Erbschaftsteuer: Verlassen des Eigenheims vor Fristablauf

Grundsätzlich bleibt die Vererbung von selbst genutztem Wohneigentum nur dann steuerfrei, wenn der Erbe (z. B. Ehepartner oder Kinder) für mindestens 10 weitere Jahre in der Wohnung oder dem Haus wohnen bleibt. Verlassen Erben das selbst genutzte Familienheim vor Fristablauf, erfolgt eine nachträgliche Besteuerung nur dann, wenn keine zwingenden Gründe vorlagen.

"Ohne Gesundheit ist alles nichts." So lautet der entscheidende Teil eines bekannten Sprichworts. Tatsächlich können gesundheitliche Einschränkungen nicht nur die Lebensqualität der Betroffenen erheblich mindern. Für einige hat der schlechte körperliche oder seelische Zustand noch deutlich weitreichendere Folgen. Als besonders belastend erleben es die meisten dabei, wenn sie das langjährige Familienheim aufgeben müssen. Umso schlimmer ist dann die Erfahrung, wenn das Finanzamt sich mit einem Erbschaftsteuerbescheid meldet. Dies erlebten so zwei Frauen, die ihr selbst genutztes Haus jeweils vor weniger als 10 Jahren geerbt hatten. Über beide Fälle hat zuletzt der Bundesfinanzhof entschieden.

Aufgabe der Selbstnutzung eines Familienheims

Im ersten Fall (BFH Urteil vom 01.12.2021 - II R 1/21) hatte eine Ehefrau von ihrem Mann die Hälfte des Einfamilienhauses geerbt, das sie selbst bewohnte. Den restlichen Anteil des Familienheims erbten seine Kinder, welche diesen jedoch der Witwe überschrieben. Im Jahr nach dem Tod des Ehemannes verkaufte die Frau das Haus und kaufte eine Eigentumswohnung, in die sie im Folgejahr einzog. Daraufhin lehnte das zuständige Finanzamt die Befreiung von der Erbschaftsteuer ab, da die Erbin die Selbstnutzung des bisherigen Familienheims vor Ablauf von 10 Jahren aufgegeben hatte. Dass der Hintergrund dafür eine depressive Erkrankung war, die sich in der zuvor mit ihrem Mann gemeinsam bewohnten Umgebung nach dessen Tod verschlechterte, erkannten weder die Sachbearbeiter noch im anschließenden Verfahren die Richter am Finanzgericht Münster als zwingenden Grund für den Auszug an.

Genauso erging es einer Frau in einem weiteren Fall (BFH Urteil vom 01.12.2021 - II R 18/20), die von ihrem Vater ein Grundstück mit Einfamilienhaus geerbt hatte. Sie selbst bewohnte das erste Obergeschoss, bevor sie 7 Jahre nach der Erbschaft auszog und das Haus abreißen ließ. Daraufhin änderte das zuständige Finanzamt die festgesetzte Erbschaftsteuer, wobei die Steuerbefreiung entfiel. Die dagegen gerichtete Klage der Frau wurde vom Finanzgericht Düsseldorf abgewiesen. Denn nach Einschätzung der Richter hätte sie das Obergeschoss trotz gesundheitlich bedingter Probleme beim Treppensteigen weiterhin nutzen können, wenn sie entsprechende Unterstützung in Anspruch genommen hätte. Auch bauliche Mängel, welche die weitere Nutzung durch die Frau verhindert hätten, erkannte das Gericht nicht an.

Hinderungsgründe zur Selbstnutzung bezogen auf das konkrete Familienheim

Der Bundesfinanzhof bewertete die grundsätzliche Frage der Selbstnutzung eines Familienheims durch Erben anders als die Richter der Vorinstanzen: Während die Finanzgerichte zwingende Gründe dagegen nur dann erkennen wollten, wenn die Betroffenen nicht mehr in der Lage wären, überhaupt einen eigenen Haushalt zu führen, zeigte sich das oberste Finanzgericht offener. Demnach kommt es vielmehr darauf an, ob ein Erbe daran gehindert ist, das vorliegende Familienheim noch selbst zu nutzen. Kann er dagegen in einer anderen Wohnung weiter seinen Haushalt führen, wirkt sich dies nicht negativ auf die Befreiung von der Erbschaftsteuer aus. Denn dies würde sonst den Zielen des Gesetzgebers hinter dieser Regelung widersprechen.

Ist dem Erben aus objektiven Gründen die weitere Selbstnutzung des Familienheims nicht möglich oder zuzumuten, bleibt die Steuerbefreiung erhalten. Bei der Beurteilung zieht aber auch der Bundesfinanzhof Grenzen: Denn eine bloße Pflegebedürftigkeit reicht dafür nicht aus. Solange eine Haushaltsführung mit Hilfe von externen Pflegediensten oder anderweitiger Unterstützung möglich ist, ist die weitere Nutzung zunächst als zumutbar anzusehen. Sind allerdings dadurch für die Zukunft negative Auswirkungen für die Gesundheit zu erwarten, können sich zwingende Gründe für die Aufgabe des geerbten Eigenheims ergeben. Die Beweislast dafür liegt jeweils beim Erben. Entsprechend haben die Richter beide Fälle an die Vorinstanzen zurückverwiesen. Ihre Aufgabe ist es nun, die konkreten Hintergründe mit Blick auf die Zumutbarkeit zu ermitteln.

Praxis-Tipp: Eigenheim steuerfrei an Ehepartner oder Kinder vererben

Ein Familienheim lässt sich erbschaftsteuerfrei an Partner oder Kinder vererben, wenn ein paar Voraussetzungen berücksichtigt werden. So muss der Verstorbene das Eigenheim bis zum Zeitpunkt seines Todes selbst bewohnt haben. Wenn der Erbe dort nicht ebenfalls wohnt, muss er unverzüglich nach dem Erbfall einziehen und es für die kommenden 10 Jahre selbst nutzen. Bei Kindern gilt diese Steuerbefreiung nur bis zu einer Wohnfläche von 200 Quadratmetern.


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Schlagworte zum Thema:  Erbschaftsteuer, Steuerbefreiung, BFH-Urteile