Leitsatz (amtlich)
Werden stille Reserven, die durch eine Veräußerung wegen einer drohenden Enteignung aufgedeckt worden sind, mit Hilfe einer Rücklage für Ersatzbeschaffung auf ein Ersatzwirtschaftsgut übertragen, so kommt eine Teilwertabschreibung nur auf den nach der Übertragung verbleibenden Buchwert in Betracht. Das gilt auch, wenn die Teilwertminderung schon bei Fertigstellung des Ersatzwirtschaftsguts vorlag.
Normenkette
EStG §§ 4-6
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine KG, veräußerte im Jahre 1964 ihr gehörende Wohngrundstücke an die Stadt X, um eine Enteignung abzuwenden. Für den hierbei entstandenen Veräußerungsgewinn bildete sie eine Rücklage für Ersatzbeschaffung. Als Ersatz erwarb die Klägerin 1966 ein Grundstück, auf dem sie einen Wohnblock errichtete; das Gebäude war im Mai 1967 bezugsfertig. Im Jahresabschluß zum 31. Dezember 1967 übertrug die Klägerin die Rücklage für Ersatzbeschaffung auf die Anschaffungskosten des Grund und Bodens und mit dem Restbetrag auf das Gebäude. Zuvor nahm sie auf die Herstellungskosten des Gebäudes eine Teilwertabschreibung vor. Nach einer Betriebsprüfung besteht zwischen den Beteiligten Einigkeit, daß der Teilwert des Gebäudes am 31. Dezember 1967 unter den Herstellungskosten lag. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) ließ die Teilwertminderung jedoch unberücksichtigt, weil zunächst die Rücklage für Ersatzbeschaffung zu übertragen sei und der Teilwert danach höher sei als der Buchwert. Entsprechend dieser Rechtsauffassung änderte das FA die Gewinnfeststellung 1967.
Hiergegen erhob die Klägerin nach erfolglosem Einspruch Klage. Zur Begründung führte sie aus, daß schon zum 31. Dezember 1966 eine Teilwertabschreibung auf das entstehende Gebäude möglich gewesen sei. In diesem Fall wäre die Rücklage für Ersatzbeschaffung nach Fertigstellung des Gebäudes auf die um die Teilwertabschreibung verringerten Herstellungskosten übertragen worden; so müsse auch verfahren werden, wenn die Teilwertabschreibung zum 31. Dezember 1967 nachgeholt würde.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet, das FA hat das Gebäude zutreffend bewertet.
1. Die Klägerin mußte zum 31. Dezember 1967 eine Bilanz erstellen (§ 5 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes - EStG -) und darin die Wirtschaftsgüter nach den Vorschriften des § 6 EStG bewerten. Für Gebäude als abnutzbare Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens sind grundsätzlich die Anschaffungs- oder Herstellungskosten, vermindert um Absetzungen für Abnutzungen (AfA) anzusetzen, ist der Teilwert niedriger, so kann dieser angesetzt werden (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 und 2 EStG). Ist eine Rücklage für Ersatzbeschaffung gebildet worden und soll diese auf ein Ersatzwirtschaftsgut übertragen werden, so mindern sich die Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten um die übertragene Rücklage. Eine Teilwertabschreibung ist in diesem Falle nur möglich, wenn der nach Übertragung der Rücklage verbleibende Betrag höher ist als der Teilwert am Bilanzstichtag. Das Verlangen der Klägerin, den Teilwert den ungeminderten Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten gegenüberzustellen, ist nicht gerechtfertigt.
a) Scheidet ein Wirtschaftsgut infolge höherer Gewalt oder zur Vermeidung eines behördlichen Eingriffs gegen Entschädigung aus einem Betriebsvermögen aus, so kann nach ständiger Rechtsprechung in Höhe seiner stillen Reserven eine Rücklage für Ersatzbeschaffung gebildet werden (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 29. März 1979 IV R 1/75, BFHE 127, 397, BStBl II 1979, 412, mit weiteren Nachweisen). Die Bildung der Rücklage soll es dem Betriebsinhaber ermöglichen, die Entschädigung unversteuert in voller Höhe für die Beschaffung eines Ersatzwirtschaftsguts zu verwenden (BFH-Urteil vom 24. Mai 1973 IV R 23-24/68, BFHE 109, 230, BStBl II 1973, 582). Darin liegt jedoch nur ein vorübergehender Steuerverzicht. In Höhe der übertragenen Rücklage muß der Steuerpflichtige nämlich sonst mögliche Absetzungen und Abschreibungen unterlassen; im Falle einer Veräußerung müßte er einen etwaigen Veräußerungsgewinn versteuern. Der Steuerpflichtige wird im Grundsatz also so gestellt, als sei das ausgeschiedene Wirtschaftsgut noch im Betriebsvermögen vorhanden; dies sollte mit der Zulassung der Rücklage für Ersatzbeschaffung auch erreicht werden (vgl. das Urteil des Reichsfinanzhofs - RFH - vom 2. April 1930 VI A 514/30, RStBl 1930, 313).
Diese Zielsetzung macht es erforderlich, daß die Rücklage für Ersatzbeschaffung im Zeitpunkt des Zugangs des Wirtschaftsguts auf seine Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten übertragen wird und daß der verbleibende Betrag fortan als Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten gilt. Dabei kann es keinen Unterschied machen, ob sich der Steuerpflichtige erst bei Aufstellung des Jahresabschlusses zur Übertragung der Rücklage entschließt oder ob er diese Absicht bereits in einem früheren Zeitpunkt deutlich macht. Die Ausübung des Wahlrechts bewirkt in jedem Fall, daß die Rücklage von den Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten und nicht von einem verminderten Wert abgezogen wird. Hiervon geht zu Recht auch Abschn. 35 Abs. 5 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) aus. In gleicher Weise ist die Übertragung von stillen Reserven mit Hilfe einer Rücklage gemäß § 6b EStG geregelt; nach § 6b Abs. 5 EStG gilt der nach Abzug der Rücklage verbleibende Betrag als Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Wirtschaftsguts.
b) Hieraus folgt, daß es für eine Teilwertabschreibung darauf ankommt, ob der Teilwert am Bilanzstichtag unter dem verbleibenden Betrag liegt. Dabei kann es entgegen der Auffassung der KIägerin keine Bedeutung haben, ob die Teilwertminderung bereits beim Zugang des Wirtschaftsguts vorlag oder erst später eingetreten ist. Nach dem Grundsatz der Stichtagsbewertung sind die Wertverhältnisse am Bilanzstichtag maßgebend; wie sich der Teilwert während des Wirtschaftsjahres entwickelt hat, ist unerheblich. Mit diesen Grundsätzen wäre es nicht vereinbar, eine Teilwertabschreibung auf den Tag des Zugangs des Ersatzwirtschaftsguts vorzunehmen; eine Teilwertabschreibung auf einen Zeitpunkt zwischen den Bilanzstichtagen ist nicht möglich.
Die Klägerin kann sich auch nicht darauf berufen, daß sie bereits auf die im Bau befindliche Anlage zum 31. Dezember 1966 eine Teilwertabschreibung hätte vornehmen können und daß sie diese Abschreibung jetzt nachhole. Zum 31. Dezember 1966 war erst ein Teil der Herstellungskosten angefallen. Ob und in welchem Umfang die Klägerin damals eine Teilwertabschreibung hätte vornehmen können, kann dahinstehen. Die Klägerin hat eine solche Abschreibung nicht vorgenommen, so daß auch nicht zu entscheiden ist, welche Wirkung die Übertragung der Rücklage für Ersatzbeschaffung in diesem Fall hätte. Für eine Teilwertabschreibung sind die Wertverhältnisse am Stichtag, im Streitfall also am 31. Dezember 1967 ausschlaggebend. Die Nachholung einer früher möglichen, inzwischen aber nicht mehr gerechtfertigten Teilwertabschreibung kommt nicht in Betracht. Ebenso ist unerheblich, ob verschiedene Sonderabschreibungen und die erhöhten Absetzungen nach § 7b EStG ungeachtet der Übertragung einer Rücklage für Ersatzbeschaffung von den vollen Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten vorzunehmen sind (BFH-Urteil vom 18. August 1959 I 28/59 U, BFHE 69, 502, BStBl III 1959, 448; vgl. auch Entscheidung des Senats vom 2. April 1980 IV R 48/78, BFHE 130, 485, BStBl II 1980, 584). Das mag wegen der wirtschaftspolitischen Ziele solcher Steuervergünstigungen erforderlich sein. Im Streitfall geht es dagegen um allgemeine Fragen der steuerlichen Gewinnermittlung.
Fundstellen
Haufe-Index 413561 |
BStBl II 1981, 432 |
BFHE 1981, 549 |