Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorgezogene Abfindung eines weichenden Erben
Leitsatz (amtlich)
Eine Abfindung weichender Erben i.S. von § 14a Abs.4 Satz 2 Nr.1 Buchst.a EStG 1986 kann auch vorliegen, wenn der künftige Hoferbe oder Hofübernehmer noch nicht feststeht. Wird der Abgefundene Erbe oder Hofübernehmer oder bleibt der landwirtschaftliche Betrieb nicht bestehen, ist der begünstigende Einkommensteuerbescheid gemäß § 175 Abs.1 Nr.2 AO 1977 zu ändern (Abweichung vom BFH-Urteil vom 3.März 1988 IV R 62/87, BFHE 153, 111, BStBl II 1988, 608 und Abschn.133b Abs.3 EStR 1990).
Normenkette
EStG 1986 § 14a Abs. 4; AO 1977 § 175 Abs. 1 Nr. 2; EStR 1990 Abschn. 133b Abs. 3
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind zusammenveranlagte Eheleute. Der Ehemann ist im Jahre 1937, die Ehefrau im Jahre 1942 geboren. Sie haben drei Kinder, und zwar die am 21.August 1966 geborene Tochter A sowie den am gleichen Tag geborenen Sohn B und den am 10.Oktober 1973 geborenen Sohn C. Der Kläger ist Eigentümer eines von ihm geführten landwirtschaftlichen Betriebes, die Klägerin Hausfrau. Der ältere Sohn hat eine landwirtschaftliche Lehre mit der Gehilfenprüfung abgeschlossen und im Anschluß hieran eine landwirtschaftliche Fachschule besucht. Er ist als Betriebshelfer tätig. Daneben arbeitet er im Betrieb des Klägers mit. Die Tochter wurde in einem nichtlandwirtschaftlichen Beruf ausgebildet.
Nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) übertrugen die Kläger mit notariell beurkundetem Vertrag vom 25.Juni 1986 aus dem landwirtschaftlichen Betrieb einen 7,84 a großen Acker auf ihre Tochter. Die Übergabe war auszugleichen und ggf. auf den Pflichtteil anzurechnen. Der Entnahmegewinn stellt sich auf 8 868 DM.
In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1985 beanspruchten die Kläger für den auf dieses Jahr entfallenden Anteil von 4 434 DM des Entnahmegewinns den Freibetrag für die Abfindung weichender Erben nach § 14a Abs.4 Satz 2 Nr.1 a des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1986.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) lehnte die Gewährung des begehrten Freibetrages ab, weil von den Klägern die Bestimmung des oder der künftigen Hoferben nicht in ausreichender Weise nachgewiesen worden sei. Das Einkommen der Kläger betrug laut Steuerbescheid 30 756 DM. Der Einspruch blieb erfolglos.
Mit der Klage machten die Kläger geltend, die Bestimmung des künftigen Hoferben durch notariell beurkundeten Vertrag über eine spätere Hofübergabe oder einen Erbvertrag könne nicht gefordert werden, weil sonst die Gebühren für den Notar die Steuerersparnis durch den Freibetrag übersteigen würden. Für die Gewährung des Freibetrages müsse es vielmehr ausreichen, wenn durch die Berufsausbildung und die ausgeübte Berufstätigkeit feststünde, wer den Hof künftig übernehmen werde. Aus der Berufsausbildung und der Berufstätigkeit der beiden älteren Kinder sei jedoch eindeutig ersichtlich, daß die Tochter als künftige Hoferbin nicht in Frage komme.
Während des Klageverfahrens haben die Kläger einen Vertrag vom 7.Februar 1991 vorgelegt. Danach wird der landwirtschaftliche Betrieb mit Wirkung ab 1.Juli 1991 in Form einer zwischen den Klägern und ihrem älteren Sohn bestehenden Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) fortgeführt.
Die Klage hatte keinen Erfolg. Das FG begründete dies im wesentlichen damit, daß es an dem erforderlichen Nachweis für die Bestimmung des oder der künftigen Hoferben durch eine bindende Anordnung des derzeitigen Hofeigentümers oder durch gleichwertige tatsächliche Umstände fehle.
Bei dem Alter der Kläger im Übertragungsjahr von 49 und 43 Jahren sei der Möglichkeit einer Betriebsveräußerung oder Aufgabe vor einer beabsichtigten und späteren Hofübergabe erhebliches Gewicht beizumessen. Zudem sei bei dem Alter des älteren Sohnes im Übertragungsjahr von 19 Jahren die Möglichkeit eines Berufswechsels oder der Einheirat in einen anderen Betrieb nicht auszuschließen. Angesichts dessen seien die Kläger gehalten, die Hofnachfolge in einer bindenden Form, nämlich durch notarielle Abmachung zu regeln. Dem mit Wirkung ab 1.Juli 1991 mit dem älteren Sohn eingegangenen Gesellschaftsvertrag könne keine steuerliche Rückwirkung zuerkannt werden. Darin sei zudem lediglich "vorgesehen", daß der ältere Sohn den Betrieb im Wege der vorweggenommenen Erbfolge übernehmen solle. Eine bindende Anordnung sei damit nicht getroffen worden.
Mit der vom erkennenden Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision machen die Kläger geltend, das angefochtene Urteil verletze § 14a Abs.4 EStG.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Das FG hat es zu Unrecht abgelehnt, den Klägern den beantragten Freibetrag nach § 14a Abs.4 Satz 2 Nr.1 a EStG zu gewähren.
1. Da die fragliche Grundstücksübertragung im Jahre 1986 stattgefunden hat, ist im Streitfall § 14a Abs.4 EStG i.d.F. des Steuerbereinigungsgesetzes vom 19.Dezember 1985 (Art.7 Nr.5, Nr.23 des Gesetzes, BGBl I 1985, 2436, BStBl I 1985, 735) und des Wohneigentumsförderungsgesetzes vom 15.Mai 1986 (Art.1 Nr.4, Nr.12, BGBl I 1986, 730, BStBl I 1986, 278) anzuwenden. Danach ist der bei der Veräußerung von Grund und Boden oder bei seiner Entnahme entstehende Gewinn auf Antrag nur insoweit zur Einkommensteuer heranzuziehen, als er den Betrag von 120 000 DM übersteigt. Dies gilt nach § 14a Abs.4 Nr.1 a EStG jedoch nur, wenn der Veräußerungspreis oder der entnommene Grund und Boden innerhalb von 12 Monaten nach der Veräußerung oder Entnahme "in sachlichem Zusammenhang mit der Hoferbfolge oder Hofübernahme zur Abfindung weichender Erben verwendet" wird. Eine zeitliche Begrenzung für die Veräußerung oder die Entnahme sieht die Bestimmung nicht vor; insbesondere wird nicht verlangt, daß es hierzu innerhalb einer bestimmten Frist vor oder nach dem Erbfall oder der Hofübergabe gekommen sein müsse. Der Senat hat deshalb in seinem Urteil vom 21.März 1985 IV R 249/83 (BFHE 143, 461, BStBl II 1985, 614) hinsichtlich einer früheren Fassung der Vorschrift hervorgehoben, daß die Veräußerung oder Entnahme lediglich in einem sachlichen Zusammenhang mit der Hoferbfolge oder Hofübergabe stehen müsse, eine zeitliche Begrenzung aber nicht bestehe. Er hat hieran in seinem Urteil vom 3.März 1988 IV R 62/87 (BFHE 153, 111, BStBl II 1988, 608) auch unter Beachtung der Neuregelung 1986 festgehalten.
Diese Auffassung steht in Einklang mit den Bedürfnissen der Landwirtschaft, in der der Übergang des Hofes auf einen von mehreren Abkömmlingen unter Umständen langfristig vorbereitet werden muß, und auch mit dem gesetzgeberischen Ziel, die Regelung der Hoferbfolge steuerlich zu erleichtern (BTDrucks 8/3854, 4). Daß ein zeitlicher Zusammenhang mit Erbfolge oder Übergabe nicht erforderlich ist, kommt auch in Abs.4 Satz 3 der Neuregelung zum Ausdruck. Danach ist der Freibetrag auch dann zu gewähren, wenn die Abfindung in mehreren Schritten erfolgt; eine derartige sukzessive Abfindung zieht sich erfahrungsgemäß aber über einen längeren Zeitraum vor oder nach dem Hofübergang hin.
2. Das Gesetz macht die Begünstigung allerdings davon abhängig, daß es sich um die Abfindung eines weichenden Erben handelt. Als weichender Erbe ist nach Abs.4 Satz 4 der Neuregelung anzusehen, wer gesetzlicher Erbe eines Eigentümers eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes ist oder bei gesetzlicher Erbfolge wäre, aber nicht zur Übernahme des Betriebes berufen ist. Die Auslegung dieses Tatbestandsmerkmals bereitet Schwierigkeiten, wenn die Abfindung vor Eintritt der Erbfolge oder vor Übergabe des Betriebes gewährt wird. Der Senat ist bisher davon ausgegangen, daß im Zeitpunkt der vorgezogenen Abfindung bereits die Person des künftigen Hoferben oder Hofübernehmers feststehen müsse, wobei auch die rechtlich noch nicht verbindlichen Absichten des bisherigen Hofeigentümers berücksichtigt werden könnten (Urteile in BFHE 143, 461, BStBl II 1985, 614; BFHE 153, 11, BStBl II 1988, 608). Tatsächlich steht die Person des Hoferben oder Hofübernehmers aber erst im Zeitpunkt des Erbfalls oder der tatsächlichen Hofübergabe fest; erst dann steht auch fest, daß es überhaupt zur Hofübernahme gekommen ist, der Hof also nicht vorher veräußert oder aufgegeben wurde. Vorherige Festlegungen durch Erbverträge oder höferechtliche Regelungen brauchen sich nicht zu realisieren, noch weniger Absichten, die der Hofeigentümer ohne rechtliche Festlegung verfolgt hat. Demgemäß läßt sich im Falle der vorgezogenen Abfindung zwar feststellen, ob der Empfänger der Zuwendung gesetzlicher Erbe des Hofeigentümers ist, nicht aber, daß er nicht zur Übernahme des Hofes berufen ist. Dies steht erst im Zeitpunkt der Erbfolge oder Übernahme fest, da entgegen ursprünglicher Planung der Bedachte doch noch den Betrieb übernehmen kann oder dieser veräußert oder aufgegeben wird.
Damit auch vorgezogene Abfindungen in den Genuß der Steuervergünstigung gelangen, ist es deshalb als ausreichend anzusehen, daß die Beteiligten davon ausgehen, daß der zu den gesetzlichen Erben gehörende Zuwendungsempfänger den Betrieb nicht übernehmen wird und sich die Zuwendung auf seine Abfindungsansprüche aus der Hoferbfolge oder Hofübertragung anrechnen lassen muß; dabei kann noch offen sein, wer einmal den Betrieb übernehmen soll. Der Senat hat eine derartige Auslegung bereits in BFHE 143, 461, BStBl II 1985, 614 erwogen, hiervon jedoch Abstand genommen, weil sonst möglicherweise eine Zuwendung an den späteren Hofübernehmer begünstigt würde. Das ist jedoch nicht zu befürchten, da die Begünstigung nach dem Gesetzeswortlaut davon abhängig ist, daß der Abgefundene nicht doch noch den Betrieb übernimmt und dieser durch Hoferbfolge oder Hofübergabe übertragen, also nicht vorher verkauft oder übertragen wird. Die Steuerbegünstigung der vorgezogenen Abfindung steht unter diesem Gesetzesvorbehalt.
Der Vorbehalt läßt sich ggf. auch verfahrensmäßig realisieren. Nach § 175 Abs.1 Nr.2 der Abgabenordnung (AO 1977) ist ein Steuerbescheid nämlich zu ändern, wenn nachträglich ein Ereignis eintritt, das steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat. Ob dies der Fall ist, beurteilt sich nach dem jeweils maßgebenden Steuergesetz (Urteil des Bundesfinanzhofs vom 26.Juli 1984 IV R 10/83, BFHE 141, 488, BStBl II 1984, 786). Dies trifft vorliegend zu, weil die Steuerbegünstigung der vorgezogenen Abfindung in der geschilderten Weise vom späteren Schicksal des Betriebs abhängt. Das FA kann demgemäß den begünstigenden Einkommensteuerbescheid ändern, wenn sich später herausstellt, daß der Zuwendungsempfänger nicht weichender Erbe ist.
3. Im Streitfall ist die Entnahme demnach begünstigt, weil die Zuwendungsempfängerin gesetzliche Erbin ist, die Beteiligten aber davon ausgegangen sind, daß sie den Betrieb nicht übernehmen wird und die Anrechnung der Zuwendung auf Abfindungsansprüche vereinbart worden ist.
Fundstellen
Haufe-Index 64813 |
BFH/NV 1993, 62 |
BStBl II 1993, 788 |
BFHE 171, 381 |
BFHE 1994, 381 |
BB 1994, 198 |
BB 1994, 198-199 (LT) |
DB 1994, 310 (L) |
DStR 1993, 1327 (K) |
HFR 1993, 709 (LT) |
StE 1993, 474 (K) |