Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Verfahrensrecht/Abgabenordnung

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Bedeutung der Gesetzwidrigkeit eines Tatbestandes für die Steuerpflicht.

Schätzungen im Strafverfahren sind für das Veranlagungsverfahren nicht bindend.

 

Normenkette

EStG § 2/3/2, § 15; AO §§ 217, 468; StAnpG § 5 Abs. 2

 

Tatbestand

In einem Zoll- und anschließenden Steuerfahndungsverfahren ist ermittelt worden, daß der Beschwerdeführer (Bf.) in der Zeit vom Herbst 1950 bis September 1951 für Devisenhändler ausländische Zahlungsmittel aufgekauft hat. Ab Oktober 1951 hat er den Devisenhandel auf eigene Rechnung betrieben. Die Höhe der eigengehandelten Devisen lag zwischen 25.000 bis 30.000 Dollar. Die Höhe der für andere Devisenhändler vermittelten Devisen hat rund 40.000 Dollar betragen. Es handelt sich um amerikanische Dollar. Das Finanzamt hat unter Berücksichtigung der Fahrt- und sonstigen Kosten den durchschnittlichen Reingewinn auf 0,20 DM je Dollar der von ihm eigengehandelten Devisen und auf 0,05 DM je Dollar für die vermittelten Devisengeschäfte geschätzt und den Bf. entsprechend zur Einkommensteuer und Gewerbesteuer veranlagt. Für 1951 kam das Finanzamt zu einem Gewinn aus Devisenhandel von 4.000 DM, für 1952 von 4.500 DM. Im Einspruchsverfahren machte der Bf. geltend, in einem vor der Strafkammer des Landgerichtes durchgeführten Verfahren sei festgestellt worden, daß er an jedem eigengehandelten Dollar nur 5 bis 10 Pfennig verdient habe und daß die Mitnahme der Dollar für andere Devisenhändler unentgeltlich erfolgt sei. Die Schätzung des Finanzamts sei unrichtig. Im übrigen liege kein gewerbliches Unternehmen vor, da es sich um einen Straftatbestand gehandelt habe.

Der Einspruch war ohne Erfolg. Das Finanzamt war der Ansicht, daß es an die tatsächliche Würdigung im Strafverfahren nicht gebunden sei und daß der Gewinn höher liege, als er im Strafverfahren geschätzt worden sei. Nach den Erfahrungen des Finanzamts in gleichgearteten Fällen betrage der Rohgewinn beim Devisenhandel für eigene Rechnung 30 bis 40 Pfg. je Dollar. Dies führe zu den geschätzten Gewinnen. Das Finanzgericht trat dem Finanzamt bei. Die Strafbarkeit der Tätigkeit stehe der Besteuerung der durch den Gewerbebetrieb erzielten Gewinne nicht entgegen. Der Oberste Finanzgerichtshof habe diese in seinen Urteilen IV 38/48 S vom 31. Januar 1949, Slg. Bd. 54 S. 306, Steuer und Wirtschaft 1949 Nr. 10, und IV 39/49 U vom 28. Oktober 1949, Steuer und Wirtschaft 1950 Nr. 30, ausdrücklich ausgesprochen.

 

Entscheidungsgründe

Die Rechtsbeschwerde (Rb.) sieht die von den Vorinstanzen vorgenommenen Schätzungen als zu hoch an und ist der Auffassung, daß ein Gewerbebetrieb nicht gegeben sei, da es sich um Straftatbestände handele. Ihr muß der Erfolg versagt werden.

Aus § 5 Abs. 2 des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG) ergibt sich, daß der Verstoß gegen ein Strafgesetz der sachlichen Steuerpflicht eines Tatbestandes nicht entgegensteht. Auch Abschn. 25 und Abschn. 120 Abs. 2 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) 1955 bringen diese Auffassung zum Ausdruck. Ob und inwieweit Einnahmen, die aus strafbaren Handlungen stammen, in eine der sieben Einkunftsarten des Einkommensteuergesetzes (EStG) einzuordnen sind, hängt von den Verhältnissen des einzelnen Falles ab. Die Frage, ob ein Gewerbebetrieb vorliegt, richtet sich nach der Verkehrsauffassung. Genau so wenig, wie eine im Rahmen eines Gewerbebetriebes verübte gesetzwidrige Handlung, zum Beispiel ein Geschäft, das mit Mitteln der Bestechung durchgeführt wird, dazu führt, dieses Geschäft aus dem Gewerbebetrieb auszuscheiden (siehe hierzu auch Urteil des Reichsgerichts 3 D 897/24 vom 19. Februar 1925, Deutsches Steuerblatt 1925 Spalte 391), verliert eine nachhaltige gewerbliche Betätigung ihren Charakter als Gewerbebetrieb, weil sie mit gesetzlichen Vorschriften in Widerspruch steht. Siehe hierzu im einzelnen Becker, die Grundlagen der Einkommensteuer S. 289 ff., Peters-Herrmann, Einkommensteuergesetz § 1 Anm. 29, § 15 Anm. 14, den Großkommentar zur Einkommensteuer von Hartmann-Böttcher, § 2 Anm. 4. Der Devisenhandel, nachhaltig betrieben, stellt eine gewerbliche Tätigkeit dar.

Die Schätzung der erzielten Einkünfte ist Tatsachenwürdigung. Da entsprechende buchmäßige Unterlagen fehlen, waren die Vorinstanzen zur Schätzung gezwungen. Sie konnten zu ihrem Ergebnis ohne Verstoß im Sinne des § 288 der Reichsabgabenordnung gelangen. Die Schätzung ist deshalb für den Bundesfinanzhof bindend. Die abweichenden Schätzungen im Strafverfahren stehen dem nicht entgegen. Ebensowenig wie das Strafgericht an die Schätzungen der Finanzbehörden (Entscheidung des Bundesgerichtshofs 3 StR 983/51 vom 25. September 1952, Steuerrechtskartei - StRK - Reichsabgabenordnung § 468 Rechtsspruch 2, 3 StR 69/52 vom 11. Dezember 1952, StRK § 468 Rechtsspruch 3c; 3 StR 222/53 vom 16. Juni 1954, StRK § 468 Rechtsspruch 4) ist das Finanzamt an die Schätzungen des Strafgerichts gebunden.

Die Rb. wird als unbegründet zurückgewiesen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 408582

BStBl III 1956, 336

BFHE 1957, 363

BFHE 63, 363

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Finance Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge