Leitsatz (amtlich)

Wird eine Kreditgenossenschaft in eine AG umgewandelt, so führt bei den Genossen der Umtausch der bisherigen Genossenschaftsanteile in Aktien zur Gewinnrealisierung, wenn die Genossenschaftsanteile zu einem Betriebsvermögen gehören.

 

Normenkette

EStG §§ 5-6

 

Tatbestand

Streitig ist bei der Einkommensteuerveranlagung 1962, ob der Revisionsbeklagte (Steuerpflichtige) durch den Umtausch von Genossenschaftsanteilen in Aktien einen Gewinn realisiert hat.

Der Steuerpflichtige, ein selbständiger Handwerksmeister mit Gewinnermittlung nach § 5 EStG, führte im Betriebsvermögen Genossenschaftsanteile an einer Kreditbank mit einem Bilanzwert von 600 DM. Bei der Bank besaß er ein Geschäftskonto. Die Genossenschaft wurde Anfang 1962 aufgelöst und das Vermögen in eine AG überführt. Als AG wurde der Bankbetrieb unter gleichem Namen fortgeführt. Nach dem für den Zweck der Umwandlung geänderten § 48 Abs. 1 der Satzung der Genossenschaft betreffend die Liquidation des Unternehmens war nach Auflösung der Genossenschaft der über den Gesamtbetrag der Geschäftsguthaben hinausgehende Überschuß auf die Kreditbank AG zum Zwecke der Fortführung des Bankgeschäfts zu übertragen. Die Genossen konnten anstatt der Barabfindung in Höhe der Geschäftsguthaben die Aushändigung von Aktien in Höhe des Nennbetrags ihrer Geschäftsguthaben verlangen. Wie fast alle Genossen, so wählte auch der Steuerpflichtige den Weg des Aktienerwerbs. Die Aktien aktivierte er mit dem bisherigen Buchwert der Genossenschaftsanteile, also mit 600 DM. Der gemeine Wert der Genossenschaftsanteile betrug im Zeitpunkt der Liquidation jedoch 500 DM für 100 DM Nennbetrag. Das FA setzte daher die Aktien mit 3 000 DM an.

Nach erfolglosem Einspruch hatte der Steuerpflichtige mit seiner Berufung Erfolg. Das FG begründete seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt. Grundsätzlich führten Tauschgeschäfte über Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens zur Gewinnrealisierung. Eine Ausnahme habe der BFH beim Tausch von Gesellschaftsanteilen zugelassen, wenn bei wirtschaftlicher Betrachtung wegen der Wert-, Art- und Funktionsgleichheit die Nämlichkeit der hingegebenen Anteile zu bejahen sei (Gutachten des BFH I D 1/57 S vom 16. Dezember 1958, BFH 68, 78, BStBl III 1959, 30). Hier liege eine solche Ausnahme vor. Die Wertgleichheit der Anteile sei unbestritten. Auch die Art- und Funktionsgleichheit sei zu bejahen. Die eingetauschten Aktien hätten bei objektiver Betrachtung die gleiche betriebliche Funktion wie die hingegebenen Genossenschaftsanteile. Die Aktien erfüllten im Betrieb des Steuerpflichtigen dieselbe Funktion wie die Genossenschaftsanteile, nämlich die Beteiligung an einem Kreditinstitut. Die Änderung des Betriebsvermögens durch den Anteilsaustausch habe demnach nur formelle Bedeutung und berühre nicht den Gewinn.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die wegen grundsätzlicher Bedeutung der Streitsache zugelassene, seit Inkrafttreten der FGO am 1. Januar 1966 als Revision zu behandelnde Rb. des Vorstehers des FA führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Abweisung der als Klage zu behandelnden Berufung.

Die Auffassung der Vorinstanz, die dem Steuerpflichtigen auf Grund der Liquidation der Genossenschaft und Umwandlung in eine AG übertragenen Aktien seien artund funktionsgleich mit den bisherigen Genossenschaftsanteilen, kann nicht gebilligt werden. Die Bejahung der Artgleichheit scheitert schon daran, daß ein Genossenschaftsanteil nach seiner rechtlichen Ausgestaltung und wirtschaftlichen Bedeutung etwas anderes als eine Aktie ist. Ein wesentlicher Unterschied besteht darin, daß der Genosse nur unter erschwerten Bedingungen über seinen Anteil verfügen und sowohl beim Ausscheiden aus der Genossenschaft als auch bei der Veräußerung seines Anteils keinen Ersatz seiner Beteiligung an den das Geschäftsguthaben übersteigenden Überschüssen der Genossenschaft erhalten kann. Die an die Stelle der Genossenschaftsanteile getretenen Aktien jedoch sind leicht veräußerlich und verbürgen dem Inhaber bei einer Veräußerung auch eine Realisierung der in ihnen enthaltenen stillen Reserven. Es fehlt auch an der Funktionsgleichheit. Als Genossenschaftsanteil hatte die Beteiligung an der Kreditbank eine bestimmte Funktion im Betrieb. Sie bestand in den Rechten, die dem Steuerpflichtigen als Genossen und Mitglied der Genossenschaft zustanden. Durch die Umwandlung der Genossenschaft gingen diese im Wesen der Genossenschaft liegenden Sonderrechte des Mitglieds verloren. Der Umstand, daß der Steuerpflichtige bei der Bank ein Konto unterhielt und weiter unterhalten wollte, hat mit der Beteiligung an der Bank als Aktionär nichts zu tun. Er konnte dieses Konto, auch ohne Aktionär zu sein, beibehalten.

Die Anschaffungskosten für die Aktien umfaßten im Zeitpunkt der Liquidation auch die dem Genossen über das Geschäftsguthaben hinausgehenden Überschüsse. Der Wert betrug unbestritten für einen Genossenschaftsanteil im Nennbetrag von 100 DM 500 DM. Mit Recht setzte daher das FA die an die Stelle der Genossenschaftsanteile getretenen Aktien mit 3 000 DM an. Hieran ändert es nichts, daß der Steuerpflichtige, hätte er nicht den Erwerb der Aktien gewählt, nur mit dem Nennbetrag seiner Geschäftsguthaben abgefunden worden wäre. Hieraus ergibt sich nur, daß er in diesem Fall auf die den Wert seiner Geschäftsanteile übersteigenden Überschüsse endgültig verzichtet hätte. Wählte er hingegen den Weg des Aktienerwerbs, so kann es nicht zweifelhaft sein, daß er damit seine bisherige vermögensmäßige Beteiligung in vollem Umfang fortsetzte.

 

Fundstellen

Haufe-Index 68138

BStBl II 1968, 682

BFHE 1968, 68

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