Leitsatz (amtlich)

Bemessungsgrundlage für die Gewerbesteuer nach dem Gewerbeertrag des ersten Erhebungszeitraums ist auch dann der Gewerbeertrag des in diesem Erhebungszeitraum beginnenden, vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahres, wenn dieses Wirtschaftsjahr erst nach Ablauf des ersten Erhebungszeitraums endet.

 

Normenkette

GewStG 1957 ff. § 10 Abs. 2 S. 2

 

Tatbestand

Streitig ist, ob bei der Heranziehung zur Gewerbesteuer 1957 der Revisionsklägerin (KG) ein Gewerbeertrag zu berücksichtigen ist.

Die KG begann ihre gewerbliche Tätigkeit am 14. Mai 1957 und bildete ein abweichendes erstes Wirtschaftsjahr zum 31. März 1958. Gemäß § 10 Abs. 2 Satz 2 GewStG legte das FA dem Gewerbesteuer-Meßbetrag 1957 den Gewerbeertrag des ersten abweichenden Wirtschaftsjahrs vom 14. Mai 1957 bis zum 31. März 1958 zugrunde. Es errechnete den Steuermeßbetrag nach dem Gewerbeertrag nach § 11 Abs. 2 Nr. 1 GewStG und rechnete diesen auf die Dauer des Bestehens der Steuerpflicht im Erhebungszeitraum (Kalenderjahr) 1957 nach § 11 Abs. 5 GewStG auf 8/12 um. Die Höhe des zugrunde gelegten Gewerbeertrags ist unstreitig.

Die KG ist der Auffassung, zwar bestehe für den Erhebungszeitraum 1957 Gewerbesteuerpflicht, jedoch könne ein Gewerbeertrag nicht angesetzt werden. Denn unter dem ersten Erhebungszeitraum im Sinne des § 10 Abs. 2 Satz 2 GewStG sei derjenige Erhebungszeitraum zu verstehen, in dem erstmals ein Gewerbeertrag zufließe. Dies aber sei bei abweichendem Wirtschaftsjahr der Erhebungszeitraum, in dem das Wirtschaftsjahr ende.

Einspruch und Berufung (Klage) der KG blieben erfolglos.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision der KG, mit der sie Aufhebung des Gewerbesteuer-Meßbescheids 1957 hinsichtlich des Gewerbeertrags beantragt, ist nicht begründet.

1. Die Steuerpflichtige bestreitet selbst nicht, daß sie mit Beginn ihrer gewerblichen Tätigkeit im Jahre 1957 neu in die Gewerbesteuerpflicht eintrat. Damit wurde das Kalenderjahr 1957 der erste Erhebungszeitraum für sie. Für jeden im Kalenderjahr bestehenden Gewerbebetrieb ist dieses Kalenderjahr auch der Erhebungszeitraum (§ 14 Abs. 2 GewStG). Nach § 10 Abs. 1 GewStG ist der Gewerbeertrag des Erhebungszeitraums zugrunde zu legen, für den der einheitliche Steuermeßbetrag festgesetzt wird. Nach § 10 Abs. 2 Satz 1 GewStG ist jedoch bei einem vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahr der Gewerbeertrag des Wirtschaftsjahrs für denjenigen Erhebungszeitraum maßgebend, in dem das Wirtschaftsjahr endet. Bei Eintritt in die Steuerpflicht mit einem abweichenden Wirtschaftsjahr, das erst in dem auf das Kalenderjahr des Eintritts in die Steuerpflicht folgenden Kalenderjahr endet, würde hiernach für das Jahr des Eintritts in die Steuerpflicht kein Gewerbeertrag maßgebend sein. Das GewStG bietet jedoch keinen Grund zu der Annahme, es solle in einem solchen Fall von der Erhebung von Gewerbesteuer für den Erhebungszeitraum des Eintritts in die Steuerpflicht abgesehen werden. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß ein Gewerbesteuer-Meßbetrag für den Erhebungszeitraum des Eintritts in die Steuerpflicht in allen den Fällen maßgebend ist, in denen der Steuerpflichtige ein mit dem Kalenderjahr übereinstimmendes Wirtschaftsjahr wählt oder mit einem noch im Erhebungszeitraum des Eintritts in die Steuerpflicht endenden, vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahr beginnt. Es würde eine nicht zu rechtfertigende ungleiche Behandlung der Steuerpflichtigen bedeuten, wenn die Heranziehung zur Gewerbeertragsteuer für den Erhebungszeitraum des Eintritts in die Steuerpflicht nur deshalb unterbleiben sollte, weil der Steuerpflichtige ein abweichendes, erstmals nach Beendigung des Erhebungszeitraums des Eintritts in die Steuerpflicht endendes Wirtschaftsjahr wählt. Der Gesetzgeber stand also lediglich vor der Frage, nach welchen Grundsätzen der Gewerbeertrag des ersten Erhebungszeitraums berechnet werden soll. Es gab mehrere Möglichkeiten. Man konnte den Weg der Schätzung wählen oder dadurch auf eine genauere Berechnung zurückgreifen, daß der Gewerbeertrag des ersten vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahrs zugrunde gelegt wird, wobei entweder der auf den Erhebungszeitraum des Eintritts in die Steuerpflicht entfallende Anteil am Ertrag des ersten abweichenden Wirtschaftsjahrs auf einen Jahresbetrag umgerechnet oder unmittelbar der Ertrag des ersten abweichenden Wirtschaftsjahrs zugrunde gelegt wird. Die Vorschrift des § 10 Abs. 2 Satz 2 GewStG entscheidet sich für eine Regelung im letztgenannten Sinne. Da das GewStG keine andere Vorschrift, die für die Ermittlung des Gewerbeertrags für den Erhebungszeitraum des Eintritts in die Steuerpflicht bei abweichendem Wirtschaftsjahr in Betracht kommen könnte, enthält, muß § 10 Abs. 2 Satz 2 GewStG zur Erreichung eines vernünftigen und gerechten Ergebnisses im Sinne des FA und des FG ausgelegt werden. Das bedeutet für den hier zu entscheidenden Fall, daß mit dem in § 10 Abs. 2 Satz 2 GewStG bezeichneten ersten Erhebungszeitraum der Erhebungszeitraum des Eintritts in die Steuerpflicht und mit dem ersten Wirtschaftsjahr das im Erhebungszeitraum des Eintritts in die Steuerpflicht beginnende und nach Ablauf des Erhebungszeitraums endende Wirtschaftsjahr gemeint sind.

2. Bei Steuerpflichtigen mit abweichendem Wirtschaftsjahr beruht die Durchführung dieses Prinzips allerdings auf der Fiktion, der im abweichenden Wirtschaftsjahr erzielte Ertrag sei während der Dauer des Erhebungszeitraums erzielt, in dem es endet. Hierdurch liegt in Wirklichkeit der Gewerbeertragsteuer eines Erhebungszeitraums ein unter Umständen zu einem erheblichen Teil während des vorangegangenen Erhebungszeitraums erwirtschafteter Ertrag zugrunde, was sich für die Steuerpflichtige je nach dem Wechsel zwischen hohen und niedrigen Wirtschaftsjahrgewinnen günstig oder ungünstig auswirken kann. Der Ausgleich vollzieht sich im allgemeinen jedoch selbsttätig. Ob sich bei Anwendung des § 10 Abs. 2 Satz 2 GewStG in dem dargelegten Sinn für den Steuerpflichtigen im Ergebnis Nachteile ergeben, kann nicht von vornherein, auch nicht im Fall eines besonders hohen Gewinns im ersten Wirtschaftsjahr beurteilt werden (vgl. auch Urteil des BFH I 232/59 S vom 15. November 1960, BFH 72, 58, BStBl III 1961, 23). Dieser in der Praxis nur vereinzelt denkbare Fall reicht dem Senat jedenfalls nicht aus, § 10 Abs. 2 Satz 2 GewStG im Sinne der Steuerpflichtigen auszulegen oder die Vorschrift für grundgesetzwidrig anzusehen. Die Anknüpfung an die ersten Wirtschaftsjahrgewinne in § 10 Abs. 2 Satz 2 GewStG erscheint als eine von mehreren möglichen Regelungen auch unter Berücksichtigung von bei Extremfällen auftretenden Benachteiligungen noch sachgerecht.

3. Der Steuerpflichtigen ist darin beizustimmen, daß bei Eintritt in die Steuerpflicht auf Grund der Regelung in § 10 Abs. 2 Satz 2 GewStG derselbe Gewerbeertrag Bemessungsgrundlage für die Gewerbeertragsteuer zweier Erhebungszeiträume ist. Dies bedeutet aber nur, daß der Gewerbeertragsteuer 1958 statt der auf die Zeit 1. April bis 31. Dezember 1958 entfallende Gewerbeertrag ebenfalls wie der Gewerbeertragsteuer 1957 der auf die Zeit von Beginn des Gewerbebetriebs bis zum 31. Dezember 1957 entfallende Gewerbeertrag zugrunde gelegt wird (vgl. die ähnliche Frage im BFH-Urteil I 232/59 S). Hingegen folgt daraus nicht die Auffassung der Steuerpflichtigen, der Gewerbeertrag des ersten abweichenden Wirtschaftsjahrs werde in ihrem Fall mit 175 % zur Gewerbesteuer herangezogen. Denn die Gewerbesteuer selbst wird nicht nur für 12, sondern für 24 Monate nach einer Dauer der Steuerpflicht von 20 Monaten (erster Erhebungszeitraum = acht; zweiter Erhebungszeitraum = 12 Monate) erhoben. Der Gewerbeertrag des ersten abweichenden Wirtschaftsjahrs wird also lediglich je einmal zwei aufeinander folgenden Gewerbesteuer-Meßbetrags-Veranlagungen zugrunde gelegt, er dient der Gewerbeertragsbesteuerung jedes der in Betracht kommenden Erhebungszeiträume. Von einer echten Mehrfachbesteuerung desselben Gewerbeertrags ist keine Rede.

4. Die Auffassung der Steuerpflichtigen ist auch deshalb nicht vertretbar, weil sie zu dem Ergebnis führen würde, daß das Unternehmen für einen Zeitraum, der der Zeit vom Eintritt in die Steuerpflicht bis zum Ablauf des ersten Erhebungszeitraums entspricht, keine Gewerbesteuer nach dem Gewerbeertrag zahlen würde, ohne daß dieser ungerechtfertigte Vorteil wenigstens bei Beendigung der Steuerpflicht ausgeglichen werden könnte. Denn wenn die Gewerbesteuerpflicht zu einem Zeitpunkt endet, der dem Zeitpunkt des Beginns der Steuerpflicht entspricht, kann die Gewerbesteuer nicht entsprechend erhöht werden (§ 11 Abs. 5 GewStG). Würde z. B. die Steuerpflichtige ihr Unternehmen am 31. März 1965 einstellen, so wäre zwar für den Erhebungszeitraum 1965 Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer der Ertrag des abweichenden Wirtschaftsjahres 1. April 1964 bis 31. März 1965. Für den Erhebungszeitraum 1965 könnte die Gewerbesteuer jedoch nur auf drei Monate umgerechnet für die Zeit vom 1. Januar bis 31. März 1965 erhoben werden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 68906

BStBl II 1970, 256

BFHE 1970, 183

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