Entscheidungsstichwort (Thema)
Körperschaftsteuer Sonstiges Gewerbesteuer
Leitsatz (amtlich)
Die von einer unbeschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaft im Ausland gezahlte Steuer, die der deutschen Körperschaftsteuer entspricht und auf Einkommen entfällt, das der deutschen Körperschaftsteuer unterliegt, kann nicht auf Grund des § 35 EStDV 1953 (ß 51 EStDV 1955) in Verbindung mit § 15 KStDV bei der Ermittlung des Gewerbeertrages abgezogen werden.
Normenkette
KStG § 6 Abs. 1, § 12 Ziff. 2; KStDV § 15; EStDV §§ 35, 51; GewStG § 7
Tatbestand
Die Steuerpflichtige, eine AG, betreibt eine Reederei. In der Türkei wurden Steuern (Körperschaftsteuer) von ihr erhoben, da sie innerhalb des türkischen Hoheitsgebiets einen ständigen Vertreter hatte. Diese Steuern wurden auf der Grundlage eines Hundertsatzes der Frachteinnahmen bemessen, die auf die Tätigkeit des Vertreters zurückzuführen waren. Bei der auf § 222 AO beruhenden änderung des Gewerbesteuermeßbetrages für 1954 und 1955 berücksichtigte das Finanzamt bei der Ermittlung des Gewinns aus Gewerbebetrieb im Sinne des § 7 GewStG diese Steuern nicht als Betriebsausgabe.
Auf die Sprungberufung setzte das Finanzgericht die Gewerbesteuer anderweit fest. Nach Ansicht der Vorinstanz mindern die in der Türkei gezahlten Steuern den Gewinn aus Gewerbebetrieb im Sinn des § 7 GewStG. Als Gewinn, der nach den Vorschriften des KStG zu ermitteln sei, gelte nach § 17 Abs. 2 Ziff. 1 GewStDV 1950 das Einkommen im Sinne des § 6 KStG ohne Berücksichtigung des Verlustabzuges. § 17 GewStDV 1950 sei zwar in der nach § 36 GewStDV 1955 erstmals für den Erhebungszeitraum 1955 geltenden GewStDV 1955 nicht mehr enthalten; doch sei dadurch eine Rechtsänderung nicht eingetreten, da in § 17 GewStDV 1950 etwas Selbstverständliches ausgesagt worden sei. Da hiernach das nach § 6 KStG ermittelte Einkommen stets mit dem Gewinn aus Gewerbebetrieb im Sinne des § 7 GewStG übereinstimme, seien die auf Grund § 15 Ziff. 2 KStDV 1953 und 1955 bei der Veranlagung zur Körperschaftsteuer anwendbaren Vorschriften des § 35 EStDV 1953 und des § 51 EStDV 1955 im Streitfall auch bei der Ermittlung des Gewinns aus Gewerbebetrieb im Sinne des § 7 GewStG anzuwenden. Der Grundsatz, daß die Vorschriften des Einkommensteuerrechts und des Körperschaftsteuerrechts, die mit dem Charakter der Gewerbesteuer als Objektsteuer nicht vereinbar seien, bei der Gewinnermittlung für Zwecke der Gewerbesteuer nicht angewandt werden dürfen, gelte für Kapitalgesellschaften nicht.
Hiergegen richtet sich die Rb. des Vorstehers des Finanzamts, mit der unrichtige Rechtsanwendung gerügt wird.
Der Bundesminister der Finanzen, der dem Verfahren auf Ersuchen des Senats beigetreten ist, hält die in der Türkei von ausländischen Reedereien erhobene Steuer, die nach den Bruttofrachten bemessen wird, für eine der deutschen Körperschaft- (Einkommen-) Steuer entsprechende Steuer im Sinne des § 35 EStDV 1953 (ß 51 EStDV 1955). Sie werde auf Grund des in der Türkei allgemein gültigen Einkommensteuerrechts erhoben. Die besondere Erhebungsart ändere nichts daran, daß es sich um eine der deutschen Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer vergleichbare Steuer handle; auch die Bundesrepublik erhebe die Steuer bei bestimmten Einkünften beschränkt Steuerpflichtiger im Abzugsverfahren nach Pauschsätzen (ß 50 EStG).
Aus § 35 EStDV 1953 (ß 51 EStDV 1955) ergebe sich, daß der Abzug der ausländischen Personensteuer den Gewinn aus Gewerbebetrieb nicht berühre. Der Umstand, daß die Steuer vom Gesamtbetrag der Einkünfte abzuziehen sei, lasse sie mehr als eine Sonderausgabe erscheinen (Blümich-Falk, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, 7. Aufl., Anm. 1, Buchst. b zu § 9, S. 555, 556). Bei Kapitalgesellschaften sei die Rechtslage anders. § 35 EStDV 1953 (ß 51 EStDV 1955) sei gemäß § 15 KStDV 1953 (1955) auch bei der Veranlagung zur Körperschaftsteuer anzuwenden. Jedoch seien bei Steuerpflichtigen, die nach den Vorschriften des HGB zur Führung von Büchern verpflichtet seien, auf Grund § 16 KStDV alle Einkünfte als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu behandeln. Es stimme also in diesem Falle der Begriff der Einkünfte als Gewerbebetrieb mit dem Begriff des Gesamtbetrages der Einkünfte überein. Sei aber nur eine einzige Einkunftsart möglich, müsse folgerichtig ein vom Gesamtbetrag der Einkünfte vorgesehener Abzug bei der einzigen Einkunftsart zulässig sein. Der Abzug der ausländischen Personensteuer mindere daher bei einer Kapitalgesellschaft die Einkünfte aus Gewerbebetrieb.
Diese Rechtslage bestehe kraft des § 7 GewStG auch für die Gewerbesteuer. Der Abzug vom körperschaftsteuerlichen Gewinn wirke sich auf den Gewerbeertrag aus, da es keine Sondervorschrift gebe, welche die Hinzurechnung der vom Gewinn im Sinne des KStG abgezogenen ausländischen Steuern rechtfertige. Da bei Kapitalgesellschaften das Einkommen im Sinne des KStG mit dem Gewinn aus Gewerbebetrieb übereinstimme, könne der Abzug der ausländischen Steuer gewerbesteuerrechtlich auch nicht unter dem Gesichtspunkt verweigert werden, daß die mit dem Charakter der Gewerbesteuer als Sachsteuer nicht zu vereinbarenden Vorschriften des Einkommensteuer- und Körperschaftsteuerrechts bei der Gewinnermittlung für Zwecke der Gewerbesteuer nicht anzuwenden seien.
Dieses Ergebnis, nach dem nur bei Kapitalgesellschaften die ausländische Personensteuer den Gewerbeertrag mindere, verstoße nicht gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes. Die unterschiedliche gewerbesteuerliche Behandlung sei die Folge der verschiedenen Rechtsnatur der Kapitalgesellschaften einerseits und sonstiger steuerpflichtiger Unternehmen andererseits. Kapitalgesellschaften könnten nur betrieblich tätig sein und nur Einkünfte aus Gewerbebetrieb haben.
Entscheidungsgründe
Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung; die Sprungberufung wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die in der Türkei von den Bruttofrachten ausländischer Reedereien erhobene Steuer ist entgegen der Auffassung der Steuerpflichtigen keine Sachsteuer, die bei der Besteuerung nach dem KStG oder dem GewStG abzugsfähig wäre. Dem Bundesminister der Finanzen ist darin beizutreten, daß es sich bei der in der Türkei erhobenen Steuer um eine der deutschen Körperschaftsteuer entsprechende Steuer im Sinne des § 35 EStDV 1953 handelt. Die Besteuerung der Steuerpflichtigen in der Türkei beruhte auf folgenden Bestimmungen des türkischen KStG (Gesetz Nr. 5422 vom 7. Juni 1949 - englische übersetzung der Türk Argüs Ajansi aus dem Gesetzblatt Nr. 7229 vom 10. Juni 1949 -):
Art. 1. The profits of the following corporate bodies are liable to Corporation tax:
Associations of capital ... Limited taxation
Art. 11. Corporations indicated under Art. 1, the legal or business offices where of are not in Turkey are taxed only on profits and incomes earned in Turkey.
Object of limited taxation Art. 12. The profits and incomes coming under limited taxation indicated in Art. 11 are as follows:
Commercial profits earned by foreign corporations having in Turkey a fixed place of business or a permanent representative in accordance with the provisions of the Taxation Procedure Law, on business transacted in these places or through these repräsentatives ...
Profits of Foreign Transportation Companies
Art. 18. The corporation profits constituting the assessment of foreign transportation companies shall be calculated by applying to their receipts in Turkey an average similar rate.
The average similar rate shall be the same for all companies working in Turkey, whether continuously or accidentally, and it will be fixed for three years by the Ministry of Finance on the basis of information to be collected from various sources and on the basis of similarity.
Average similar rates fixed by the Ministry of Finance shall be published in the Official Gazette in the course of the calendar year preceding the period of enforcement.
Aus diesen Vorschriften ergibt sich, daß die die Steuerpflichtige als ausländisches Transportunternehmen in der Türkei treffende Steuer in einem besonders gearteten Veranlagungsverfahren als Körperschaftsteuer erhoben wird. Die Besteuerungsgrundlagen werden in einem vereinfachten rohen Verfahren ermittelt. Das körperschaftsteuerpflichtige Einkommen wird durch Anwendung eines vom türkischen Finanzministerium festgelegten Hundertsatzes auf die in der Türkei erzielten Einnahmen bestimmt. Die besondere Berechnungs- und Erhebungsweise dieser Steuer ändert nichts daran, daß es sich um eine der deutschen Körperschaftsteuer entsprechende Steuer handelt; Gegenstand der Besteuerung ist das in der Türkei erzielte Einkommen. Es handelt sich weder um eine Verkehr- noch um eine Sachsteuer; hierfür geben die Vorschriften des türkischen KStG keinen Anhalt. Dem Bundesminister der Finanzen ist darin beizutreten, daß diese Art der Besteuerung mit der nach § 50 EStG 1953 (vgl. auch § 50 a EStG 1961) wesensmäßig vergleichbar ist.
Dem Bundesminister der Finanzen und der Vorinstanz kann nicht darin gefolgt werden, daß die in der Türkei gezahlte Körperschaftsteuer bei der Ermittlung des Gewerbeertrages als Betriebsausgabe abzugsfähig sei. Nach § 7 GewStG ist bei Kapitalgesellschaften Gewerbeertrag der nach den Vorschriften des KStG zu ermittelnde Gewinn aus dem Gewerbebetrieb, der um die in den §§ 8 und 9 GewStG bezeichneten Beträge vermehrt oder vermindert wird. Gemäß § 17 Abs. 2 Ziff. 1 GewStDV 1950 gilt bei Kapitalgesellschaften als Gewinn, der nach den Vorschriften des KStG zu ermitteln ist, das Einkommen im Sinne des § 6 KStG, ohne Berücksichtigung des Verlustabzuges. Wenngleich jene Bestimmung in der GewStDV 1955 nicht mehr enthalten ist, so wurde dadurch doch, wie das Finanzgericht zutreffend bemerkt, die Rechtslage nicht geändert. Die in der vom Finanzgericht bezeichneten Entscheidung des Reichsfinanzhofs I 321/38 vom 14. Februar 1939 (RStBl 1939 S. 761, Slg. Bd. 46 S. 157) vertretene Auffassung, nach der bei Kapitalgesellschaften das nach § 6 KStG ermittelte Einkommen stets mit dem Gewinn aus dem Gewerbebetrieb im Sinne des § 7 GewStG übereinstimmt, ist durch die spätere Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs (Urteil I 132/40 vom 21. Mai 1940, RStBl 1940 S. 667, Slg. Bd. 48 S. 326) und die des Bundesfinanzhofs (Urteile I 99/52 U vom 10. Oktober 1952, BStBl 1953 III S. 94, Slg. Bd. 57 S. 236, und I 30/54 U vom 7. Mai 1954, BStBl 1954 III S. 252, Slg. Bd. 59 S. 113) modifiziert worden. Danach werden die Vorschriften des EStG und des KStG, die mit dem Charakter der Gewerbesteuer nicht zu vereinbaren sind, bei der Ermittlung des Gewinns für Zwecke der Gewerbesteuer nicht angewandt.
Die Kürzung des Gewinns aus dem Gewerbebetrieb im Sinne des § 7 GewStG um die im Ausland gezahlte Körperschaftsteuer ist schon deswegen nicht zulässig, weil die §§ 35 EStDV 1953 und 51 EStDV 1955 keine Gewinnermittlungsvorschriften sind. Dies ist bei der Besteuerung nach dem EStG offenkundig; denn der nach den Vorschriften der EStDV bei der Einkommensteuerveranlagung zulässige Abzug der ausländischen Steuer vom Gesamtbetrag der Einkünfte berührt den Gewinn aus Gewerbebetrieb nicht. Aus § 16 KStDV können für die Besteuerung nach dem KStG keine anderen Schlüsse gezogen werden. Nach dieser Vorschrift sind bei nach dem HGB buchführungspflichtigen Steuerpflichtigen alle Einkünfte als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu behandeln. Die Auffassung des Bundesministers der Finanzen, in diesem Falle stimme der Begriff der Einkünfte aus Gewerbebetrieb mit dem Begriff des Gesamtbetrages der Einkünfte überein, ist nicht folgerichtig. § 16 KStDV beruht auf der früheren Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs (Urteile I A 3/27 vom 19. Oktober 1927, RStBl 1928 S. 6; I A 395/27 vom 13. März 1928, Slg. Bd. 23 S. 91, 96, und I A 54/36 vom 21. April 1936, RStBl 1936 S. 559, Slg. Bd. 39 S. 211, 215), wonach bei den oben genannten Kapitalgesellschaften Einkommen jeder Art wie gewerbliches Einkommen ermittelt und behandelt wird. Die Vorschrift setzt also auch im Bereich des KStG verschiedene Einkunftsarten voraus, behandelt die einzelnen Einkünfte jedoch als ob sie gewerbliche Einkünfte wären. Die Begriffe der Einkunftsarten einerseits und des Gesamtbetrages der Einkünfte andererseits können nicht identisch sein.
Die in der Türkei entrichtete Körperschaftsteuer ist eine Betriebsausgabe der Steuerpflichtigen (Urteile des Bundesfinanzhofs I 39/50 S. vom 16. Januar 1951, BStBl 1951 III S. 37, Slg. Bd. 55 S. 93; III 196/55 S vom 22. November 1957, BStBl 1958 III S. 10, 13, Slg. Bd. 66 S. 24); sie ist jedoch mit Rücksicht auf § 12 Ziff. 2 KStG nicht abzugsfähig. Die auf Grund des § 15 Ziff. 2 KStDV 1953 und 1955 auf die Körperschaftsteuerveranlagung anwendbaren §§ 35 EStDV 1953 und 51 EStDV 1955 beseitigen im Ergebnis das für die Einkommensermittlung ausgesprochene Abzugsverbot durch die Erlaubnis, die Steuer vom Einkommen im Sinne des § 6 KStG abzuziehen. Der Abzug der im Ausland gezahlten Körperschaftsteuer ist jedoch nur scheinbar eine Ausnahme von § 12 KStG. Die Zweckbestimmung der §§ 35 EStDV 1953, 51 EStDV 1955 wird durch § 15 KStDV technisch in Form einer Einkommensminderung herbeigeführt. Materiell ist Gegenstand jener Vorschrift die Milderung der bei der Besteuerung nach dem EStG und dem KStG bestehenden Doppelbesteuerung, die insoweit eintritt, als der Steuerpflichtige auf im Ausland erzielte Einkünfte deutsche und ausländische Einkommensteuer bzw. Körperschaftsteuer zu zahlen hat. Diese Milderung ist ihrer Natur nach auf die Einkommensteuer und die Körperschaftsteuer beschränkt. Die Zweckbestimmung der genannten Vorschriften der EStDV steht ihrer Ausdehnung auf die Gewerbesteuer als Sachsteuer in Form einer Gewinnminderung entgegen, zumal die Doppelbesteuerungswirkung bei der Gewerbesteuer nicht eintritt. Diese Auslegung steht im Einklang mit der für Kapitalgesellschaften günstigeren Regelung des § 19 a KStG 1957; diese Vorschrift, nach der die gezahlte ausländische Körperschaftsteuer auf die deutsche Körperschaftsteuer anzurechnen ist, wirkt sich bei der Gewerbesteuer nicht aus.
Fundstellen
Haufe-Index 410426 |
BStBl III 1962, 254 |
BFHE 1962, 685 |
BFHE 74, 685 |
BB 1962, 753 |
DB 1962, 791 |