Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Erwirbt eine GmbH den Anteil eines Gesellschafters, der ausscheiden muß, als eigenen Anteil, so fließt in der Regel durch den Erwerb den verbleibenden Gesellschaftern kein Vorteil im Sinne des § 20 Abs. 2 Ziff. 1 EStG zu. 2. Wird der eigene Anteil einer GmbH unter gleichzeitiger entsprechender Herabsetzung des Stammkapitals eingezogen, so fließt auch durch diese Maßnahme den verbleibenden Gesellschaftern kein Vorteil im Sinne des § 20 Abs. 2 Ziff. 1 EStG zu. 3. Beschließen die Gesellschafter, einen eigenen Anteil der GmbH einzuziehen, aber das Stammkapital in der bisherigen Höhe bestehen zu lassen, ohne daß die Gesellschafter eine Einzahlung zu leisten brauchen, so werden den Gesellschaftern Freianteile zugewendet, die insgesamt mit dem Nennwert des eingezogenen Anteils zu bewerten sind.
Normenkette
EStG § 20 Abs. 2 Ziff. 1
Tatbestand
Die Bgin. ist zu 50 v. H. an der im Jahre 1947 gegründeten X.-GmbH (abgekürzt: GmbH) beteiligt. Zunächst waren drei Gesellschafter mit je einem Drittel an dem Stammkapital von 36 000 DM beteiligt. Einer von ihnen schied zum 30. Juni 1949 aus, nachdem er in ein Strafverfahren verwickelt worden war. Die GmbH übernahm seinen Anteil im Nennwert von 12 000 DM für 87 500 DM als eigenen Anteil. In der Bilanz vom 31. Dezember 1954 löste sie das Aktivum von 87 500 DM zu Lasten der freien Rücklagen auf.
In der Gesellschafterversammlung vom 16. Dezember 1955 wurde beschlossen, den Anteil einzuziehen; gleichzeitig sollten die Geschäftsanteile der Bgin. und ihres Mitgesellschafters um je 6 000 DM auf 18 000 DM erhöht werden. Das Finanzamt nahm an, die Bgin. und ihr Mitgesellschafter hätten den Anteil des ausgeschiedenen Gesellschafters gekauft; die GmbH habe ihren beiden Gesellschaftern im Kaufpreis von 87 500 DM verdeckt einen Vorteil im Sinne des § 20 Abs. 2 Ziff. 1 EStG zugewendet. Es setzte deshalb bei der Bgin. die Hälfte von 87 500 DM = 43 750 DM als Einnahme aus Kapitalvermögen an. Die Bgin. wandte ein, der Erwerb des Anteils im Jahre 1949, seine Einziehung im Jahre 1954 und die Erhöhung der Geschäftsanteile der beiden Gesellschafter seien nur durch das Ausscheiden des früheren Gesellschafters veranlaßt worden. Sie stützte sich für ihre Auffassung, daß ihr von der GmbH kein Vorteil zugewendet worden sei, vor allem auf das Urteil des Reichsfinanzhofs VI 743/38 vom 1. Februar 1939 (RStBl 1939 S. 556).
Das Finanzgericht gab der Berufung statt. Es begründete seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt: Wenn eine GmbH den Geschäftsanteil eines ausscheidenden Gesellschafters erwerbe oder ihn nach § 34 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung einziehe und dabei nur die Absicht verfolge, das Ausscheiden eines Gesellschafters mit seinem Gesellschaftsvermögen herbeizuführen, so flössen den verbleibenden Gesellschaftern dadurch keine Einkünfte zu (Urteil des Reichsfinanzhofs VI 743/38 a. a. O.). Nur wenn beim Erwerb oder der Einziehung des Anteils eigene Interessen der verbleibenden Gesellschafter mit maßgebend gewesen seien, gelte etwas anderes. Im Streitfall hätten die beiden verbleibenden Gesellschafter bei der Behandlung des Geschäftsanteils des ausgeschiedenen Gesellschafters keine besonderen eigenen Interessen verfolgt. Der Ausgeschiedene sei für die GmbH untragbar gewesen. Bei der übernahme des Anteils durch die GmbH habe nichts darauf hingedeutet, daß die beiden anderen Gesellschafter früher oder später den Anteil des Ausgeschiedenen im eigenen Interesse verwerten wollten. Die Abfindung für den Ausgeschiedenen sei nach dem Wert des Anteils zur Zeit des Ausscheidens bemessen worden. Nach dem Ausscheiden des Gesellschafters habe sich bei der GmbH nichts geändert. Mit der Einziehung des Geschäftsanteils hätten die Beteiligten nur den änderungen im Beteiligungsverhältnis nach außen hin Rechnung tragen wollen. Der Erwerb des Anteils und seine spätere Einziehung seien demnach Fälle, die nach Abschn. II A a des Urteils des Reichsfinanzhofs VI 743/38 a. a. O. steuerfrei seien. Im Anschluß an die Einziehung seien zwar auch die Geschäftsanteile der verbleibenden Gesellschafter je um die Hälfte des Nennbetrags des eingezogenen Anteils erhöht worden. Das sei aber unerheblich; denn auch dabei hätten die Beteiligten keine eigenen wirtschaftlichen Interessen verfolgt. Das Stammkapital von 36 000 DM hätte, da eine Kapitalherabsetzung nicht beschlossen worden sei, unverändert bleiben müssen. Wenn die GmbH den Nennbetrag der Anteile der beiden Gesellschafter auf insgesamt 36 000 DM erhöht habe, so habe sie damit nur die Stammeinlagen nach dem wirklichen Beteiligungsverhältnis von 50 : 50 berichtigt (Baumbach-Hueck, Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, 6. Aufl., § 34 3 B). Freianteile seien nicht ausgegeben worden; denn den beiden Gesellschaftern seien keine neugeschaffenen Geschäftsanteile übertragen worden; der alte Anteil sei nicht übertragen worden, weil er durch die Einziehung untergegangen sei. Ob durch die Erhöhung des Nennbetrags der Stammeinlagen später bei der Auflösung der GmbH, beim Ausscheiden eines Gesellschafters oder bei einer Veräußerung der Geschäftsanteile ein Vorteil entstehe, brauche nicht erörtert zu werden; denn diese künftige Möglichkeit bewerteten die Beteiligten nicht als gegenwärtigen Vorteil.
Entscheidungsgründe
Die Rb., mit der der Vorsteher des Finanzamts unrichtige Anwendung des § 20 Abs. 2 Ziff. 1 EStG rügt, ist begründet.
Zutreffend hat das Finanzgericht im Anschluß an das Urteil des Reichsfinanzhofs VI 743/38 a. a. O. (Abschnitt II A a) angenommen, daß den beiden verbleibenden Gesellschaftern kein geldwerter Vorteil im Sinne des § 20 Abs. 2 Ziff. 1 EStG zugeflossen sei, als die GmbH den Anteil des ausscheidenden Gesellschafters zu einem angemessenen Preis von 87 500 DM kaufte und hinfort als Gegenstand ihres Betriebsvermögens fortführte. Ohne Zweifel hätten die beiden verbleibenden Gesellschafter, weil sie die GmbH beherrschten, mit der übernahme des Anteils durch die GmbH wirtschaftlich auch die Macht über den Anteil des Ausgeschiedenen erworben. Der Senat bleibt aber bei der bisherigen Rechtsprechung, daß in der Regel der Erwerb eines eigenen Anteils durch eine GmbH keine Zuwendung des Anteils oder der zum Erwerb des Anteils aufgewandten Geldmittel an die verbleibenden Gesellschafter bedeutet. Solche Maßnahmen liegen gewöhnlich im Interesse der Gesellschaft, insbesondere wenn, wie das Finanzgericht es auch für den Streitfall festgestellt hat, vom Willen der verbleibenden Gesellschafter unabhängige Verhältnisse den Erwerb des eigenen Anteils durch die GmbH erzwungen haben.
Zutreffend erblickt das Finanzgericht auch in der Einziehung eines eigenen Anteils einer GmbH unter gleichzeitiger entsprechender Herabsetzung des Stammkapitals keinen geldwerten Vorteil für die verbleibenden Gesellschafter. Die GmbH gewährt in solchen Fällen rechtlich und wirtschaftlich ihren Gesellschaftern nichts, was sie nicht schon vorher hatten.
Zu Unrecht hält es aber das Finanzgericht für unerheblich, daß im Streitfall das Stammkapital der GmbH trotz der beschlossenen Einziehung des Anteils nicht herabgesetzt, sondern auf 36 000 DM belassen wurde, indem die Anteile der beiden verbleibenden Gesellschafter auf je 18 000 DM erhöht wurden. Wenn die Beteiligten handelsrechtlich einwandfrei vorgegangen wären, so hätten sie den Anteil von 12 000 DM einziehen, das Stammkapital auf 24 000 DM herabsetzen und gleichzeitig wieder auf 36 000 DM erhöhen müssen; dann hätte jeder der beiden Gesellschafter von der Kapitalerhöhung von 12 000 DM einen Anteil von 6 000 DM zu übernehmen und einzuzahlen gehabt. Die Gesellschafter sollten im Streitfall die neuen Anteile nicht bar einzahlen; vielmehr sollte die GmbH aus ihren Rücklagen die Einzahlungsverpflichtung für die Gesellschafter übernehmen. Dieser für das von den Beteiligten erstrebte Ziel handelsrechtlich einwandfreie Weg wurde offenbar aus Vereinfachungsgründen abgekürzt. Das Ziel, die Anteile der beiden Gesellschafter um je 6 000 DM zu erhöhen, ohne daß die Gesellschafter dafür Aufwendungen gemacht hatten, wurde aber rechtlich und wirtschaftlich erreicht. Unerheblich ist dabei, ob man annimmt, daß die GmbH die Einzahlungsverpflichtung der Gesellschafter übernommen oder auf ihren Anspruch auf die Einzahlung von 12 000 DM verzichtet habe.
Betrachtet man den Fall so, so hat die GmbH ihren beiden Gesellschaftern im Gegensatz zur Auffassung des Finanzgerichts einen Freianteil von je 6000 DM gewährt. Freianteile sind, wie der Bundesfinanzhof entschieden hat (Urteile I 165/54 S vom 17. September 1957, BStBl 1957 III S. 401, Slg. Bd. 65 S. 437; VI 13/57 U vom 1. August 1958, BStBl 1958 III S. 390, Slg. Bd. 67 S. 300), Vorteile im Sinne des § 20 Abs. 2 Ziff. 1 EStG. Sie sind aber nicht mit ihrem inneren Wert zur Zeit der Ausgabe, sondern mit ihrem Nennwert anzusetzen. Daraus ergibt sich, daß im Streitfall die GmbH jedem der beiden Gesellschafter einen Vorteil von 6 000 DM zugewendet hat.
Die Auffassung des Finanzgerichts, die beiden Gesellschafter hätten mit der Erhöhung ihrer Anteile von je 12 000 DM auf 18 000 DM keine eigenen Interessen verfolgt, ist unrichtig. Wenn die Gesellschafter kein Interesse an der Maßnahme gehabt hätten, so wäre sie unterblieben; der GmbH wäre dadurch ebensowenig ein Nachteil entstanden wie sie einen Vorteil dadurch hatte, daß bei unverändertem Stammkapital von 36 000 DM die beiden Gesellschafter ihre Anteile von je 12 000 DM auf 18 000 DM erhöhten. Im übrigen hat die Bgin. im Berufungsverfahren selbst zugegeben, daß ihr ein Vorteil von 6 000 DM zugeflossen sei.
Der Vorsteher des Finanzamts meint weiterhin, die GmbH habe den beiden Gesellschaftern den Anteil des Ausgeschiedenen, den sie für 87 500 DM erworben hatte, zugewendet. Dabei wird aber nicht beachtet, daß der alte Anteil eingezogen worden war und deshalb nicht übertragen werden konnte. Die von den Beteiligten gewählte Form war ein gesellschaftsrechtlich zulässiger Weg zu dem gewollten Ziel und muß darum auch der Besteuerung zugrunde gelegt werden.
Die Vorentscheidung und die Einspruchsentscheidung des Finanzamts, die beide von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen sind, müssen wegen unrichtiger Anwendung von § 20 Abs. 2 Ziff. 1 EStG aufgehoben werden. Die nicht spruchreife Sache wird zur anderweiten Entscheidung im Einspruchsverfahren an das Finanzamt zurückverwiesen.
Fundstellen
Haufe-Index 409567 |
BStBl III 1960, 90 |
BFHE 1960, 243 |
BFHE 70, 243 |
BB 1960, 239 |
DB 1960, 136 |