Leitsatz (amtlich)
Ein Wassernutzungsentgelt, das vom Berechtigten für die Erteilung der Genehmigung zu einer über den Gemeingebrauch hinausgehenden Nutzung eines öffentlichen Gewässers nach § 17 des Wassergesetzes für Baden-Württemberg vom 25. Februar 1960 bzw. nach § 43 des Badischen Wassergesetzes vom 12. April 1913 laufend zu entrichten ist, steht mit dem laufenden Geschäftsbetrieb, nicht mit der Gründung oder mit dem Erwerb des Unternehmens des Berechtigten in wirtschaftlichem Zusammenhang. Seine Hinzurechnung zum Gewinn aus Gewerbebetrieb kommt weder nach § 8 Nr. 2 noch nach § 8 Nr. 7 GewStG in Betracht.
Normenkette
GewStG § 8 Nrn. 2, 7, § 12 Abs. 2 Nrn. 1-2
Tatbestand
Die Revisionsbeklagte (Steuerpflichtige) betreibt unter Ausnutzung der Wasserkraft des Rheines ein Wasserkraftwerk zum Zwecke der Versorgung der Bevölkerung mit elektrischer Energie. Die zu seinem Betrieb erforderlichen Konzessionen sind ihr durch hoheitlichen Akt der Uferstaaten erteilt worden. Das von ihr laufend zu zahlende Wassernutzungsentgelt hat der Revisionskläger (das FA) gemäß § 8 Nr. 2 GewStG als dauernde Last dem Gewerbeertrag, den kapitalisierten Betrag des Entgelts gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 1 GewStG als Dauerschuld dem Gewerbekapital der Steuerpflichtigen hinzugerechnet, während die Steuerpflichtige das Entgelt als eine öffentlich-rechtliche Gebühr ansieht.
Die gegen den einheitlichen Gewerbesteuermeßbescheid 1960 gerichtete Sprungberufung der Steuerpflichtigen hatte Erfolg. In seiner in EFG 1967, 148 veröffentlichten Entscheidung führte das FG aus:
Entgegen früherer Rechtsauffassung werde heute das Wassernutzungsrecht nicht mehr als ein privates Recht angesehen. Schiffbare Gewässer seien öffentliche Sachen, an denen jedermann das Recht zum Gemeingebrauch zustehe. Die Genehmigung der Ausnutzung der Wasserkraft zur Energiegewinnung - und damit zur Gewinnerzielung - sei ein über den gesteigerten Gemeingebrauch hinausgehendes Sondernutzungsrecht. Dieses Recht sei der Steuerpflichtigen bzw. ihrer Rechtsvorgängerin durch einen Hoheitsakt, die staatliche Verleihung, übertragen worden. Das für die Wassernutzung laufend zu entrichtende Entgelt, dessen Erhebung im Ermessen der Behörde stehe und von dessen Erhebung und Entrichtung die Wirksamkeit der Verleihung des Sondernutzungsrechts nicht abhängig sei, sei dem Umfang der Nutzung, d. h. der entnommenen Wassermenge pro Sekunde, angepaßt. Dieses Entgelt sei nach der geschichtlichen Entwicklung seiner Erhebung zwar keine öffentlich-rechtliche Gebühr, wohl aber eine öffentlich-rechtliche Abgabe eigener Art. Sie stehe jedenfalls mit der Gründung oder dem Erwerb des Betriebes, wie § 8 Nr. 2 GewStG es erfordere, nicht in ursächlichem Zusammenhang.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Revision des FA. Es treffe zu, daß das der Steuerpflichtigen eingeräumte Wassernutzungsrecht ein Sondernutzungsrecht sei, das über den Gemeingebrauch an einem öffentlichen Gewässer hinausgehe und daher durch einen öffentlich-rechtlichen Verwaltungsakt der zuständigen Behörde verliehen werden müsse, unbeschadet einer daneben notwendigen zivilrechtlichen Vereinbarung hinsichtlich der Nutzungsentschädigung. Denn der behördliche Verwaltungsakt der Genehmigung einer Sondernutzung gebe dem Nutzungsberechtigten noch nicht auch im privatrechtlichen Sinne das Recht zur Benutzung einer Straße oder eines Wasserlaufs, über das deshalb mit dem Eigentümer der öffentlichen Sache noch ein privatrechtlicher Vertrag zu schließen sei (so auch Urteil des BGH V ZR 275/56 vom 25. Juni 1958, BGHZ 28, 34). Im Gegensatz zur Auffassung des FG sei danach das dem Eigentümer der öffentlichen Sache zu zahlende Entgelt für die Sondernutzung keine öffentlich-rechtliche Abgabe eigener Art, sondern eine Gegenleistung im privatrechtlichen Sinne. Das treffe auch für das im Streit befindliche Entgelt zu, das auf der Vorschrift des § 43 des Badischen Wassergesetzes in der Fassung vom 12. April 1913 (Gesetz- und Verordnungsblatt für das Großherzogtum Baden 1913 S. 250) beruhe, die ihrerseits auf die Vorschrift des § 41 des Badischen Wassergesetzes vom 26. Juni 1899 (Gesetz- und Verordnungsblatt für das Großherzogtum Baden 1899 S. 309) zurückgehe (so Schenkel, Das badische Wasserrecht, 2. Aufl., 1902 Anm. 4 zu § 41; Schenkel-Wiener, Das badische Wasserrecht, 1913, Anm. 1 zu § 43).
Steuerrechtlich stelle das Wassernutzungsrecht das "Kapital" eines Wasserkraftwerks dar. Das für dieses Recht laufend gezahlte Entgelt sei somit eine mit der Gründung des Kraftwerks zusammenhängende dauernde Last, wie sich - was diesen Zusammenhang betreffe - auch aus der Verleihungsurkunde ergebe ("Für die Überlassung der Wassernutzungsrechte hat der Unternehmer ... ein jährliches Entgelt zu entrichten ..."). Darauf, daß der Empfänger des Entgelts eine juristische Person des öffentlichen Rechts sei, könne die Verneinung der Hinzurechnung nach § 8 Nr. 2 GewStG nicht gestützt werden, da diese rechtliche Qualifikation des Empfängers das Entgelt nicht zu einer öffentlich-rechtlichen Abgabe eigener Art mache. Aber auch wenn dies der Fall wäre, könne das nicht zur Unterlassung der Hinzurechnung führen, da ein Abstellen auf den öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Charakter einer dauernden Last die Hinzurechnung weitgehend von Zufälligkeiten abhängig machen würde.
Hilfsweise werde die Hinzurechnung auf § 8 Nr. 7 und § 12 Abs. 2 Nr. 2 GewStG gestützt. Der Zahlung liege ein seinem rechtlichen Gehalt nach als Pachtvertrag anzusprechender Vertrag zugrunde, die entgeltliche Überlassung der Wassernutzung als eines Wirtschaftsguts. Das Entgelt sei deshalb im Streitfall wie die Zahlung auf Grund von Substanzausbeuteverträgen zu behandeln (Urteil des BFH VI 76/63 U vom 21. August 1964, BFH 80, 229, BStBl III 1964, 557).
Die Steuerpflichtige verweist demgegenüber erneut auf den öffentlich-rechtlichen Charakter des Entgelts, wie er sich aus der einleitenden amtlichen Begründung des II. Teils des Wassergesetzes für Baden-Württemberg vom 25. Februar 1960 (Gesetzblatt für Baden-Wüttemberg 1960 S. 17) - WG Baden-Württemberg - gerade auch für die früher geltenden badischen Wassergesetze ergebe. Da somit das Entgelt objektiv von jedem Unternehmen, das ein Wasserkraftwerk betreibe, getragen werden müsse, sei für eine Hinzurechnung, die der subjektiven Gestaltung seitens des Unternehmers Rechnung trage, kein Raum. Andererseits schließe der originäre Erwerb des Wassernutzungsrechts (durch Verleihung) die Annahme eines derivativen Rechts, wie des Pachtrechts, das sich vom Verpächter herleite, und damit eine Hinzurechnung nach § 8 Nr. 7 GewStG aus.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist nicht begründet.
1. Die Objektivierung des vom Unternehmer im Betrieb erwirtschafteten Gewinns (im Gewerbeertrag) und des im Betrieb arbeitenden Kapitals (im Gewerbekapital) erfordert u. a. nach § 8 Nr. 2 GewStG die Hinzurechnung von dauernden Lasten, die wirtschaftlich mit der Gründung oder dem Erwerb des Betriebes zusammenhängen, sofern die durch sie bedingten Aufwendungen den Gewinn aus Gewerbebetrieb (§ 7 GewStG) gemindert haben und nicht beim Empfänger der Gewerbesteuer unterliegen, und erfordert u. a. nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 GewStG die Hinzurechnung der den Aufwendungen entsprechenden Verbindlichkeiten, sofern diese bei der Feststellung des Einheitswerts des gewerblichen Betriebes das Rohvermögen gemindert haben.
Nicht im Zusammenhang mit der Gründung oder mit dem Erwerb des Betriebes durch den Unternehmer stehen solche dauernden Lasten, die im Rahmen des laufenden Geschäftsbetriebs übernommen worden sind. Das hat der Senat bereits in seinem Urteil I 71/60 S vom 4. Dezember 1962 (BFH 76, 259, BStBl III 1963, 93) für Pensions- und Rentenanwartschaften ausgesprochen, die im laufenden Geschäftsbetrieb begründet worden waren. Sie können auch nicht als Eigenkapital behandelt werden, obwohl sie eigenkapitalähnliche Züge aufweisen (BFH-Urteil II 207/57 U vom 30. August 1962, BFH 75, 489, BStBl III 1962, 445).
2. Wenn das FA der Steuerpflichtigen das ihr verliehene Wassernutzungsrecht als "Kapital" zuordnet und auf diese Weise den Zusammenhang der im Entgelt für die Wassernutzung gefundenen dauernden Last mit der Gründung oder mit dem Erwerb des Betriebes gegeben sieht, so kann ihm der Senat hierin nicht folgen.
Wasserläufe, wie im vorliegenden Streitfalle der Rhein, gehören zu den im Gemeingebrauch stehenden öffentlichen Sachen (Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 9. Aufl., S. 347). Ohne daß es hier einer Darlegung der Art und des Umfangs des Gemeingebrauchs oberirdischer Gewässer bedarf, erfordert unstreitig eine über den Gemeingebrauch hinausgehende Nutzung - wie im Streitfall der Betrieb eines Wasserkraftwerks - als Sondernutzung gemäß § 7 des Gesetzes zur Ordnung des Wasserhaushalts (Wasserhaushaltsgesetz) vom 27. Juli 1957 (BGBl I 1957 S. 1110) die widerrufliche Erlaubnis, oder gemäß § 8 des Wasserhaushaltsgesetzes die als Einräumung eines Rechts verstandene Bewilligung, "ein Gewässer nach einer in Art und Maß bestimmten Weise zu benutzen". Entsprechendes galt bereits vor dem Inkrafttreten des Wasserhaushaltsgesetzes nach Landesrecht (siehe Bayer-Ehrenberg, Das badische Wasserrecht, Mitteilungen des Deutschen Wasserwirtschafts- und Wasserkraft-Verbandes e. V. 1926 Nr. 16 S. 36 ff.).
Darüber hinaus steht das Bett eines Gewässers erster Ordnung im öffentlichen Eigentum, über das durch private Rechtsgeschäfte nicht verfügt werden kann (§ 4 Abs. 1, § 5 Satz 2 WG Baden-Württemberg). Das galt für die öffentlichen Gewässer allgemein auch bereits nach § 1 Abs. 1 und § 5 des Badischen Wassergesetzes vom 12. April 1913, nach dem die öffentlichen Gewässer im Eigentum des Staates standen und dieses Eigentum im Wege des privatrechtlichen Rechtsgeschäfts weder auf andere übertragen noch mit Rechten belastet werden konnte.
Für die über den Gemeingebrauch hinausgehende Nutzung des Gewässers kann nach § 17 WG Baden-Württemberg und konnte nach § 43 des Badischen Wassergesetzes vom 12. April 1913 dem Berechtigten die Zahlung eines Entgelts auferlegt werden, das dem Eigentümer des Gewässers zukam. Dieses Entgelt ist seiner Natur nach öffentlich-rechtlicher Art (so Bayer-Ehrenberg, a. a. O., S. 42; Ziegler, Kommentar zum Wassergesetz für Baden-Württemberg, Anm. 1 zu § 17). Ob demgegenüber das Entgelt für die Genehmigung der über den Gemeingebrauch hinausgehenden Wasserentnahme (§ 43 WG Baden-Württemberg) Gegenstand einer privatrechtsgeschäftlichen Vereinbarung zwischen dem Eigentümer des Gewässers und einem Dritten sein kann (BGH-Urteil V ZR 275/56, a. a. O.), braucht der Senat nicht zu entscheiden.
Anders als die Erbbaulast (siehe BFH-Urteil I 58/60 U vom 27. September 1960, BFH 71, 592, BStBl III 1960, 470) und das Altenteil (Auszugsrecht, Leibgedinge), die auf privatrechtsgeschäftlicher Vereinbarung beruhen, sind ihrem Charakter nach Deich-, Kirchen- und Schullasten dem Entgelt für die Wassernutzung vergleichbar, ebenso Konzessionsabgaben, soweit diese nicht neben dem Entgelt für die Erlaubnis einer über den Gemeingebrauch hinausgehenden Benutzung öffentlicher Straßen, Wege und Plätze zugleich eine Abgeltung für den Verzicht der Gemeinde einschließen, ein dem vom Berechtigten betriebenen gleichartiges Unternehmen in eigener Regie zu betreiben. Während indes die genannten dauernden Lasten - mit Ausnahme der Konzessionsabgaben und des Wassernutzungsentgelts - infolge ihrer Verknüpfung mit dem Eigentum am Grund und Boden in aller Regel mit der Gründung oder mit dem Erwerb eines Unternehmens in Zusammenhang stehen, gehören die Konzessionsabgaben und das Wassernutzungsentgelt zu den mit dem laufenden Geschäftsbetrieb verbundenen Lasten.
Der Umstand, daß ein Versorgungs- oder ein Verkehrsunternehmen, daß ein Wasserkraftwerk für den Betrieb seines Unternehmens auf die Genehmigung einer über den Gemeingebrauch hinausgehenden Nutzung öffentlicher Sachen - gleichgültig, ob diese im privaten oder im öffentlichen Eigentum stehen - angewiesen ist, bedeutet nicht, daß deshalb ein wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den für die Genehmigung zu leistenden Zahlungen und der Gründung oder dem Erwerb des Betriebes angenommen werden muß. Die Auffassung, daß die Konzessionsabgaben der Versorgungs- und Verkehrsunternehmen an die Gemeinden für die über den Gemeingebrauch hinausgehende Nutzung öffentlicher Straßen, Wege und Plätze nicht zu den dauernden Lasten im Sinne der Vorschrift des § 8 Nr. 2 GewStG gehören, wird von Müthling (Gewerbesteuergesetz, 2. Aufl., Anm. 3 zu § 8) sowie von Kirmse (Rechts- und Wirtschaftspraxis, 14 D Gewerbesteuer I 8 unter B II) geteilt. Der Senat schließt sich dieser Auffassung an. Nichts anderes kann aber hinsichtlich eines für ein besonderes Wassernutzungsrecht gezahlten Entgelts gelten.
3. Auch eine Hinzurechnung des streitigen Entgelts nach § 8 Nr. 7 GewStG kommt nicht in Betracht. Die für die Genehmigung einer über den Gemeingebrauch hinausgehenden Nutzung eines Gewässers zu zahlende Entschädigung ist keine Miet- oder Pachtzahlung für die Benutzung eines im Eigentum eines anderen stehenden Wirtschaftsguts des Anlagevermögens. Denn wenn auch privatrechtsgeschäftliche Vereinbarungen über eine im öffentlichen Eigentum stehende öffentliche Sache möglich sind, soweit sie die öffentlich-rechtliche Zweckbindung der Sache nicht beeinträchtigen (Forsthoff, a. a. O., S. 350 ff.), so liegt im Streitfall doch eine solche Vereinbarung nicht vor. Die mit der Genehmigung verbundene Auflage der Zahlung eines Entgelts ist ihrer Natur nach ein öffentlich-rechtlicher Verwaltungsakt und keine privatrechtsgeschäftliche Vereinbarung.
Fundstellen
Haufe-Index 68529 |
BStBl II 1969, 417 |
BFHE 1969, 325 |