Leitsatz (amtlich)
Verpflichtet sich ein Ehegatte in einer Vereinbarung über die Scheidungsfolgen, den anderen Ehegatten lebenslänglich zu versorgen, während dieser dafür auf seinen Zugewinnausgleichsanspruch verzichtet, so kann der Verpflichtete seine wiederkehrenden Versorgungsleistungen als dauernde Last nur insoweit abziehen, als ihr Wert denjenigen des Zugewinnausgleichsanspruchs übersteigt.
Orientierungssatz
Werden während des Revisionsverfahrens der angefochtene Steuerbescheid geändert und der Änderungsbescheid zum Gegenstand des Verfahrens gemacht (§§ 68, 123 FGO), so braucht der BFH das angefochtene Urteil nicht aufzuheben und die Sache nicht an das FG zurückzuverweisen, wenn die Streitsache spruchreif ist und die tatsächlichen Grundlagen hinsichtlich des Streitpunkts durch den neuen Bescheid nicht berührt werden (vgl. BFH-Urteil vom 31.7.1984 IX R 3/79).
Normenkette
EStG 1975 § 10 Abs. 1 Nr. 1, § 12 Nr. 2, § 22 Nr. 1; FGO §§ 68, 123, 127
Verfahrensgang
FG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 13.09.1979; Aktenzeichen X (VII) 701/78) |
Nachgehend
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Wirtschaftsprüfer und Steuerberater. Seine am 8.August 1966 geschlossene Ehe wurde auf die Klage seiner Ehefrau durch Urteil des Landgerichts ... vom 6.Februar 1975 nach Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft vor mehr als drei Jahren gemäß § 48 Abs.1 des Ehegesetzes 1946 ohne Schuldausspruch geschieden.
Anläßlich ihrer Ehescheidung schlossen der Kläger und seine Ehefrau am 3.Februar 1975 eine notariell beurkundete, als "Auseinandersetzungsvertrag" bezeichnete Vereinbarung, mit der der Anspruch der Ehefrau auf Ausgleich des Zugewinns abgegolten werden sollte. Die Vertragsparteien ließen sich dabei u.a. davon leiten, daß die Wertsteigerung des Praxisanteils des Klägers und seiner Beteiligungen während des Bestehens der Ehe sich nur schwer ermitteln lasse und daß die Versorgung der Ehefrau gesichert werden müsse. Der Kläger verpflichtete sich, seine Ehefrau grundsätzlich bis zu ihrem Ableben von ihrer Wohnungsmiete sowie ihren Krankenversicherungsprämien freizuhalten und ihr einen "Auseinandersetzungsbetrag" von 800 DM monatlich zu zahlen. Ein vorzeitiges Ende dieser Verpflichtung war für die Fälle vorgesehen, daß seine Ehefrau wieder heiratet, besonders günstige wirtschaftliche Verhältnisse erlebt oder mehr als 2 000 DM netto monatlich bezieht. Die monatlichen Zahlungen von 800 DM, die mit einer Wertsicherungsklausel verbunden waren, sollten um etwaige Einkünfte der Ehefrau über 1 000 DM gekürzt werden und der Abänderung nach Maßgabe des § 323 der Zivilprozeßordnung (ZPO) unterliegen. Die Vertragsparteien erklärten mit den vorstehenden Leistungen alle wechselseitigen Ansprüche aus jeglichem Rechtsgrund, insbesondere aus Zugewinnausgleich, für abgegolten.
Der Kläger erbrachte im Jahre 1975 aufgrund des Vertrages vom 3.Februar 1975 wiederkehrende Leistungen an seine Ehefrau im Werte von 12 450 DM. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte bei seiner Einkommensteuerveranlagung 1975 diese Aufwendungen nicht als Sonderausgaben in Gestalt einer dauernden Last nach § 10 Abs.1 Nr.1 des Einkommensteuergesetzes 1975 (EStG).
Mit seiner Klage erstrebte der Kläger den Abzug der vorstehenden Aufwendungen als Sonderausgaben. Der Wert des Anspruchs seiner Ehefrau auf Ausgleich des Zugewinns sei höher als die Hälfte des kapitalisierten Barwerts der von ihm vertraglich übernommenen Verpflichtungen gewesen. Der Wert der Forderung auf Zugewinnausgleich habe 127 567 DM betragen.
Das Finanzgericht (FG) hat der Klage mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1980, 18 veröffentlichten Urteil stattgegeben.
Mit seiner vom FG zugelassenen Revision rügt das FA unrichtige Anwendung des § 10 Abs.1 Nr.1 und § 12 Nr.2 EStG. Die Leistungen des Klägers an seine Ehefrau seien nicht als dauernde Last abziehbar, weil es an einem besonderen Verpflichtungsgrund fehle. Sie hätten ihren Rechtsgrund in dem gesetzlichen Anspruch seiner Ehefrau auf Zugewinnausgleich nach § 1378 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Mit dem Auseinandersetzungsvertrag vom 3.Februar 1975 sei lediglich die Höhe und die Auszahlung der gesetzlichen Ausgleichsforderung geregelt worden. Einem Sonderausgabenabzug stehe auch § 12 Nr.2 EStG entgegen, weil der Kläger mit seinem Leistungsversprechen laut Vertrag vom 3.Februar 1975 seiner Ehefrau eine Zuwendung aufgrund einer freiwillig begründeten Rechtspflicht gemacht habe. Er sei zu wiederkehrenden Leistungen nach § 1378 BGB nicht verpflichtet gewesen.
Das FA beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen, hilfsweise, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Sache an das FG zurückzuverweisen.
Während des Revisionsverfahrens hat das FA den Einkommensteuerbescheid 1975 aus Gründen, die nicht im Streit sind, geändert. Der Kläger hat beantragt, den geänderten Bescheid zum Gegenstand des Verfahrens gemäß §§ 68, 123 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zu machen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist begründet.
Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Entscheidung in der Sache selbst (§ 126 Abs.3 Nr.1 FGO).
1. Gegenstand des Verfahrens ist aufgrund der entsprechenden Erklärung des Klägers der geänderte Einkommensteuerbescheid 1975 (§§ 68, 121, 123 Satz 2 FGO). Der Senat hält es nicht für geboten, nach § 127 FGO das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen, da die Sache entscheidungsreif ist und die tatsächlichen Grundlagen hinsichtlich des Streitpunktes durch den neuen Bescheid nicht berührt werden (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 31.Juli 1984 IX R 3/79, BFHE 142, 347, BStBl II 1985, 33).
2. Das angefochtene Urteil war aufzuheben, weil das FG die Leistungen des Klägers an seine geschiedene Ehefrau im Werte von 12 450 DM unzutreffend als dauernde Last i.S. von § 10 Abs.1 Nr.1 EStG im Rahmen der Sonderausgaben zum Abzug zugelassen hat.
Es kann dahinstehen, ob dem begehrten Abzug der wiederkehrenden Leistungen des Klägers an seine frühere Ehefrau als dauernde Last bereits § 12 Nr.2 EStG entgegensteht, weil es sich dabei möglicherweise um verdeckte Unterhaltsleistungen handelt, denen die früheren Eheleute lediglich durch die von ihnen gewählte Rechtsgestaltung einen anderen rechtlichen Charakter verliehen haben. Selbst wenn die wiederkehrenden Leistungen des Klägers grundsätzlich als dauernde Last i.S. von § 10 Abs.1 Nr.1 EStG zu beurteilen sind, sind sie im Streitjahr 1975 vom Abzug als Sonderausgaben ausgeschlossen.
a) Nach § 10 Abs.1 Nr.1 EStG sind im Rahmen der Sonderausgaben auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhende Aufwendungen, die weder Betriebsausgaben noch Werbungskosten sind, als dauernde Lasten abziehbar, sofern sie nicht mit Einkünften in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, die bei der Veranlagung außer Betracht bleiben. In dieser Vorschrift sind weder der Begriff der dauernden Last noch der Umfang ihrer Abziehbarkeit näher bestimmt. Der Gesetzgeber hat dies der Rechtsprechung überlassen. Der Bundesfinanzhof (BFH) hatte bereits in seinem Urteil vom 16.September 1965 IV 67/61 S (BFHE 83, 568, BStBl III 1965, 706)auf die Schwierigkeiten hingewiesen, dabei eine befriedigende Lösung zu finden und deshalb ein Tätigwerden des Gesetzgebers angeregt. Dieser hat die Anregung jedoch bis heute nicht aufgegriffen.
Die Rechtsprechung hat den Begriff der dauernden Lasten i.S. von § 10 Abs.1 Nr.1 EStG dahingehend definiert, daß hierunter wiederkehrende, nach Zahl oder Wert nicht gleichmäßige Aufwendungen fallen, die ein Steuerpflichtiger in Geld oder Sachwerten für längere Zeit einem anderen gegenüber aufgrund einer rechtlichen Verpflichtung zu erbringen hat (so zuletzt BFH-Urteil vom 13.August 1985 IX R 10/80, BFHE 144, 423, BStBl II 1985, 709).
Ebenso hat die Rechtsprechung auch den Umfang der Abziehbarkeit dauernder Lasten konkretisiert. Dies verkennt Biergans (Deutsches Steuerrecht --DStR-- 1986, 141) bei seiner an dem vorstehenden Urteil geübten Kritik, für eine Beschränkung der Abziehbarkeit dauernder Lasten durch eine Wertverrechnung fehle die gesetzliche Grundlage. Die Rechtsprechung hat, um zu einem einigermaßen tragbaren Ergebnis zu gelangen, seit dem Grundsatzurteil in BFHE 83, 568, BStBl III 1965, 706 zwischen dauernden Lasten, die im Rahmen einer unentgeltlichen Vermögensübertragung dem Übernehmer zur Versorgung des Übertragenden auferlegt worden sind, und solchen dauernden Lasten unterschieden, die der Verpflichtete als Gegenleistung auf Grund eines kauf- oder darlehensähnlichen Geschäfts zu erbringen hat.
Zur ersten Gruppe zählen vornehmlich Versorgungsversprechen anläßlich der Übertragung eines land- und forstwirtschaftlichen oder gewerblichen Betriebs von Eltern auf ihre Kinder oder anläßlich einer Vermögensübertragung im Wege vorweggenommener Erbfolge. Derartige nicht im Austausch mit einer Gegenleistung, sondern auf Grund einer Schenkung unter Auflage zu erbringende wiederkehrende Leistungen in schwankender Höhe sind als dauernde Lasten in voller Höhe als Sonderausgaben zum Abzug zugelassen worden (vgl. hierzu BFH-Urteile in BFHE 83, 568, BStBl III 1965, 706, und vom 30.Oktober 1984 IX R 2/84, BFHE 143, 317, BStBl II 1985, 610).
Hingegen hat die Rechtsprechung eine Verrechnung mit Gegenwerten, die von ihr früher bei sämtlichen dauernden Lasten verlangt worden war, jedenfalls in Fällen der zweiten Gruppe, nämlich bei kauf- oder darlehensähnlichen Vorgängen für geboten erachtet, bevor wiederkehrende Leistungen als dauernde Lasten abgezogen werden dürfen (BFH-Urteile vom 28.Juni 1963 VI 321/61 U, BFHE 77, 287, BStBl III 1963, 424; in BFHE 83, 568, BStBl III 1965, 706). Der erkennende Senat hat in Fortentwicklung dieser Rechtsprechung in seinem Urteil in BFHE 144, 423, BStBl II 1985, 709 eine Wertverrechnung in allen Fällen als notwendig angesehen, in denen wiederkehrende Leistungen auf Grund eines gegenseitigen Vertrages im Austausch mit einer Gegenleistung erbracht werden. Er hält hieran fest.
Wie bereits in dem zuvor angegebenen Urteil ausgeführt, enthält der Leistungsaustausch beim Verpflichteten so lange nur eine Vermögensumschichtung, als der Wert der wiederkehrenden Leistungen noch nicht den Wert der Gegenleistung übersteigt. Bis dahin ist die Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen, der durch den Abzug einer dauernden Last nach § 10 Abs.1 Nr.1 EStG Rechnung getragen werden soll, noch nicht gemindert.
Die Erwägung, daß wiederkehrende Leistungen sich einkommensteuerrechtlich insoweit nicht auswirken, als sie nur zu einer Vermögensumschichtung führen, bestimmt auch die steuerliche Behandlung der Leibrente, worauf Stephan (Der Betrieb --DB-- 1986, 450) bereits zutreffend hingewiesen hat. Die bloße Vermögensumschichtung bezüglich des Kapitalanteils der Leibrente bleibt sowohl beim Verpflichteten nach § 10 Abs.1 Nr.1 EStG als auch beim Berechtigten nach § 22 Nr.1 Buchst.a EStG einkommensteuerrechtlich unberücksichtigt. Dies läßt sich allerdings nicht generell auf die dauernde Last übertragen, da bei ihr das für die Leibrente typische Rentenstammrecht fehlt. Eine einkommensteuerrechtlich irrelevante Vermögensumschichtung ist jedoch auch bei einer dauernden Last insoweit gegeben, als sie durch den Wert einer Gegenleistung aufgewogen wird.
Der Senat verkennt nicht, daß die vorstehenden Erwägungen bezüglich entgeltlich übernommener dauernder Lasten sich nicht nur auf den Umfang ihrer Abziehbarkeit nach § 10 Abs.1 Nr.1 EStG auf seiten des Verpflichteten, sondern --nach dem Korrespondenzprinzip-- auch auf die Höhe steuerpflichtiger wiederkehrender Bezüge nach § 22 Nr.1 EStG auf seiten des Berechtigten auswirken. Hierauf ist bereits in DStR 1985, 739 hingewiesen worden. Der erkennende Senat braucht jedoch auf die Folgen auf der Empfängerseite --wie etwa im Falle einer Schadensersatzrente (vgl. BFH-Urteil vom 19.Oktober 1978 VIII R 9/77, BFHE 126, 405, BStBl II 1979, 133)-- nicht einzugehen, da im vorliegenden Fall über die Frage des Abzugs wiederkehrender Leistungen als dauernde Last zu entscheiden ist.
b) Die wiederkehrenden Leistungen des Klägers an seine frühere Ehefrau sind nach den vorstehenden Ausführungen allerdings grundsätzlich als dauernde Last zu beurteilen. Denn er verpflichtete sich in dem "Auseinandersetzungsvertrag" vom 3.Februar 1975 zu wiederkehrenden Sach- und Barleistungen in schwankender Höhe. Dies gilt nicht nur für die Übernahme ihrer Wohnungsmiete und ihrer Krankenversicherungsbeiträge, sondern auch für den "Auseinandersetzungsbetrag" von 800 DM monatlich. Denn diese Barleistungen unterlagen bezüglich ihrer Höhe der Abänderung nach den Rechtsgrundsätzen des § 323 ZPO. Damit entfiel nach den Grundsätzen des Urteils des erkennenden Senats in BFHE 143, 317, BStBl II 1985, 610 ihre Gleichmäßigkeit.
Eine Abziehbarkeit der wiederkehrenden Leistungen des Klägers scheitert im Streitjahr 1975 jedoch an der gebotenen Verrechnung seiner Aufwendungen mit der Gegenleistung seiner früheren Ehefrau auf Grund des "Auseinandersetzungsvertrages" vom 3.Februar 1975. Dabei handelte es sich um einen gegenseitigen Vertrag, in dem die Vertragsparteien einen Austausch von Leistung und Gegenleistung vereinbarten. Seine Ehefrau verzichtete auf eine genaue Ermittlung und Auskehrung ihres Zugewinnanspruchs nach § 1378 BGB sowie auf etwaige andere Ansprüche aus ihrer ehelichen Lebensgemeinschaft. Im Gegenzug versprach der Kläger ihr dafür eine lebenslängliche Versorgung. Die Vertragsparteien erklärten damit alle wechselseitigen Ansprüche aus jeglichem Rechtsgrund --insbesondere aus dem Zugewinnausgleich-- für abgegolten.
Bei der somit erforderlichen Wertverrechnung übersteigen die vom Kläger erstmals im Jahre 1975 erbrachten wiederkehrenden Leistungen im Werte von 12 450 DM nicht den Gegenwert in Gestalt des aufgegebenen Anspruchs der Ehefrau auf Ausgleich des Zugewinns. Nach dem eigenen Vorbringen des Klägers belief sich der Wert der Ausgleichsforderung seiner Ehefrau auf 127 567 DM.
3. Die Sache ist spruchreif. Die Klage ist hiernach abzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 61357 |
BStBl II 1986, 674 |
BFHE 146, 442 |
BFHE 1986, 442 |
BB 1986, 1554-1555 (ST) |
DB 1986, 1856-1857 (ST) |
DStR 1986, 576-576 (ST) |
HFR 1986, 627-627 (ST) |