Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslegung einer Bescheinigung nach § 7d EStG (Umweltschutz)
Leitsatz (NV)
1. Bei den Bescheinigungen nach § 7d Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 8 EStG handelt es sich um Grundlagenbescheide mit der Bindungswirkung für Folgebescheide gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO 1977.
2. Für eine Anfechtungsklage gegen den im Besteuerungsverfahren ergangenen Folgebescheid ist der Finanzrechtsweg gegeben.
3. Eine Bindung an einen Grundlagenbescheid tritt nur ein, wenn dieser wirksam ergangen ist. Diese Prüfung ist im Folgebescheidverfahren durchzuführen.
4. Aus Umständen, die erst nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts zutage treten, kann nicht der Schluß gezogen werden, daß der Empfänger den Verwaltungsakt in einem anderen als in dem zum Zeitpunkt des Zugangs erkennbaren Sinn verstehen mußte.
5. Verwaltungsakte sind in erster Linie aus sich heraus auszulegen; ihr Inhalt kann nicht durch spätere Behördenerklärungen geändert werden.
6. Im Zweifel ist das den Betroffenen weniger belastende Auslegungsergebnis vorzuziehen, da er als Empfänger einer mißverständlichen Willenserklärung der Verwaltung durch etwaige Unklarheiten aus ihrer Sphäre nicht benachteiligt werden darf.
Normenkette
AO 1977 §§ 6, 119 Abs. 1, § 124 Abs. 1 S. 2, § 171 Abs. 10, § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1; BGB §§ 133, 157; FGO § 33 Abs. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betreibt ein Industriewerk, das sie aus Gründen des Umweltschutzes unter Errichtung neuer Gebäude und Anlagen seit 1976 stufenweise aus einem Wohngebiet in ein Industriegebiet verlegte.
Unter dem 24. Oktober 1978 und dem 10. September 1979 stellte sie beim zuständigen Landesgewerbeaufsichtsamt Anträge auf Ausstellung von Bescheinigungen nach § 7d Abs. 2 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) mit den hierfür vorgesehenen Formularen. Mit Bescheid vom 3. Januar 1979 teilte das Landesgewerbeaufsichtsamt der Klägerin folgendes mit:
,,Betr.: Erhöhte Abschreibungen für Wirtschaftsgüter, die dem Umweltschutz dienen (§ 7 d Einkommensteuergesetz - EStG -)
hier: Bescheinigung nach § 7d Abs. 2 Nr. 2 EStG
Bezug: Ihr Antrag vom 24. 10. 1978
Anlagen: 1 Mehrausfertigung, 1 Rechtsbehelfsbelehrung, 1 Kostenrechnung
Sehr geehrte Herren,
gemäß § 7d Absatz 8 EStG in Verbindung mit Nr. 3.7, 2. Absatz des Gemeinsamen Grunderlasses des Ministeriums der Finanzen, des Ministeriums für Landwirtschaft, Weinbau und Umweltschutz, des Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Sport und des Ministeriums für Wirtschaft und Verkehr Rheinland-Pfalz vom 8. 12. 1977 betr.: Ausführung des Einkommensteuergesetzes (EStG), hier: Erteilung von Bescheinigungen zur Inanspruchnahme erhöhter Absetzungen für Wirtschaftsgüter, die dem Umweltschutz dienen, gemäß § 7d EStG (Min.Bl. Nr. 1/1978 Seite 3) wird hiermit zur Vorlage bei dem für Ihren Betrieb zuständigen Finanzamt bescheinigt, daß
1. die mit einem Kostenaufwand von DM . . . in den Jahren 1976/1977 durchgeführte Verlagerung des Industriewerks aus dem Wohngebiet in das Industriegebiet unmittelbar und ausschließlich aus Gründen des Umweltschutzes im öffentlichen Interesse erforderlich war und2. die von dem Industriewerk ausgehende Umweltbelastung nicht auf andere Weise als durch die Verlagerung auf das den gesetzlichen Vorschriften entsprechende Maß gemindert werden konnte."
Mit Schreiben vom 28. November 1979 wurde der Klägerin vom Landesgewerbeaufsichtsamt eine im wesentlichen gleichlautende Bescheinigung über einen Kostenaufwand in Höhe von . . . DM erteilt. Die den Anträgen beigefügten Belege wurden der Klägerin jeweils zurückgereicht.
Im Rahmen der Betriebsprüfung für die Jahre 1975 bis 1977 beantragte die Klägerin, ihr erhöhte Absetzungen gemäß § 7d EStG für alle bei der Errichtung des neuen Betriebs angeschafften Wirtschaftsgüter zu gewähren. Die Absetzungen sollten im ersten Jahr und den folgenden Jahren jeweils 20 v. H. der Anschaffungs- und Herstellungskosten betragen.
Nach Abschluß der Betriebsprüfung erließ der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehende Gewinnfeststellungsbescheide für die Jahre 1978, 1979 und 1980, die jeweils die erhöhten Absetzungen antragsgemäß berücksichtigten.
Am 29. Oktober 1981 schrieb das Landesgewerbeaufsichtsamt an das FA und am 2. November 1981 an die Klägerin, daß die bisher ausgestellten Bescheinigungen lediglich gemäß § 7d Abs. 8 EStG bestätigten, die Verlagerung des Industriewerks aus dem Wohngebiet in das Industriegebiet sei aus Gründen des Umweltschutzes und im öffentlichen Interesse erforderlich gewesen. Eine Bescheinigung nach § 7d Abs. 2 Satz 2 EStG sei bisher nicht ausgestellt worden. Die Klägerin wurde, um das Bescheinigungsverfahren abschließen zu können, gebeten, eine Zusammenstellung der Wirtschaftsgüter, die dem Umweltschutz dienen, und der entstandenen Kosten zu übersenden. Die Klägerin vertrat demgegenüber die Auffassung, daß die vorliegenden Bescheinigungen ausreichten und das Bescheinigungsverfahren abgeschlossen sei.
Nach Durchführung einer Betriebsprüfung für die Streitjahre 1978 bis 1980 versagte das FA im Sammeländerungsbescheid vom 2. August 1983 die erhöhten Absetzungen. Der Einspruch der Klägerin blieb erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet ab. Es führt aus, es bestehe kein Zweifel, daß lediglich Bescheinigungen nach § 7d Abs. 8 EStG erteilt worden seien. Die Voraussetzungen des § 7d Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 3 EStG könnten ohne eine entsprechende Bescheinigung des zuständigen Landesgewerbeaufsichtsamtes vom FA nicht bejaht und im Finanzrechtsweg nicht überprüft werden. Die erhöhten Absetzungen könnten auch nicht nach Treu und Glauben gewährt werden. Die Klägerin könne sich hierauf schon deshalb nicht berufen, weil sie selbst treuwidrig von der ihr eingeräumten Möglichkeit zur nachträglichen Beibringung der Bescheinigungen keinen Gebrauch gemacht habe.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin Verletzung materiellen Rechts.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils den Gewinnfeststellungsänderungsbescheid 1978 bis 1980 vom 2. August 1983 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 31. Januar 1984 insoweit zu ändern, als die erhöhten Absetzungen nach § 7d EStG darin nicht zum Abzug zugelassen wurden.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Es hält daran fest, daß die begehrten erhöhten Absetzungen wegen der fehlenden Bescheinigung nach § 7d Abs. 2 EStG nicht gewährt werden dürften.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Die Klage hat in vollem Umfang Erfolg. Der Gewinnfeststellungsbescheid 1978 bis 1980 vom 2. August 1983 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 31. Januar 1984 wird insoweit geändert, als darin die begehrten erhöhten Absetzungen nach § 7d EStG nicht zum Abzug zugelassen wurden.
1. Für den Rechtsstreit ist der Finanzrechtsweg gegeben. Nach § 33 Abs. 1 Nr. 1 FGO haben die FG öffentlich-rechtliche Streitigkeiten über Abgabenangelegenheiten zu entscheiden, soweit die Abgaben der Gesetzgebung des Bundes unterliegen und durch Bundesfinanzbehörden oder Landesfinanzbehörden verwaltet werden.
Nach allgemeiner Meinung ist bei Streitigkeiten in Verfahren über eine Bescheinigung nach § 7d EStG zwar der Verwaltungsrechtsweg gegeben (vgl. z. B. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 29. August 1986 III R 71/82, BFHE 147, 572, BStBl II 1986, 920; vom 8. Mai 1987 III R 87/85, BFHE 150, 257, BStBl II 1987, 681; Urteil des Bundesverwaltungsgerichts -BVerwG - vom 29. August 1986 7 C 5.85, Deutsches Verwaltungsblatt - DVBl - 1987, 239, Betriebs-Berater - BB - 1987, 166; Abschn. 77 Abs. 8 Sätze 2 und 3 der Einkommensteuer-Richtlinien - EStR -).
Dies bedeutet jedoch nicht, daß der Finanzrechtsweg für eine Anfechtungsklage ausgeschlossen ist. Die Entscheidung des BVerwG in DVBl 1987, 239, BB 1987, 166 ist dahin zu verstehen, daß die Feststellungsklage vor dem Verwaltungsgericht (VG) zwar zulässig ist, eine Anfechtungsklage vor dem FG aber nicht ausgeschlossen ist. Wäre nach Auffassung des BVerwG eine Anfechtungsklage vor dem FG grundsätzlich nicht zulässig, hätte u. a. formuliert werden müssen: ,,Muß die Frage vor das Verwaltungsgericht gebracht werden" statt ,,muß bringen können". Auch die in dem genannten Urteil unter Nr. 3 zitierte Entscheidung des BVerwG in BVerwGE 37, 243 läßt erkennen, daß in dem dort entschiedenen Fall neben der Feststellungsklage vor dem VG der Zivilrechtsweg nicht ausgeschlossen war, sondern als zulässig angesehen wurde.
2. Das FA hat die begehrten erhöhten Absetzungen zu Unrecht nicht gewährt.
a) Nach § 7d Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 EStG i. d. F. der Streitjahre können erhöhte Absetzungen für dem Umweltschutz dienende Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens in Anspruch genommen werden, wenn
1. die Wirtschaftsgüter in einem im Inland belegenen Betrieb des Steuerpflichtigen unmittelbar und ausschließlich oder fast ausschließlich dem Umweltschutz dienen und
2. die von der Landesregierung bestimmte Stelle bescheinigt, daß
a) die Wirtschaftsgüter zu dem vorstehend bezeichneten Zweck bestimmt und geeignet sind und
b) die Anschaffung oder Herstellung der Wirtschaftsgüter im öffentlichen Interesse erforderlich ist.
Bei neu errichteten Betrieben oder Betriebsstätten gilt dies gemäß § 7d Abs. 8 EStG nur, wenn die Verlagerung im öffentlichen Interesse aus Gründen des Umweltschutzes erforderlich ist und dies durch eine Bescheinigung der zuständigen Behörde bestätigt wird. Hierbei handelt es sich nicht um einen eigenen Begünstigungstatbestand, sondern um eine zusätzliche Bedingung zu den sonstigen Voraussetzungen für die Gewährung der erhöhten Absetzungen.
b) Das Vorliegen der Bescheinigungen nach § 7d Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 8 EStG ist - entgegen der Auffassung des FG - nicht lediglich Tatbestandsmerkmal der Begünstigungsvorschrift. Vielmehr handelt es sich bei den Bescheinigungen um Grundlagenbescheide mit der Bindungswirkung für Folgebescheide gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977).
Grundlagenbescheid kann nach der Legaldefinition des § 171 Abs. 10 AO 1977 nicht nur ein Feststellungsbescheid oder ein Steuermeßbescheid, sondern auch ein anderer Verwaltungsakt sein, soweit eine Bindung für die Steuerfestsetzung vorgesehen ist. Unter die anderen Verwaltungsakte im vorstehenden Sinn fallen auch die aufgrund besonderer Vorschrift mit Bindungswirkung für das Besteuerungsverfahren ausgestatteten Verwaltungsakte solcher Behörden, die nicht zu den Finanzbehörden (§ 6 AO 1977) gehören (ständige Rechtsprechung, z. B. BFH-Urteile vom 28. Oktober 1986 VII R 41/86, BFHE 148, 84, 88; vom 13. Dezember 1985 III R 204/81, BFHE 145, 545, BStBl II 1986, 245).
Bei den Bescheinigungen nach § 7d EStG handelt es sich um einen rechtlich selbständigen Mitwirkungsakt - in Verwaltungsaktqualität - der anderen Behörde gegenüber dem Steuerfestsetzungsverfahren des FA (BVerwG in DVBl 1987, 239, 241, BB 1987, 166) im Unterschied zur bloßen verwaltungsinternen Mitwirkung einer anderen Behörde (vgl. BFH-Urteil vom 28. April 1983 IV R 77/82, BFHE 138, 373, BStBl II 1983, 506 zu § 3 Nr. 1 der Verordnung über die einkommensteuerliche Behandlung der freien Erfinder). Adressat der Bescheinigung ist - nach außen - der investierende Antragsteller (vgl. Urteil in BFHE 147, 572, BStBl II 1986, 920 zu § 1 Satz 1, § 2 des Investitionszulagengesetzes).
Die nach § 7d EStG ausgestellten Bescheinigungen binden die Finanzbehörden im Rahmen des gesetzlich vorgegebenen Umfangs. Die materielle Bindung erstreckt sich in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht auf die von der sachkundigen Bescheinigungsbehörde zu prüfenden Voraussetzungen. Innerhalb dieser Grenzen ergibt sich im Einzelfall der Umfang der Bindungswirkung anhand des Inhalts der Bescheinigungen (vgl. M. Söffing, Deutsche Steuer-Zeitung - DStZ - 1986, 388, 389).
Diese Grundsätze gelten nicht nur für die stets notwendige Bescheinigung nach § 7d Abs. 2 Nr. 2 EStG, sondern auch für die im Falle der Betriebsverlagerung zusätzlich erforderliche Bestätigung nach § 7d Abs. 8 Satz 2 EStG. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Erklärungen der Behörde in getrennten Schreiben oder aus Gründen der Verwaltungsökonomie in einem Schreiben niedergelegt sind (vgl. dazu die Richtlinien für die Erteilung von Bescheinigungen nach § 7d EStG - Bescheinigungsrichtlinien - 1985, Ministerialblatt - MinBl - der Landesregierung von Rheinland-Pfalz 1985, 132, 140, Anlage 1 Fußnote 1).
c) Die Bindungswirkung eines Grundlagenbescheids beinhaltet, daß das für den Erlaß eines Folgebescheids zuständige FA verpflichtet ist, die Folgerungen aus dem Grundlagenbescheid zu ziehen. Die Vorschrift des § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 stellt die Anpassung des Folgebescheids mithin nicht in das Ermessen der Finanzbehörden (vgl. BFH-Urteil vom 14. April 1988 IV R 219/85, BFHE 153, 285, BStBl II 1988, 711, m. w. N.).
Eine Bindung an einen Grundlagenbescheid tritt jedoch nur ein, wenn dieser wirksam ergangen ist. Diese Prüfung ist im Folgebescheidverfahren durchzuführen (vgl. BFH-Beschluß vom 25. März 1986 III B 6/85, BFHE 146, 225, 227, BStBl II 1986, 477, unter 2.; Urteile vom 15. April 1988 III R 26/85, BFHE 153, 98, BStBl II 1988, 660; vom 20. März 1987 III R 16/82, BFHE 149, 371, 373, BStBl II 1987, 506, unter 3.; Klein/Orlopp, Abgabenordnung, 3. Aufl., § 175 Anm. 4; Woerner/Grube, Die Aufhebung und Änderung von Steuerverwaltungsakten, 8. Aufl., 121, m. w. N.).
d) Eine Prüfung der Schreiben vom 3. Januar 1979 und vom 28. November 1979 ergibt, daß diese nicht nur als Bescheinigungen i. S. des § 7d Abs. 8 EStG, sondern auch als Bescheinigungen i. S. des § 7d Abs. 2 Nr. 2 EStG zu werten sind, so daß die begehrten Absetzungen von einer Bemessungsgrundlage in Höhe von . . . DM (Schreiben vom 3. Januar 1979) und von . . . DM (Schreiben vom 28. November 1979) zu gewähren sind.
aa) Ein Verwaltungsakt ist hinreichend bestimmt, wenn sich sein Regelungsinhalt durch Auslegung entnehmen läßt. Bei dieser Auslegung kommt es nach den entsprechend anwendbaren §§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuches darauf an, wie der Betroffene nach den ihm bekannten Umständen den materiellen Gehalt des Verwaltungsakts unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben verstehen konnte, wobei nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks gehaftet werden darf (ständige Rechtsprechung, z. B. BFH-Urteil vom 3. Dezember 1985 VII R 17/84, BFHE 145, 492, BStBl II 1986, 439; Beschluß vom 25. August 1981 VII B 3/81, BFHE 134, 97, BStBl II 1982, 34). Da der Verwaltungsakt mit dem bekanntgegebenen Inhalt wirksam wird (§ 124 Abs. 1 Satz 2 AO 1977), muß die Auslegung einen Anhalt in der bekanntgegebenen Regelung haben (BFH-Urteil vom 28. November 1985 IV R 178/83, BFHE 145, 226, 228, BStBl II 1986, 293, unter 1.). Aus Umständen, die erst nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts zutage treten, kann nicht der Schluß gezogen werden, daß der Empfänger den Verwaltungsakt in einem anderen als in dem zum Zeitpunkt des Zugangs erkennbaren Sinn verstehen mußte (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 24. Juni 1988 V ZR 49/87, BB 1988, 1843). Im Zweifel ist das den Betroffenen weniger belastende Auslegungsergebnis vorzuziehen, da er als Empfänger einer mißverständlichen Willenserklärung der Verwaltung durch etwaige Unklarheiten aus ihrer Sphäre nicht benachteiligt werden darf (BVerwG-Urteil vom 26. Juni 1987 8 C 21.86, Buchholz, Sammel- und Nachschlagewerk der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, 310, § 79 VwGO Nr. 23; BFH-Beschluß in BFHE 134, 97, BStBl II 1982, 34).
bb) Bei Anwendung dieser Auslegungsgrundsätze ist das Schreiben vom 3. Januar 1979 auch als abschließende Bescheinigung nach § 7d Abs. 2 Nr. 2 EStG zu werten.
Die Bescheinigung ist zwar nicht auf dem durch Runderlaß vom 8. Dezember 1977 (MinBl der Landesregierung von Rheinland-Pfalz 1978, 3) vorgesehenen Formblatt erteilt worden. Dies ist jedoch nicht erforderlich, denn § 7d EStG schreibt für die Bescheinigung nicht die Innehaltung eines bestimmten Formblattes vor.
In dem Schreiben vom 3. Januar 1979 wird bestätigt, daß die Verlagerung des Industriewerks ausschließlich aus Gründen des Umweltschutzes im öffentlichen Interesse erforderlich war und daß die Umweltbelastung nur durch die Verlagerung gemindert werden konnte. Damit ist auch bestätigt, daß die mit der Verlagerung des Industriewerks angeschafften oder hergestellten Wirtschaftsgüter zur Minderung der Umweltbelastung geeignet sind (§ 7d Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a EStG) und ihre Anschaffung oder Herstellung im öffentlichen Interesse erforderlich war (§ 7d Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b EStG).
Der Senat berücksichtigt hierbei auch, daß das FA und das Landesgewerbeaufsichtsamt das Schreiben vom 3. Januar 1979 zunächst als abschließende Bescheinigung nach § 7d Abs. 2 Nr. 2 EStG gewertet haben. Der etwa rund zwei Jahre nach dem Schreiben vom 3. Januar 1979 geäußerte gegenteilige Standpunkt in den Schreiben des Landesgewerbeaufsichtsamtes vom 29. Oktober und 2. November 1981, die möglicherweise auf Weisung gefertigt worden sind, kann zu keiner anderen Beurteilung führen, da Verwaltungsakte in erster Linie aus sich heraus auszulegen sind und ihr Inhalt nicht durch spätere Behördenerklärungen ohne Verwaltungsaktqualität geändert werden kann (BFH-Urteil vom 11. November 1987 I R 383/83, BFH/NV 1988, 418, 419, unter 3. Buchst. a).
cc) In dem Schreiben vom 3. Januar 1979 fehlt allerdings eine Bezeichnung einzelner Wirtschaftsgüter. Dies ist im Hinblick auf die Benennung des Gesamtkostenaufwands in der Bescheinigung mit . . . DM, die dem Antrag beigefügte Baukostenaufstellung für die Verlagerung des Betriebs, die in Aufwendungen für Gebäude sowie für Maschinen und Anlagen gegliedert ist und mit . . . DM abschließt, und die beigefügten Rechnungsbelege unschädlich. Diese Unterlagen ermöglichen eine ausreichende Spezifizierung der erhöht absetzbaren Wirtschaftsgüter.
Soweit bei Erteilen der Bescheinigung die rechtliche Bedeutung des Begriffs der unmittelbar und ausschließlich oder fast ausschließlich dem Umweltschutz dienenden Wirtschaftsgüter durch das Landesgewerbeaufsichtsamt verkannt sein sollte, darf dies der Klägerin nicht zum Nachteil gereichen.
dd) Für die Wertung des Schreibens des Landesgewerbeaufsichtsamtes vom 28. November 1979 gilt Entsprechendes. Der Senat sieht in diesem Schreiben eine Bestätigung seiner Ansicht, denn die Erteilung eines weiteren Schreibens wäre nicht verständlich, wenn es sich hierbei nur um eine Bestätigung nach § 7d Abs. 8 EStG, daß die Verlagerung des Betriebs im öffentlichen Interesse aus Gründen des Umweltschutzes erforderlich sei, handeln würde; denn diese Bestätigung war bereits durch das Schreiben vom 3. Januar 1979 in dem durch das Gesetz geforderten Umfang ausgesprochen worden.
Fundstellen
Haufe-Index 416040 |
BFH/NV 1989, 758 |