurmeister. Er betreibt eine Gravierwerkstatt, in der er im Auftrage mehrerer Zifferblätterfabriken Pfaffen und Gesenke aus Stahl (Druck- und Prägematrizen) anfertigt. Das erforderliche Material wird ihm von seinen Auftraggebern zugeschickt. Die Preise für die Pfaffen und Gesenke, die er seinen Auftraggebern in Rechnung stellt, berechnet der Bf. nach dem jeweiligen Zeitaufwand unter Berücksichtigung der ihm von den Auftraggebern mitgeteilten Grundpreise. Streitig ist für das Kalenderjahr 1954, ob der Bf. als Hausgewerbetreibender im Sinne des Heimarbeitsgesetzes (HAG) vom 14. März 1951 (BGBl 1951 I S. 191) anzusehen ist und ob seine Umsätze nach § 4 Ziff. 18 UStG in Verbindung mit § 44 UStDB umsatzsteuerfrei sind.
Das Finanzamt hat den Bf. zur Umsatzsteuer herangezogen, weil bei der Höhe des von ihm erzielten Umsatzes (33 941 DM) und Gewinnes (16 941 DM) die von der Rechtsprechung für die Gewährung der Umsatzsteuerfreiheit nach § 4 Ziff. 18 UStG geforderte Schutzbedürftigkeit des Unternehmers nicht festzustellen sei. Das Finanzgericht ist dieser Auffassung beigetreten. Es ist darüber hinaus der Ansicht, daß die Herstellung von Pfaffen und Gesenken, also von "Produktionsmitteln" und "Werkzeugen" für die Zifferblätterindustrie, nicht als eine der im § 2 Abs. 2 Satz 1 HAG angeführten Tätigkeiten eines Hausgewerbetreibenden anzusehen sei.
Entscheidungsgründe
Die Rb. kann keinen Erfolg haben.
Nach § 4 Ziff. 18 UStG 1951 sind umsatzsteuerfrei die Umsätze der Hausgewerbetreibenden nach näherer Bestimmung der Bundesregierung. Gemäß § 44 Satz 1 UStDB 1951 bestimmt sich der Begriff "Hausgewerbetreibender" nach dem HAG. Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 dieses Gesetzes ist Hausgewerbetreibender, wer in eigener Arbeitsstätte (eigener Wohnung oder Betriebstätte) mit nicht mehr als zwei fremden Hilfskräften im Auftrag von Gewerbetreibenden oder Zwischenmeistern Waren herstellt, bearbeitet oder verpackt, wobei er selbst wesentlich am Stück mitarbeitet, jedoch die Verwertung der Arbeitsergebnisse dem unmittelbar oder mittelbar auftraggebenden Gewerbetreibenden überläßt.
Von den Voraussetzungen dieser Vorschrift ist nur zweifelhaft, ob der Bf. im Auftrage von Gewerbetreibenden "Waren" herstellt und ob er die Verwertung der Arbeitsergebnisse den Auftraggebern überläßt. Der Begriff "Waren" ist nach Sinn und Zweck des § 2 Abs. 2 HAG nicht vom Standpunkt des Hausgewerbetreibenden, sondern vom Standpunkt des auftraggebenden Gewerbetreibenden aus zu beurteilen. Das ergibt sich aus dem Zusammenhange zwischen dem Erfordernis der Herstellung (Bearbeitung, Verpackung) der Waren durch den Hausgewerbetreibenden und dem Erfordernis der Verwertung seiner Arbeitsergebnisse (der hergestellten bzw. bearbeiteten oder verpackten Waren) durch den Auftraggeber. Die Vorgänge stehen in enger Beziehung zueinander: Der Auftraggeber stellt bei der Bearbeitung und Verpackung von Waren diese, bei der Herstellung von Waren (grundsätzlich, Ausnahme vgl. § 2 Abs. 2 Satz 2 HAG) die Roh- und Hilfsstoffe zur Verfügung; der Hausgewerbetreibende leistet an den Waren bzw. an den Rohund Hilfsstoffen die vereinbarte Arbeit; der Auftraggeber verwertet die Arbeitsergebnisse auf dem Markte. Die Arbeitsergebnisse müssen sich ihrer Substanz nach als Waren darstellen, die der Auftraggeber im Rahmen seines Gewerbebetriebes -- gegebenenfalls nach weiterer Be- oder Verarbeitung -- auf dem Markt absetzt. Der Hausgewerbetreibende muß durch die Herstellung (bzw. Bearbeitung oder Verpackung) der Waren unmittelbar in den Produktions gang eingeschaltet sein und darf nicht bloß mittelbar durch Anfertigung der Produktions mittel (Geräte, Werkzeuge, Formen und dergleichen) die Voraussetzungen für die Produktion schaffen. Der Hausgewerbetreibende wird durch seinen Auftraggeber vom Absatzmarkt ausgeschlossen (vgl. Fitting-Karpf, Kommentar zum Heimarbeitsgesetz, Ausgabe 1953, Anm. 7 und 16 zu § 2 HAG, und Maus, Kommentar zum Heimarbeitsgesetz, Anm. 23 zu § 2 HAG).
Diese Voraussetzungen treffen im Streitfalle nicht zu. Der Bf. stellt nicht Waren in dem erläuterten Sinne, sondern -- wie die Vorinstanz zutreffend ausführt -- Produktionsmittel her, die ihrerseits erst der Herstellung von Waren dienen, die dem Absatzmarkte zugeführt werden. Der Bf. wird mit seinen Arbeitsergebnissen auch nicht durch seine Auftraggeber vom Absatzmarkte ausgeschlossen; denn diese veräußern nicht die vom Bf. hergestellten Pfaffen und Gesenke, sondern benutzen sie als Werkzeuge zur Herstellung eigener Waren (Zifferblätter). Aus denselben Gründen erkennen die Gewerbeaufsichtsämter auch Werkzeugmacher für die Gablonzer Industrie und Schuhmodelleure für die Schuhindustrie nicht als Hausgewerbetreibende an.
Da der Bf. schon die erste Voraussetzung für die Gewährung von Steuerfreiheit nach § 4 Ziff. 18 UStG, § 44 UStDB, nämlich Hausgewerbetreibender zu sein, nicht erfüllt, brauchte der Senat nicht zu prüfen, ob im Streitfalle ein Schutzbedürfnis im Sinne der Rechtsprechung zu § 4 Ziff. 18 UStG vorliegt.
Die Rechtsbeschwerde war daher als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 409641 |
BStBl III 1960, 183 |
BFHE 1960, 490 |