Leitsatz (amtlich)

Ein Handwerker, der für seine Auftraggeber Gegenstände des Anlagevermögens herstellt, die den Auftraggebern zur Beförderung ihrer Waren zum Absatzmarkt dienen, ist nicht Hausgewerbetreibender im Sinne des § 4 Nr. 18 UStG in Verbindung mit § 44 UStDB und § 2 Abs. 2 HAG.

 

Normenkette

UStG § 4 Nr. 18; UStDB § 44; HAG § 2 Abs. 2

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Kläger und Revisionskläger (Stpfl.), der in eigener Werkstatt zusammen mit seinem Sohn eine Schreinerei betreibt, Hausgewerbetreibender im Sinne des § 2 Abs. 2 des Heimarbeitsgesetzes (HAG) ist und infolgedessen Umsatzsteuerfreiheit nach § 4 Nr. 18 UStG in Anspruch nehmen kann.

Der Stpfl. stellt überwiegend im Auftrage zweier Brauereien, mit denen er in festem Geschäftsverkehr steht, Kisten zum Transport von Bierflaschen her, wobei er selbst am Stück mitarbeitet. Die Kisten bleiben im Eigentum der Brauereien. Sie sind nicht zum Verkauf bestimmt. Nur in geringem Umfange, insbesondere beim Export von Flaschenbier, gelangen sie nicht an die Brauereien zurück.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) versagte dem Stpfl. die Anerkennung als Hausgewerbetreibender und zog ihn mit den Einnahmen aus dem Verkauf der Bierkisten mit 4 v. H. zur Umsatzsteuer heran. Einspruch und Berufung (jetzt Klage) wurden als unbegründet zurückgewiesen.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Auch die Rb. des Stpfl., die nach dem Inkrafttreten der FGO als Revision zu behandeln ist (vgl. § 184 Abs. 2, §§ 115 ff. FGO), hat keinen Erfolg.

Nach § 4 Nr. 18 UStG sind die Umsätze der Hausgewerbetreibenden nach näherer Bestimmung der Bundesregierung umsatzsteuerfrei. § 44 Satz 1 UStDB bestimmt demgemäß, daß Hausgewerbetreibende im Sinne des HAG vom 14. März 1951 (BGBl I 1951, 191), die überwiegend mit bestimmten Unternehmern in festem Geschäftsverkehr stehen, insoweit steuerfrei sind, als sie Umsätze an diese Unternehmer bewirken. Der Begriff "Hausgewerbetreibender" richtet sich also nach dem HAG. Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 dieses Gesetzes ist Hausgewerbetreibender, wer in eigener Arbeitsstätte (eigener Wohnung oder Betriebstätte) mit nicht mehr als zwei fremden Hilfskräften im Auftrag von Gewerbetreibenden oder Zwischenmeistern Waren herstellt, bearbeitet oder verpackt, wobei er selbst wesentlich am Stück mitarbeitet, jedoch die Verwertung der Arbeitsergebnisse dem unmittelbar oder mittelbar auftraggebenden Gewerbetreibenden überläßt. Der Rechtsstreit geht darum, ob der Stpfl. "Waren" Herstellt und ob er die Verwertung der Arbeitsergebnisse den Auftraggebern überläßt.

Der Senat hat in seinem Urteil V 148/58 U vom 3. März 1960 (BFH 70, 490, BStBl III 1960, 183) den folgenden Leitsatz aufgestellt: "Ein Handwerker, der für seine Auftraggeber nicht Waren herstellt, die für den Absatzmarkt bestimmt sind, sondern Produktionsmittel (Geräte, Werkzeuge, Formen u. dgl.), die ihrerseits erst der Herstellung von Waren für den Absatzmarkt dienen, ist nicht Hausgewerbetreibender i. S. des § 4 Nr. 18 UStG in Verbindung mit § 44 UStDB und § 2 Abs. 2 HAG." Dies wird damit begründet, daß der Begriff "Waren" nach dem Sinn und Zweck des § 2 Abs. 2 HAG nicht vom Standpunkt des Hausgewerbetreibenden, sondern vom Standpunkt des auftraggebenden Gewerbetreibenden aus zu beurteilen sei. Zwischen dem Erfordernis der Herstellung (Bearbeitung, Verpackung) der Waren durch den Hausgewerbetreibenden und dem Erfordernis der Verwertung seiner Arbeitsergebnisse (der hergestellten bzw. bearbeiteten oder verpackten Waren) durch den Auftraggeber, bestehe ein enger Zusammenhang. Die Arbeitsergebnisse müßten sich ihrer Substanz nach als Waren darstellen, die der Auftraggeber im Rahmen seines Gewerbebetriebes - gegebenenfalls nach weiterer Beoder Verarbeitung - auf dem Markt absetze. Der Hausgewerbetreibende müsse durch die Herstellung (bzw. Bearbeitung oder Verpackung) der Waren unmittelbar in den Produktions gang eingeschaltet sein und dürfe nicht bloß mittelbar durch Anfertigung der Produktions mittel die Voraussetzung für die Produktion schaffen.

Der Senat hält an dieser Rechtsauffassung fest. Wenn der Stpfl. die Beurteilung des Begriffs "Waren" in diesem Urteil mit dem Hinweis auf § 1 Abs. 1 Nr. 1 HGB ablehnt, wonach "Waren" schlechthin "bewegliche Sachen" sind, so verkennt er, daß dieser Begriff im Zusammenhang mit dem Sinn und Zweck eines besondere Rechtstatbestände regelnden Gesetzes und im Rahmen einer Vorschrift, die eine Reihe einschränkender Voraussetzungen enthält, durchaus eine besondere Bedeutung haben kann. Die Voraussetzung in dem Nachsatz des § 2 Abs. 2 Satz 1 HAG, daß die Verwertung der Arbeitsergebnisse (hier der hergestellten Gegenstände) dem auftraggebenden Gewerbetreibenden überlassen werden muß, spricht dafür, daß Waren des Absatzmarktes gemeint sind. Denn sonst wäre der Nachsatz überflüssig. Daß der Erwerber ihm gelieferte Gegenstände nach Belieben "verwerten" kann, bedarf nach der Zweckbestimmung des HAG keiner besonderen Erwähnung. Der Nachsatz ist nur deshalb erforderlich, weil es zum Wesen des Hausgewerbetreibenden gehört, daß er mit dem Absatz der Ware auf dem Markt nichts zu tun hat (Maus, Heimarbeitsgesetz, 2. Aufl., Anm. 6 und 26 zu § 2; Fitting-Karpf, Heimarbeitsgesetz 1953, Anm. 7 zu § 2). Zweifel hieran werden durch den Satz 2 des § 2 HAG beseitigt, nach dem durch eine nur vorübergehende Arbeit des Unternehmers unmittelbar für den Absatzmarkt seine Eigenschaft als Hausgewerbetreibender nicht beeinträchtigt wird. Ein Unternehmer, der nicht nur "vorübergehend" für den Absatzmarkt arbeitet, verliert daher die Eigenschaft eines Hausgewerbetreibenden. Der Einwand des Stpfl., der Gesetzgeber hätte diese Schlußfolgerung, wenn er sie gewollt hätte, in Satz 1 des § 2 Abs. 2 HAG klar ausgesprochen, greift nicht durch. Es ist dem Gesetzgeber unbenommen, einen Begriff in zwei Sätzen zu bestimmen bzw. in einem zweiten Satz den Inhalt des ersten Satzes einer Vorschrift zu erläutern. Der grundsätzliche Ausschluß vom Absatzmarkt und die damit verbundene Einschränkung des freien Wettbewerbs zuungunsten des Hausgewerbetreibenden, die wirtschaftlich gesehen zu einer arbeitnehmerähnlichen Stellung dieses Berufszweigs führt, ist einer der Hauptgründe für die Befreiungsvorschrift des § 4 Nr. 18 UStG (vgl. Plückebaum-Malitzky, Kommentar zum Umsatzsteuergesetz, 9. Aufl., Tz 3266 ff. 3269). Das kleine Ausmaß des Gewerbebetriebes und das Tätigwerden für nur wenige Auftraggeber sind weitere (nicht - wie der Stpfl. meint - die alleinigen) Gründe für die Gewährung der Steuerfreiheit.

Hieraus folgt, daß ein Unternehmer, der Waren ausschließlich an Letztabnehmer liefert, nicht Hausgewerbetreibender im Sinne des § 2 Abs. 2 HAG ist. Dieser Fall liegt hier vor. Die beiden Brauereien sind im Verhältnis zum Stpfl. "Letztabnehmer", weil die an sie gelieferten Bierkisten grundsätzlich nicht zum Verkauf bestimmt sind, sondern als Anlage vermögen dem Transport der Ware dienen. In einem solchen Falle liefert der Unternehmer - wenn man den Begriff "Waren" in § 2 Abs. 2 HAG so weit auslegen will, wie der Stpfl. es tut - unmittelbar (und zwar nicht nur vorübergehend) für den Absatzmarkt, weil das Unternehmen seines Auftraggebers im Verhältnis zu ihm dem "Absatzmarkt" angehört. Der Sachverhalt weicht von dem des Urteils V 148/58 U vom 3. März 1960 (a. a. O.) nicht entscheidend ab. Denn ob ein Handwerker für seine Auftraggeber Produktionsmittel (Geräte, Werkzeuge, Formen und dgl.) oder in dessen Eigentum verbleibende Absatzmittel (z. B. Transportgegenstände) herstellt, bedeutet für die Rechtsfolgen keinen Unterschied.

Da der Stpfl. an seine Auftraggeber keine "Absatzwaren" geliefert hat, kann er nicht als Hausgewerbetreibender im Sinne des § 2 Abs. 2 HAG angesehen werden. Infolgedessen steht ihm die Umsatzsteuerfreiheit nach § 4 Nr. 18 UStG nicht zu.

Die Revision des Stpfl. war daher mit der Kostenfolge aus § 135 Abs. 2 FGO als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 412813

BStBl II 1968, 246

BFHE 1968, 541

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