Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Bewertung Bewertung/Vermögen-/Erbschaft-/Schenkungsteuer Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Die Einfamilienhaus-VO ist nur anzuwenden, wenn ein Haus im Einheitswertverfahren der Art nach als Einfamilienhaus bewertet worden ist.
Bei einem nicht nach der Einfamilienhaus-VO zu behandelnden Wohngebäude ist der Nutzungswert der eigenen Wohnung im Sinne des § 21 Abs. 2 EStG durch Gegenüberstellung der zu schätzenden Rohmiete unter Abzug der nachgewiesenen Werbungskosten zu ermitteln. Bei der Schätzung der Rohmiete ist der Rechtsgedanke des § 8 Abs. 2 EStG sinngemäß anzuwenden.
EStG 1957 §§ 8 Abs. 2, 21 Abs. 2; Einfamilienhaus-VO vom 26. Januar 1937 § 2 (RGBl 1937 I S. 99,
Normenkette
EStG § 8 Abs. 2, § 21 Abs. 2; EinfHausVO 2; EStG § 7b
Tatbestand
Der Bf. baute im Jahre 1953 ein Haus mit zwei Zimmern, Kochnische, Waschraum und Toilette, das ihm in den Streitjahren 1954 und 1955 als Wochenendheim diente. Die Baukosten betrugen 8.629 DM. Die Einheitswertstelle des Finanzamts bewertete das Grundstück als sonstiges bebautes Grundstück nach § 32 Abs. 1 Ziff. 5 BewDV. Der Bf. beanspruchte die erhöhten Absetzungen für Abnutzung (AfA) gemäß § 7 b EStG. Streitig ist die Höhe des Nutzungswerts der Wohnung im eigenen Haus gemäß § 21 Abs. 2 EStG. Der Bf. will den Mietwert nach der Verordnung über die Bemessung des Nutzungswerts der Wohnung im eigenen Einfamilienhaus (Einfamilienhaus-VO) vom 26. Januar 1937 (RGBl 1937 I S. 99, RStBl 1937 S. 161) berechnet haben. Das Finanzamt hält dagegen die Einfamilienhaus-VO nur für anwendbar, wenn das Haus im Einheitswertverfahren der Art nach als Einfamilienhaus (§ 32 Abs. 1 Ziff. 4 BewDV) bewertet worden ist. Es ermittelte den Nutzungswert nach den im Urteil des Reichsfinanzhofs VI A 1222/30 vom 19. November 1930 (RStBl 1931 S. 486) entwickelten Grundsätzen auf 825 DM jährlich.
Das Finanzgericht gab dem Finanzamt recht. Es führte aus, das Wochenendhaus sei ein Wohnhaus im Sinne des § 7 b EStG. Es sei so hergerichtet, daß es das ganze Jahr über genutzt werden könne. Das Finanzamt habe den Nutzungswert zutreffend ermittelt.
In der Rb. macht der Bf. geltend, das Haus werde nur im Sommer genutzt. Der vom Finanzamt angesetzte Nutzungswert sei überhöht und trage der nur beschränkten tatsächlichen Nutzung nicht Rechnung. Er will nach wie vor die Einfamilienhaus-VO angewendet wissen.
Entscheidungsgründe
Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Nach § 21 Abs. 2 EStG gehört auch der Nutzungswert der Wohnung im eigenen Haus zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung. Zutreffend hat das Finanzgericht das Gebäude als Wohngebäude angesehen. Es ist nicht erforderlich, daß die "Wohnung" ständig benutzt wird. Wesentlich ist nur, daß die Räume ständig für Wohnzwecke bereitstehen (Urteil des Bundesfinanzhofs IV 575/55 U vom 18. Oktober 1956, BStBl 1956 III S. 385, Slg. Bd. 63 S. 492). Im Streitfall ist diese Voraussetzung erfüllt. Der Bf. bewohnt das Haus. Daß das nur im Sommer geschieht, ist unerheblich. Da das Haus als Ziegelbau winterfest gebaut ist sowie Doppelfenster und öfen hat, kann es auch in der kalten Jahreszeit bewohnt werden. Auch Stromanschluß ist vorhanden; die Wasserversorgung ist durch einen eigenen Brunnen gesichert. Daß der Zufahrtsweg nicht fest ausgebaut ist, ist demgegenüber nicht entscheidend. Das Finanzgericht konnte auf Grund seiner Feststellungen jedenfalls ohne Rechtsverstoß zu dem Ergebnis gelangen, daß das Haus kein leicht gebautes Sommerhaus (Laube), sondern ein ganzjährig nutzbares Wohngebäude sei. Der Bf. nimmt auch selbst an, daß er mit dem Haus neuen Wohnraum geschaffen habe. Gerade deswegen nimmt er die Vergünstigung des § 7 b EStG in Anspruch. Nach allem ist, wie die Vorinstanzen zutreffend angenommen haben, gemäß § 21 Abs. 2 EStG ein Nutzungswert für die Wohnung anzusetzen. Zu Unrecht verlangt der Bf., den Mietwert (Nutzungswert) des Hauses nach der Einfamilienhaus-VO zu berechnen. Die auf Grund der gesetzlichen Ermächtigung des § 29 Abs. 3 EStG ergangene Einfamilienhaus-VO kann, wie das Finanzgericht zutreffend angenommen hat, hier nicht angewendet werden, weil das Haus im Einheitswertverfahren der Art nach nicht als Einfamilienhaus (§ 32 Abs. 1 Ziff. 4 BewDV), sondern als sonstiges bebautes Grundstück bewertet worden ist (§ 32 Abs. 1 Ziff. 5 BewDV). Die Feststellung im Einheitswertverfahren ist insoweit für das Einkommensteuerveranlagungsverfahren bindend (§ 218 AO), wie im Urteil des Senats VI 302/57 U vom 10. Juli 1959 (BStBl 1959 III S. 330, Slg. Bd. 69 S.179) ausgeführt ist. Es bleibt dem Bf. überlassen, eine Artfortschreibung des Grundstücks zu beantragen, wenn er die Bewertung als sonstiges bebautes Grundstück für unrichtig hält und die Bewertung als Einfamilienhaus erreichen will. Die Frage, ob das Grundstück ein "Einfamilienhaus" ist, kann nicht im Einkommensteuerveranlagungsverfahren anders als im Einheitswertverfahren beurteilt werden. Dem Einheitswertverfahren gebührt in dieser Hinsicht der Vorrang.
Da die Einfamilienhaus-VO demnach für die Streitjahre nicht anwendbar ist, muß der Mietwert der Wohnung durch Gegenüberstellung der Einnahmen mit den Werbungskosten ermittelt werden. Das Finanzgericht hat den Mietwert nach den im Urteil des Reichsfinanzhofs VI A 1222/30, a. a. O., aufgestellten Grundsätzen berechnet. Das ist bedenklich. Die Nettomietwertberechnung, die in der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs entwickelt worden ist, ist durch die Einfamilienhaus-VO abgelöst worden (siehe dazu Urteil des Senats VI 23/55 S vom 25. Januar 1957, BStBl 1957 III S. 131, Slg. Bd. 64 S. 345). Die Nettomietberechnung kann daher ebensowenig Anwendung finden wie die Einfamilienhaus-VO. Die Einnahmen des Bf. aus Vermietung sind vielmehr im Wege der Schätzung zu ermitteln. Es kommt darauf an, was der Bf. bei Vermietung des Grundstücks an einen Dritten unter normalen Verhältnissen als Rohmiete erzielt haben würde. Der Rechtsgedanke des § 8 Abs. 2 EStG ist dabei sinngemäß anzuwenden.
Die nicht spruchreife Sache wird an das Finanzgericht zurückverwiesen, das nach diesen Grundsätzen den Bruttomietwert zu ermitteln und davon die vom Bf. darzulegenden Werbungskosten abzusetzen hat. Daß der Bf. das Haus nur während eines Teils des Jahres tatsächlich bewohnt, rechtfertigt nicht, nur für die Zeit der tatsächlichen Nutzung Einnahmen anzusetzen. Denn wenn der Bf. das Haus an einen Dritten vermieten würde, so würde er entweder eine Miete für das ganze Jahr verlangen oder für die Monate der tatsächlichen Benutzung die Miete so hoch bemessen, daß ihm - auf das Jahr gesehen - ein angemessener überschuß verbleibt.
Fundstellen
Haufe-Index 410815 |
BStBl III 1963, 364 |
BFHE 1964, 127 |
BFHE 77, 127 |