Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewertung Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer
Leitsatz (amtlich)
Die Abzugsfähigkeit von Ruhegeldverpflichtungen vom Betriebsvermögen für die Berechnung der Soforthilfeabgabe und Soforthilfesonderabgabe richtet sich gemäß § 19 Abs. 1 Erste StDVO-SHG danach, unter welchen Voraussetzungen Ruhegeldverpflichtungen bei der Feststellung des Einheitswertes eines Betriebsvermögens abzugsfähig sind.
Die Allgemeinen Bewertungsvorschriften des Bewertungsgesetzes sind auch auf die Feststellung des Einheitswertes von Betriebsvermögen anzuwenden (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs III 43/50 S vom 25. Oktober 1951, BStBl. 1952 III S. 37).
Eine einzelne Ruhegeldverpflichtung eines Unternehmens, bei der der Ruhegeldfall noch nicht eingetreten ist, ist eine aufschiebend bedingte Last im Sinne des § 6 BewG und deshalb nicht abzugsfähig.
Normenkette
BewG § 6; SHG § 7 Abs. 2 Ziff. 2
Tatbestand
Wegen des Sachverhalts wird auf den Bescheid des Senats vom 28. März 1952 Bezug genommen. Die erneute Würdigung hat dem Senat keine Veranlassung gegeben, von der in dem Bescheid vertretenen Auffassung abzuweichen.
Die Beschwerdeführerin (Bfin.) hat für die Berechnung der Soforthilfeabgabe und Soforthilfesonderabgabe den Abzug der folgenden beiden Posten vom Betriebsvermögen geltend gemacht:
des Wertes einer Ruhegeldverpflichtung gegenüber dem am Währungsstichtage noch im Betriebe beschäftigten Direktor B.,
einer weiteren Wertberichtigung des Vorratsvermögens. Das Finanzamt hat bei der Festsetzung und bei der Einspruchsentscheidung die beiden Abzüge abgelehnt. Die Berufung der Bfin. ist ohne Erfolg geblieben. Die Rechtsbeschwerde (Rb.) richtet sich gegen das Urteil des Finanzgerichts mit den alten Anträgen. Die Bfin. hat gebeten, eine mündliche Verhandlung anzuberaumen. Es erscheint jedoch zweckmäßig, vorerst einen Bescheid nach § 294 Abs. 2 der Reichsabgabenordnung (AO) zu erlassen.
Entscheidungsgründe
I. Was zunächst den Abzug des Wertes der Ruhegeldverpflichtung gegenüber dem Direktor B. betrifft, so ist die Rb. nicht begründet. Dem Senat hat eine Photokopie des Ruhegeldvertrages vorgelegen. Nach § 7 Abs. 2 Ziff. 2 des Soforthilfegesetzes (SHG) sind Ruhegeldverpflichtungen vom abgabepflichtigen Betriebsvermögen abzugsfähig, wenn sie mit ihm in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. Gemäß § 19 Abs. 1 der 1. Durchführungsverordnung zum Ersten Teil des Soforthilfegesetzes (1. StDVO-SHG) ist der Kapitalwert der Ruhegeldverpflichtungen nur insoweit abzugsfähig, als seine Abzugsfähigkeit bei einer Feststellung des Einheitswertes des Betriebsvermögens anzuerkennen wäre.
Demnach fragt es sich, wie über den Abzug auf Grund des Reichsbewertungsgesetzes zu entscheiden wäre. Der Abzug von Ruhegeldverpflichtungen für noch im Betriebe tätige Arbeitnehmer ist durch die höchstrichterliche Rechtsprechung, zuletzt durch das Urteil des Obersten Finanzgerichtshofs III 21/49 S vom 19. Dezember 1949 (Steuerrechtskartei - StRK - zu Reichsbewertungsgesetz - RBewG - § 6 Rechtsspr. 1), bisher abgelehnt worden, weil nach § 6 RBewG Lasten, deren Entstehung vom Eintritt einer aufschiebenden Bedingung abhängt, nicht zu berücksichtigen sind. Der erkennende Senat hat in seinem Urteil III 43/50 S vom 25. Oktober 1951 (Bundessteuerblatt - BStBl. - 1952 III S. 37) ausgesprochen, daß und aus welchen Gründen die Allgemeinen Bewertungsvorschriften, z. B. § 6 und § 8 RBewG, auch auf die Feststellung des Einheitswertes vom Betriebsvermögen anzuwenden sind. Der Senat hat in dem angeführten Urteil die Grundsätze der dynamischen Bilanzierung, die bei der Aufstellung steuerlicher Erfolgsbilanzen in Betracht kommen, für die Aufstellung von Betriebsvermögen zum Zwecke der Einheitsbewertung grundsätzlich abgelehnt und sich zum Prinzip der Einzelbewertung bei Betriebsvermögen auf Grund des § 12 Satz 2 in Verbindung mit § 66 Abs. 4 RBewG bekannt. Er hat hierbei nicht zwischen den aktiven Werten und den Schulden unterschieden. Ein abweichendes Verfahren würde schon deshalb bedenklich erscheinen, weil Posten, die bei einem Unternehmen Schulden sind, bei einem anderen Betrieb Forderungen sein können und ein unterschiedliches Bewertungsverfahren in solchem Falle zu einer ungleichmäßigen steuerlichen Behandlung führen würde.
In der oben angeführten Einheitswertsache III 43/50 S hat der Senat allerdings den Abzug der geltend gemachten Schuld zugelassen. Es hat sich dabei indessen nicht um Ruhegeldverpflichtungen, sondern um Abzüge für zu erwartende Bergschädenansprüche gehandelt, deren Entstehung gewiß war, und bei denen nur der Zeitpunkt der Entstehung der bürgerlich-rechtlichen Ansprüche am Bewertungsstichtage noch ungewiß gewesen ist. Aus diesem Grunde hat der Senat bei den Bergschädenansprüchen von einer wirtschaftlich bereits bestehenden Schuld gesprochen. Bei den Ansprüchen der einzelnen Ruhegeldberechtigten dagegen, bei denen, wie im vorliegenden Falle, der Ruhegeldfall am Bewertungsstichtage noch nicht eingetreten ist, wird es im allgemeinen nicht nur ungewiß sein, wann der Ruhegeldanspruch akut werden wird, sondern auch, ob er überhaupt zur Entstehung kommen wird, mag auch ein fester Ruhegeldvertrag im Sinne des Urteils des Reichsgerichts in Zivilsachen VI 633/07 vom 12. November 1908 (Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Bd. 69 S. 421) vorliegen; es läßt sich in solchem Falle nicht absehen, ob nicht der Ruhegeldberechtigte durch Tod oder Kündigung vor Erreichung des ruhegeldfähigen Alters aus dem Unternehmen ausscheiden wird. Diese Ungewißheit hat am Stichtage auch im vorliegenden Falle bestanden, weil der Ruhegeldberechtigte nach der eigenen Angabe der Bfin. das ruhegeldfähige Alter erst im Jahre 1950, d. h. nach dem Währungsstichtage, erreicht hat. Es handelt sich bei künftigen Ruhegeldverpflichtungen nicht nur um Fragen der Fälligkeit; es kann sich vielmehr auch ereignen, daß die Verpflichtungen mangels Eintritts der aufschiebenden Bedingung überhaupt nicht wirksam werden.
Der Senat hält deshalb an den in seinem Urteil III 43/50 S vom 25. Oktober 1951 ausgesprochenen Grundsätzen fest und lehnt den Abzug des Wertes der geltend gemachten einzelnen Ruhegeldverpflichtung auf Grund des § 6 RBewG ab. Es kann für den vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, ob und inwieweit der Abzug für eine vorhandene wirtschaftliche Schuld dann in Frage kommt, wenn mehrere oder zahlreiche künftige Ruhegeldverpflichtungen in Betracht kommen und sich hierbei das sogenannte Gesetz der großen Zahl auswirken könnte.
Fundstellen
Haufe-Index 407456 |
BStBl III 1952, 206 |
BFHE 1953, 529 |
BFHE 56, 529 |