Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Die Vorschrift des § 39a Abs. 3 EStG 1957, nach der, wenn beide Ehegatten Arbeitnehmer sind, einem von ihnen die Steuerklasse I auf der Lohnsteuerkarte eingetragen wird, ist rechtswirksam.
Normenkette
EStG § 39a Abs. 3; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1
Tatbestand
Die Beschwerdeführerin (Bfin.) verheiratete sich am 4. August 1956 und hatte auch nach der Eheschließung - wie ihr Ehemann - Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit; sie wurde während des ganzen Kalenderjahres 1956 nach Steuerklasse I besteuert. Im Lohnsteuerjahresausgleich 1956 verlangte sie, ihre Lohnsteuer 1956 unter Anwendung der Steuerklasse II zu berechnen. Das Finanzamt lehnte das unter Berufung auf § 39a Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1957 ab.
Das Finanzgericht wies die Sprungberufung als unbegründet zurück. Es nahm an, die Vorschrift des § 39a Abs. 3 Satz 1 EStG 1957, nach der bei Ehefrauen die Lohnsteuer nach Steuerklasse I berechnet wird, sei rechtsgültig und widerspreche weder Art. 6 Abs. 1 noch Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (GG).
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde (Rb.) kann keinen Erfolg haben.
Die Bfin. bestreitet nicht, daß an sich gemäß § 39a Abs. 3 Satz 1 EStG 1957 die Lohnsteuer auf ihren Arbeitslohn für das ganze Kalenderjahr 1956 nach Steuerklasse I zu berechnen war und daß infolgedessen ihr Antrag, beim Lohnsteuerjahresausgleich 1956 die Lohnsteuer nach Steuerklasse II zu berechnen, im Gesetz keine Grundlage hat. Sie hält aber die Bestimmung des § 39a Abs. 3 Satz 1 EStG 1957 wegen Verfassungswidrigkeit für rechtsungültig.
Dieser Auffassung ist nicht beizutreten. Im Lohnsteuerabzugsverfahren hat der Arbeitgeber die Lohnsteuer für jeden Arbeitnehmer entsprechend den Eintragungen auf der Lohnsteuerkarte selbständig zu berechnen, und zwar auch, wenn beide Ehegatten Arbeitnehmer sind. Eine Zusammenrechnung der Arbeitseinkünfte von Ehegatten zum Zweck einheitlicher Besteuerung kennt das Lohnsteuerrecht nicht. Stehen beide Ehegatten in einem Arbeitsverhältnis, so wird grundsätzlich auf der Lohnsteuerkarte des Ehemannes die familiengerechte Steuerklasse (vgl. dazu § 32 Abs. 3 und 4 EStG 1957) und auf der Lohnsteuerkarte der Ehefrau die Steuerklasse I eingetragen. Dadurch soll verhindert werden, daß Ehegatten, die beide als Arbeitnehmer tätig sind, bei der Erhebung der Einkommensteuer (Lohnsteuer) einen sachlich ungerechtfertigten Vorteil gegenüber veranlagten Steuerpflichtigen erlangen. Hat nämlich zum Beispiel ein Ehemann Einkünfte aus Gewerbebetrieb und seine Ehefrau Einkünfte aus Kapitalvermögen, so werden diese Ehegatten für die Veranlagungszeiträume 1949 bis 1957 gemäß §§ 26 ff. EStG 1957 grundsätzlich getrennt veranlagt und nach Steuerklasse I besteuert (ß 32a Satz 1 EStG 1957). Diese gesetzliche Regelung ist mit dem GG vereinbar, wie der Senat in der Entscheidung VI 90/58 U vom 8. August 1958 (BStBl 1958 III S. 418, Slg. Bd. 67 S. 375) bereits ausgesprochen hat. § 39a Abs. 3 Satz 1 EStG 1957 überträgt diesen Grundgedanken auf das Lohnsteuerverfahren, allerdings mit einer wesentlichen Vergünstigung für die Lohnsteuerpflichtigen. Denn es werden nicht, wie es bei gleichmäßiger Behandlung von Lohnsteuerpflichtigen und veranlagten Steuerpflichtigen der Fall sein würde, beide Ehegatten in die Steuerklasse I eingestuft, sondern nur einer von ihnen; der andere erhält die familiengerechte Steuerklasse. Welchem der beiden Ehegatten die familiengerechte Steuerklasse eingetragen wird, können weitgehend die Eheleute selbst bestimmen, je nachdem, wie es ihnen steuerlich am günstigsten ist (ß 39a Abs. 3 Sätze 2 ff. EStG 1957). Diese gesetzliche Regelung führt zu einer steuerlichen Begünstigung für Arbeitnehmer-Ehegatten; denn der Ehegatte, dem die familiengerechte Steuerklasse eingetragen ist, erhält den in die Lohnsteuertabelle eingebauten steuerfreien Einkommensteil und ferner die in die Lohnsteuertabelle eingebaute Familienermäßigung für den anderen Ehegatten; der andere Ehegatte, dem die Steuerklasse I bescheinigt ist, erhält ebenfalls den in die Lohnsteuertabelle eingebauten steuerfreien Einkommensteil. So betrachtet stehen Arbeitnehmer-Ehegatten günstiger, als wenn sie beide als Unverheiratete Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit bezogen hätten. Sie stehen aber auch günstiger als Ehegatten mit Einkünften aus anderen Einkunftsarten, die, wie bemerkt, bei getrennter Veranlagung beide nach Steuerklasse I besteuert werden.
Zu Unrecht nimmt die Bfin. an, § 39a Abs. 3 Satz 1 EStG 1957 verstoße gegen das Grundrecht des Schutzes und der Förderung der Ehe durch den Staat (Art. 6 Abs. 1 GG). In der Vorschrift liegt keine dem Art. 6 Abs. 1 GG widersprechende steuerliche Benachteiligung von Ehegatten.
§ 39a Abs. 3 Satz 1 EStG 1957 verletzt auch nicht, wie die Bfin. meint, den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Der Gesetzgeber war, wenn er aus Entgegenkommen abweichend von der allgemeinen Regelung einem Arbeitnehmer-Ehegatten die Eintragung der familiengerechten Steuerklasse zugestand, unter dem verfassungsrechtlichen Gesichtspunkt des Gleichheitsgrundsatzes nicht verpflichtet, auch die Einkünfte des anderen Ehegatten nach der familiengerechten Steuerklasse zu besteuern. Darauf hat der Senat in der Entscheidung VI 315/58 U vom 20. März 1959 (BStBl 1959 III S. 218) bereits hingewiesen. Auf dieser Erwägung beruht auch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts I BvL 19/58, 1 BvL 21/58 vom 14. April 1959 (BStBl 1959 I S. 208).
Fundstellen
Haufe-Index 409421 |
BStBl III 1959, 353 |
BFHE 1960, 241 |
BFHE 69, 241 |