Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerliche Förderungsgesetze
Leitsatz (amtlich)
Waren am Währungsstichtage gegen den Abgabepflichtigen bereits Rückerstattungsansprüche geltend gemacht, so sind für den Bereich der Kreditgewinnabgabe in den Vergleichsbilanzen (RM-Schlußbilanz und DM-Eröffnungsbilanz) die Rückerstattungsverpflichtungen zu passivieren und die mit ihnen zusammenhängenden Gegenansprüche (Kaufpreisrückgewähr und dergleichen) zu aktivieren. Hinsichtlich der im Verhältnis 10 zu 1 umgestellten Gegenansprüche entstehen Gläubigerverluste (Urteil des Bundesfinanzhofs III 101/58 U vom 17. April 1959, BStBl 1959 III S. 291, Slg. Bd. 69 S. 78).
Normenkette
LAG § 161
Tatbestand
Streitig ist, ob Schuldnergewinne aus der Umstellung von Verbindlichkeiten der Kreditgewinnabgabe unterliegen.
Die OHG, um deren Verbindlichkeiten es geht, wurde im Jahre 1938 von den damaligen jüdischen Gesellschaftern samt dem von ihr betriebenen Gewerbebetriebe verkauft und von den Erwerbern fortgeführt. Ein nach dem Kriege durchgeführtes Rückerstattungsverfahren endete im Jahre 1949 mit einem Vergleich, demzufolge das Unternehmen an die früheren Eigentümer zurückgegeben wurde.
In der RM-Schluß- und der DM-Eröffnungsbilanz ist eine Verbindlichkeit an eine Landessparkasse mit 100.000 RM (umgestellt auf 10.000 DM) und eine weitere an die Witwe R. mit 50.000 RM (umgestellt auf 5.000 DM) ausgewiesen. Das Finanzamt hat in einem an die Firma gerichteten Bescheide vom März 1958 die Schuldnergewinne der Kreditgewinnabgabe unterworfen und die jetzigen Inhaber unter Hinweis auf § 185 LAG in einem Bescheide über den übergang der Kreditgewinnabgabe als Erwerber des Betriebes im Rückerstattungsverfahren für die Abgabe in Anspruch genommen.
Hiergegen wird geltend gemacht, eine Kreditgewinnabgabe sei aus den genannten Schuldnergewinnen nicht entstanden. Es handle sich nicht um Verbindlichkeiten betrieblicher, vielmehr um solche privater Art. Die Valuta der ihnen zugrunde liegenden Kredite (200.000 RM) sei im Jahre 1938 von den damaligen Erwerbern des Betriebes dazu verwendet worden, den Kaufpreis zu erlegen. Für die Rückzahlung habe sich der Kreditgeberin unter anderem der Schwiegersohn der Witwe R. als Selbstschuldner verbürgt. Als dieser nach dem Kriege von der Kreditgeberin aus der Bürgschaft in Anspruch genommen worden sei, habe seine Schwiegermutter, die Witwe R. 60.400 RM an die Gläubigerin gezahlt, weshalb die Darlehnsforderung insoweit auf sie übergegangen sei (ß 774 BGB). Die Verbindlichkeit an die Kreditgeberin selbst habe am Währungsstichtage mit 100.000 RM, diejenigen an die Witwe R. noch mit 50.000 RM zu Buch gestanden. Da die Valuta im Jahre 1938 ausschließlich zur Finanzierung des Kaufpreises und einiger Anlaufkosten, jedoch weder damals noch später zur Anschaffung von Gegenständen betrieblicher Art verwendet worden sei, könne von einer Betriebsschuld keine Rede sein. Daß der Kreditgeberin seinerzeit - im Jahre 1938 - als zusätzliche Sicherheit ihres gegen die Erwerber des Betriebes gerichteten Rückzahlungsanspruches auf dem Grundbesitz des Unternehmens Grundschulden bestellt worden seien, ändere an dem außerbetrieblichen Charakter der Verbindlichkeiten nichts.
Die Heranziehung zur Kreditgewinnabgabe widerspreche im übrigen auch den Bestimmungen des Rückerstattungsgesetzes (REG) und den im Rückerstattungsverfahren getroffenen Vereinbarungen. Denn nach Art. 37 REG (amerik. Zone) blieben Rechte an "entzogenen" Vermögensgegenständen nur soweit bestehen, als sie bereits vor der Entziehung bestanden hätten. Die zur Sicherung des Kredites auf dem Grundbesitz der OHG bestellten Grundschulden seien aber erst nach der Entziehung des Betriebes im Jahre 1938 eingetragen worden. Demgemäß sei in dem das Rückerstattungsverfahren abschließenden Vergleich mit den Rückerstattungspflichtigen vereinbart worden, daß die Grundschulden, weil außerhalb der Belastungsgrenze des Art. 37 REG liegend, rückwirkend auf den Zeitpunkt der Entziehung (1938) erloschen wären.
Die übergangsbilanzen auf den Währungsstichtag, in denen die Verbindlichkeiten dennoch enthalten seien, seien daher falsch und mittels Herausnahme der Verbindlichkeiten zu berichtigen. Für einen Schuldnergewinn im Sinne der Kreditgewinnabgabe sei kein Raum.
Einspruch und Berufung blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht hat die früheren Gesellschafter der OHG (21. Juni 1948) zum Verfahren zugezogen und ausgeführt: Die Frage des Schuldnergewinnes beurteilte sich ausschließlich nach den Bilanzen der OHG zum 20. / 21. Juni 1948; in diesen seien die Verbindlichkeiten passiviert. Der Ansatz in den Bilanzen sei angesichts des Entstehungsgrundes der Verbindlichkeiten auch zutreffend gewesen. Es handle sich - entgegen der Auffassung der Abgabepflichtigen - um Betriebsschulden, weil die Valuta zum Erwerbe des ganzen Unternehmens und damit auch der einzelnen, dem Betriebe dienenden Wirtschaftsgüter verwendet worden sei (ß 62 des Bewertungsgesetzes - BewG -). Die Vereinbarungen im Rückerstattungsverfahren, auf die sich die Abgabepflichtigen beriefen, hätten keine Auswirkung auf die Kreditgewinnabgabe. Denn die Rückgabe eines Betriebes im Wege der Rückerstattung habe der Gesetzgeber in § 13 der Achten Durchführungsverordnung über Ausgleichsabgaben nach dem Lastenausgleichsgesetz (8. AbgabenDV-LA KGA-Verordnung) einem unentgeltlichen Erwerbe desselben nach dem 21. Juni 1948 gleichgestellt. Nach § 185 LAG sei damit auch die Abgabeschuld auf die Rückerstattungsberechtigten übergegangen. Der hierauf gestützte Bescheid des Finanzamts vom März 1958 könne nicht beanstandet werden.
In der Rb. rügen die Abgabepflichtigen wesentliche Verfahrensmängel und fehlerhafte Anwendung des geltenden Rechtes. Es sei nicht ersichtlich, ob den früheren Inhabern des Unternehmens (21. Juni 1948), also den Rückerstattungsverpflichteten, überhaupt ein Kreditgewinnabgabe-Veranlagungsbescheid zugestellt worden sei. Die OHG und die Bf. selbst hätten einen solchen jedenfalls bisher nicht erhalten.
Die zur Kreditgewinnabgabe herangezogenen Verbindlichkeiten seien bereits Gegenstand eines Hypothekengewinnabgabe-Verfahrens gewesen und mit Bescheid vom August 1957, der unanfechtbar geworden sei, von dieser freigestellt worden. Das abgeschlossene Hypothekengewinnabgabe-Verfahren verbiete die nochmalige Erörterung des Tatbestandes unter dem Gesichtswinkel anderer Abgaben des LAG, hier der Kreditgewinnabgabe.
In der Sache selbst halten die Abgabepflichtigen an ihrem bisherigen Standpunkte fest.
Entscheidungsgründe
Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Die in verfahrensrechtlicher Hinsicht erhobenen Einwendungen sind nicht stichhaltig. Daß die Verbindlichkeiten von der Hypothekengewinnabgabe unanfechtbar freigestellt worden sind, hat keine negative Auswirkung auf die Kreditgewinnabgabe. Zwar kann die gleiche Verbindlichkeit nicht sowohl zur Kreditgewinnabgabe wie zur Hypothekengewinnabgabe herangezogen werden (ß 97 Abs. 1 Ziff. 1 LAG). Dies besagt indessen nicht, daß mit der Freistellung von der einen Abgabe ohne weiteres auch eine solche von der anderen verbunden ist. Denn die Voraussetzungen der beiden Abgaben stimmen, ebenso wie die Abgaben selbst, weitgehend nicht überein.
Nach den Akten ist die Kreditgewinnabgabe-Veranlagung mit Bescheid vom 28. März 1958 erfolgt; der Bescheid ist der Firma übersandt worden. Damit ist die Veranlagung formell zutreffend durchgeführt worden, eine Zustellung des Bescheides an die Gesellschafter war nicht erforderlich (ß 186 LAG). Dem Einwand der Bf., es fehle an einem Veranlagungsbescheide gegenüber den Voreigentümern des Betriebes, hat das Finanzgericht abgeholfen, indem es diese als Beteiligte zum Verfahren zugezogen hat. Dadurch sind die Voreigentümer in eine Rechtsstellung eingerückt, die eine Benachteiligung in diesem Verfahren ausschließt (vgl. § 241 Abs. 3 AO).
Zwar haben die Bf. in ihrem Einspruchsschreiben vom 9. April 1958 nur gegen den Bescheid betreffend den übergang der Kreditgewinnabgabe (ß 185 LAG) Rechtsmittel eingelegt. Da sie jedoch von Anfang an die sachliche Steuerpflicht, die Entstehung einer Kreditgewinnabgabe überhaupt, bestritten haben und der genannte Bescheid gleichzeitig mit dem Veranlagungsbescheid ergangen ist, ist auch dieser als angegriffen und damit als streitbefangen anzusehen. Denn nur dann kann das Rechtsmittel zu dem erkennbar angestrebten Erfolge führen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs III 103/58 U vom 14. November 1958, BStBl 1959 III S. 51, Slg. Bd. 68 S. 134).
In der Sache selbst gilt folgendes: Abgabepflichtig ist nach § 161 LAG der gewerbliche Betrieb. Daher können nur die Schulden des Betriebes - Betriebsschulden - zu einem Schuldnergewinn im Sinne des § 163 LAG führen und damit die Kreditgewinnabgabepflicht begründen (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs III 218/54 S vom 24. August 1956, BStBl 1956 III S. 325, Slg. Bd. 63 S. 334, und III 213/57 U vom 22. August 1958, BStBl 1958 III S. 401, Slg. Bd. 67 S. 328). Betriebsschuld ist eine Verbindlichkeit dann, wenn sie mit dem Betriebe des Abgabepflichtigen in wirtschaftlichem Zusammenhange steht. Für die Kreditgewinnabgabe ist dabei entscheidend, daß dieser Zusammenhang auch und gerade am Währungsstichtage bestanden hat. Nichts anderes besagt § 163 LAG, indem er auf den Ansatz von Verbindlichkeiten in der RM-Schluß- und DM-Eröffnungsbilanz verweist, dessen Unterschied die Kreditgewinnabgabepflicht begründet und deren Umfang bestimmt.
Der Auffassung der Bf., bei der Schuld handele es sich um eine Verbindlichkeit privater, nicht aber betrieblicher Art, ist entgegenzuhalten, daß der Kredit im Jahre 1938 der erwerbenden Firma (OHG) gewährt worden ist, und daß als Käufer des Betriebes in dem Kaufvertrage vom 13. Oktober 1938 nicht die Inhaber dieser Firma aufgetreten sind, Vertragspartner vielmehr die von ihnen vertretene "zu gründende Gesellschaft" gewesen ist. Der Gesellschaftsvertrag der erwerbenden Firma ist noch am gleichen Tage - nämlich am 13. Oktober 1938 - abgeschlossen worden, steht also in engem zeitlichen wie sachlichen Zusammenhange mit dem Kaufvertrage selbst. Damit aber verbietet sich die Annahme, Schuldner der Verbindlichkeit aus dem Kauf wie dem Kreditvertrage seien die Inhaber der OHG persönlich gewesen, nicht aber die von ihnen vertretene Gesellschaft. Der Kaufvertrag wie der Kreditvertrag betrafen vielmehr unmittelbar das Vermögen der OHG, die damit begründeten Verbindlichkeiten waren solche der Gesellschaft und damit Betriebsschulden im Sinne des § 163 LAG.
Die Vorinstanzen haben jedoch übersehen, daß nach dem insoweit unstreitigen Sachvortrage der Bf. der Antrag auf Rückerstattung des gewerblichen Betriebes bereits im April 1948 gegen die OHG gestellt worden ist. Von diesem Zeitpunkt an, und daher auch am Währungsstichtage, mußte diese mit der Rückgabe des Betriebes ernstlich rechnen. Der Anspruch der Bf. auf Rückgabe des Betriebes wäre daher von der OHG in den übergangsbilanzen zum Währungsstichtage als Sachwertschuld zu passivieren gewesen, wie umgekehrt der Anspruch der Firma auf Rückgewähr des Kaufpreises (Art. 44 REG) und auf Ersatz notwendiger Verwendungen (Art. 34 REG) in der Bilanz der OHG hätte aktiviert werden müssen (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs I 134/52 S vom 6. Oktober 1953, BStBl 1953 III S. 339, Slg. Bd. 58 S. 125; IV 25/53 U vom 3. Dezember 1953, BStBl 1955 III S. 72, Slg. Bd. 60 S. 185; IV 468/54 U vom 10. März 1955, BStBl 1955 III S. 138, Slg. Bd. 60 S. 361; I 84/54 U vom 20. Mai 1955, BStBl 1955 III S. 226, Slg. Bd. 61 S. 76; III 101/58 U vom 17. April 1959, BStBl 1959 III S. 291, Slg. Bd. 69 S. 78; Herrmann-Heuer, Anm. 57 zu § 5 des Einkommensteuergesetzes). Dies ist nicht geschehen. Die übergangsbilanzen sind deshalb entsprechend zu berichtigen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs III 196/55 S vom 22. November 1957, BStBl 1958 III S. 10, Slg. Bd. 66 S. 24). Durch die Umstellung der Ansprüche der OHG auf Kaufpreisrückgewähr (evtl. Verwendungsersatz) im Verhältnis 10:1 entsteht ein zusätzlicher Gläubigerverlust, der auf die Schuldnergewinne anzurechnen ist (ß 162 LAG). Dieser beträgt nach Angabe der Bf. in der Rb. 225.000 DM, würde also den bisher veranlagten Gewinnsaldi weit übersteigen. Diese Angabe zur Höhe des Gläubigerverlustes kann der Senat nicht nachprüfen, weil die im Rückerstattungsverfahren abgeschlossenen Vereinbarungen, insbesondere die Vergleiche vom Jahre 1949 und 1950, nicht vorliegen.
Entfällt aber die Kreditgewinnabgabe, weil die Gläubigerverluste die Schuldnergewinne übersteigen, so scheidet auch ein übergang der Abgabeschuld nach § 185 LAG aus. Die Frage, ob § 185 LAG im Streitfalle überhaupt zur Anwendung kommen könnte, was dem Senate wegen der Frage der Rechtsgültigkeit des § 13 der KGA-Verordnung zumindest zweifelhaft erscheint, kann daher auf sich beruhen.
Soweit aus dem Urteil des Bundesfinanzhofs III 174/51 S vom 11. Juli 1952 (BStBl 1952 III S. 238, Slg. Bd. 56 S. 618) anderweitige Folgerungen gezogen werden könnten, gibt der Senat den dort vertretenen Standpunkt auf.
Die nicht spruchreife Sache geht daher an das Finanzgericht zurück, damit dieses die Höhe der zusätzlich anrechenbaren Gläubigerverluste nach den vorstehenden Grundsätzen feststellt und dann erneut entscheidet.
Fundstellen
Haufe-Index 410009 |
BStBl III 1961, 260 |
BFHE 1961, 712 |
BFHE 72, 712 |