Leitsatz (amtlich)
Dem "Güterstand der Zugewinngemeinschaft" i. S. von § 6 Abs. 1 Satz 1 ErbStG 1959 steht der nach Inkrafttreten der DDR-Verfassung bis zum Inkrafttreten des Familiengesetzbuchs vom 20. Dezember 1965 in der DDR geltende, gesetzliche "Güterstand der Gütertrennung mit Ausgleichsanspruch" gleich. Als "Unterbleiben des Zugewinnausgleichs" im Sinne von § 6 Abs. 1 ErbStG 1959 gilt auch das "Nichtgeltendmachen des Ausgleichsanspruchs des Güterstandes der Gütertrennung mit Ausgleichsanspruch".
Normenkette
ErbStG § 6 Abs. 1 S. 1
Tatbestand
Die Klägerin und ihr am 15. August 1966 verstorbener Mann heirateten 1941 in Offenbach/Main und hatten ihren ersten ehelichen Wohnsitz in Frankfurt/Main. Im November 1945 übersiedelten sie von der amerikanischen in die sowjetische Besatzungszone.
Am 7. Oktober 1949 hatten die Eheleute ihren Wohnsitz in Halle an der Saale und am 1. April 1951 verlegten sie ihn von dort nach Berlin (West). 1966 starb der Ehemann. Die Klägerin war alleinige gesetzliche Erbin.
Das FA (Beklagter) setzte unter Berücksichtigung des Freibetrages gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 ErbStG die Erbschaftsteuer vorläufig fest.
Mit ihrem Einspruch vertrat die Klägerin die Ansicht, ihr Ausgleichsanspruch aus der Zugewinngemeinschaft in Höhe von 1/4 des Nachlasses sie kein erbschaftsteuerpflichtiger Erwerb.
Das FA war dagegen der Auffassung, aufgrund der Rechtsordnungen der DDR sei für die Eheleute der Güterstand der Gütertrennung maßgeblich geworden. Deshalb hätten sie auch nicht an der Rechtsänderung durch das Gleichberechtigungsgesetz (GleichberG) teilgehabt (Art. 8 Nr. 3 und 4 GleichberG vom 18. Juni 1957, BGBl 1 1957, 609), der Güterstand der Zugewinngemeinschaft sei nicht ihr Güterstand geworden. Damit aber entfalle die von der Klägerin begehrte Rechtsfolge.
Das FA wies den Einspruch zurück und erklärte in seiner Einspruchsentscheidung die Steuerfestsetzung nur noch hinsichtlich der Berücksichtigung von Steuerschulden und Steuerguthaben für vorläufig.
Die Klage blieb ohne Erfolg.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet.
Beendet der Tod eines Ehegatten den Güterstand der Zugewinngemeinschaft und wird der Zugewinn nicht nach § 1371 Abs. 2 BGB ausgeglichen, so gilt beim überlebenden Ehegatten der vierte Teil des Betrages,der ihm - wäre er Alleinerbe - ... als steuerpflichtiger Erbanfall zufallen würde, nicht als Erwerb im Sinne des § 2 ErbStG (§ 6 Abs. 1 Satz 1 ErbStG).
§ 6 Abs. 1 ErbStG bezweckt, Ansprüche, die einem Ehegatten aufgrund der Neuregelung des ehelichen Güterrechts durch das Gesetz über die Gleichberechtigung von Mann und Frau auf dem Gebiet des bürgerlichen Rechts (Gleichberechtigungsgesetz) beim Güterstand der Zugewinngemeinschaft zustehen und anläßlich des Erbanfalles verwirklicht werden, von der Besteuerung des Erbanfalles freizustellen.
1. Zutreffend ist das FG davon ausgegangen, daß für die Klägerin und ihren verstorbenen Ehemann der Güterstand der Zugewinngemeinschaft (§ 1363 BGB) nicht aufgrund des Gleichberechtigungsgesetzes gesetzlicher Güterstand geworden ist und daß daher eine unmittelbare Anwendung dieser Vorschrift auf den Streitfall nicht in Betracht kommt.
Im Gleichberechtigungsgesetz wird in Art. 8 Nrn. 3 und 4 bestimmt, daß der Güterstand der Zugewinngemeinschaft (abgesehen von der Sonderregelung für das Saarland in Nr. 11) für Ehegatten gilt, die am 31. März 1953 im Güterstand der Verwaltung und Nutznießung des Mannes gelebt haben oder die nach diesem Zeitpunkt die Ehe geschlossen haben, und außerdem nach Nr. 5 für Ehegatten, bei denen die Gütertrennung aufgrund bestimmter in der Vorschrift aufgeführter Umstände eingetreten ist.
In Bernburg/Saale und Halle an der Saale hatte sich der ehemalige Güterstand der Verwaltung und Nutznießung des Ehemannes, in dem die Eheleute seit ihrer Heirat gelebt hatten, auf Grund der Art. 7, 30 Abs. 2 und 144 Abs. 1 der Verfassung der DDR vom 7. Oktober 1949 (Gesetzblatt - DDR - S. 5) in den Güterstand der Gütertrennung verwandelt. In Übereinstimmung mit dem Beschluß des BGH vom 21. Juni 1963 (V ZB 3/63, NJW 1963, 1975, BGHZ 40, 32) hat das FA daraus gefolgert, das Gleichberechtigungsgesetz habe infolgedessen auf den Güterstand der Klägerin und ihres verstorbenen Ehemannes keinen Einfluß gehabt. Wie der BGH ausführte, sei mangels einer gesetzlichen Regelung in entsprechender Anwendung der Regeln des internationalen Privatrechts und in Übereinstimmung mit Art. 2 Abs. 2 des Abkommens, betreffend den Geltungsbereich der Gesetze in Ansehung der Ehe auf Rechte und Pflichten der Ehegatten in ihren persönlichen Beziehungen und auf das Vermögen der Ehegatten (Haager Ehewirkungsabkommen) vom 17. Juli 1905 (RGBl 1912, 453, 475; "Eine Änderung der Staatsangehörigkeit der Ehegatten oder des einen von ihnen ist ohne Einfluß auf das eheliche Güterrecht") davon auszugehen, daß das eheliche Güterrecht dem Grundsatz der Unwandelbarkeit unterliege und daß bei deutschen Staatsangehörigen der Anknüpfungspunkt der Staatsangehörigkeit nicht weiterführe. Bei Flüchtlingen sei der gewöhnliche Aufenthalt des Mannes zur Zeit der Eheschließung für die Bestimmung des Güterstandes maßgebend. Später heißt es in dem Beschluß: "Nach dem Grundsatz der Unwandelbarkeit des Güterrechtsstatus" bestimme sich "bei Flüchtlingen der gesetzliche Güterstand nach dem Heimatrecht, das für den Ehemann im Zeitpunkt der Übersiedlung in die Bundesrepublik maßgebend war". Es trete eine "sog. Versteinerung des Güterstandes ein" (vgl. auch Raape, Internationales Privatrecht, 5. Aufl., 1961, § 31 III S. 332). Die Bedenken, die gegen die Anwendung des Grundsatzes der Unwandelbarkeit des Güterstandes bei Flüchtlingen und Vertriebenen erhoben wurden (vgl. dazu auch Raape, a. a. O., 5. Aufl. 1961 § 31 VII S 338 f.), erachtete der BGH als nicht begründet (vgl. zum gegenwärtigen Stand der Diskussion auch Soergel-Siebert [Kegel], Bürgerliches Gesetzbuch, Bd. 7, Art. 15 Rdnr. 44 und Anm. dazu).
Der vorliegende Fall unterscheidet sich von dem durch den BGH entschiedenen Fall zwar dadurch, daß im Falle des Beschlusses des BGH die Ehe 1950 in Leipzig geschlossen worden war, während die Klägerin und ihr verstorbener Ehemann bereits 1941 in Offenbach geheiratet hatten. Indes waren die Bestimmungen über den Güterstand der Verwaltung und Nutznießung des Ehemannes auch im vorliegenden Fall während der Dauer des Aufenthalts in Halle an der Saale unanwendbar geworden. Denn seit Inkrafttreten der Verfassung der DDR vom 7. Oktober 1949 galt als gesetzlicher Güterstand in deren Geltungsbereich der Güterstand der Gütertrennung (vgl. Urteile des Obersten Gerichts der DDR in Zivilsachen vom 16. November 1953 1 Uz 60/53, OGZ 3, 56, und vom 15. März 1955 1 Zz 92/54, OGZ 3, 298, und vom 1. Juli 1960 1 Zz 7/60, OGZ 7, 222).
Aufgrund des Beschlusses des BGH wurde die Rechtslage jedoch von Rechtsprechung und Gesetzgebung als dahin geklärt angesehen, daß der Grundsatz der Unwandelbarkeit des Güterrechtsstatus auch bei Vertriebenen und Flüchtlingen anzuwenden war (vgl. Begründung zum "Entwurf eines Gesetzes über das auf den ehelichen Güterstand anzuwendende Recht" Deutscher Bundestag - 5. Wahlperiode - Drucksache V/3242 S. 3). Das Gesetz über den ehelichen Güterstand von Vertriebenen und Flüchtlingen vom 4. August 1969 (BGBl I 1969, 1067) hatte, da es mit den hier einschlägigen Teilen am 1. Oktober 1969 in Kraft trat (§ 7 des Gesetzes), infolgedessen keinen Einfluß auf das Güterrecht der Klägerin und ihres verstorbenen Ehegatten.
2. Zutreffend hat das FG auch erkannt, daß das Güterrecht, das für die Klägerin und ihren verstorbenen Ehegatten galt, trotz der Benennung als Güterstand der Gütertrennung dem Recht der Zugewinngemeinschaft ähnlich war. Übereinstimmend mit dem Güterstand der Zugewinngemeinschaft hat bei diesem Güterstand jeder Ehegatte bei Beendigung der Ehe durch Scheidung oder Tod einen familienrechtlichen Anspruch auf Ausgleich des während der Ehe erworbenen Vermögens, der allerdings weder vererblich noch übertragbar war (vgl. Soergel-Siebert [Kegel] a. a. O., Art. 15 Rdnr. 49), kurz gesagt einen Ausgleichsanspruch (vgl. Urteil des Obersten Gerichts der DDR in Zivilsachen vom 15. März 1955 1 Zz 92/54, OGZ 3, 298).
Der Ausgleichsanspruch nach diesem Güterstand der "Gütertrennung" wie auch der Ausgleichsanspruch nach dem Güterstand der Zugewinngemeinschaft sind keine dinglichen, sondern obligatorische Ansprüche. Es kann auch davon ausgegangen werden, daß der Regelung in den §§ 1373 f. BGB (Berechnung des Zugewinns) auch die Grundsätze für die Berechnung des "Ausgleichsanspruchs bei dem Güterstand der Gütertrennung", der vor Inkrafttreten des Familiengesetzbuchs vom 20. Dezember 1965 in der DDR galt, entnommen werden können.
Ob ein vor den Gerichten der Bundesrepublik Deutschland ausgetragener Rechtsstreit über die Höhe des Ausgleichsanspruchs zu unterschiedlichen Ergebnissen führen würde gegenüber einem Rechtsstreit, der bei ansonsten gleichen tatsächlichen Verhältnissen über die Berechnung des Zugewinns geführt würde, kann dahinstehen. Die Ermittlungen der Höhe der Ausgleichsansprüche dienen jedenfalls in beiden Fällen dazu, die Ehegatten zu gleichen Teilen an dem gemeinsam erarbeiten Vermögen zu beteiligen. Beide Ausgleichsansprüche sind mithin nicht Ausdruck unentgeltlicher Zuwendungen i. S. des Erbschaft- und Schenkungsteuerrechts, sondern Folgen vermögensrechtlicher Auseinandersetzungen der Ehegatten.
Richtig ist allerdings, daß der "Güterstand der Gütertrennung mit Ausgleichsanspruch" keine Regelung entsprechend der in § 1371 BGB (Zugewinnausgleich im Todesfall) kennt. Es kann dahinstehen, ob es zivilrechtlich zulässig wäre, die Regelung des § 1371 BGB auf Fälle der vorliegenden Art im Wege der Auslegung auszudehnen. Eine unmittelbare Anwendung von § 6 ErbStG kommt jedenfalls nicht in Betracht.
Erbschaftsteuerrechtlich ergibt sich in Fällen der vorliegenden Art die Notwendigkeit, die Höhe des Ausgleichsanspruchs des überlebenden Ehegatten zu ermitteln. Denn dieser Ausgleichsanspruch ist - wie bereits gesagt - kein unentgeltlicher Erwerb von Todes wegen i. S. von § 2 ErbStG. Der Anspruch mindert deshalb den der Erbschaftsteuer unterliegenden Vermögensfall.
Die Höhe des Anspruchs ist in der Praxis zwangsläufig ungewöhnlich schwierig feststellbar, und zwar allein schon deshalb, weil die Feststellung der zur Beurteilung erforderlichen Tatsachen weitgehend von den Darlegungen des überlebenden Ehegatten abhängt. Im übrigen sei zur diesbezüglichen Problematik auf die Ausführungen in der Literatur verwiesen (vgl. Erman, Handkommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 5. Aufl., 2. Bd. § 1371 Rdnrn. 4 bis 14; Kommentar von Reichsgerichtsräten und Bundesrichtern zum BGB, 10. und 11. Aufl. IV. BD., 1. Teil § 1371 Anmerkungen 3 bis 5 sowie die dort zitierte Literatur). Der Gesetzgeber hat deshalb in den von § 1371 BGB abgedeckten Fällen eine Lösung normiert, bei der "nicht gerechnet zu werden braucht" (vgl. Staudinger, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 10. und 11. Aufl., Bd. IV, Teil 2, Vorbemerkung zu § 1371 Rdnr. 26). Die Regelung in § 6 Abs. 1 ErbStG beinhaltet demgemäß aus Vereinfachungsgründen auch eine Art Schätzung des Ausgleichsanspruchs bei der Zugewinngemeinschaft.
Es ist weiter zu bedenken, daß die Regelung des § 6 ErbStG sowohl für Ehegatten gilt, die am 31. März 1953 im Güterstand der Verwaltung und Nutznießung des Mannes gelebt haben, als auch seit Inkrafttreten des Gesetzes über den ehelichen Güterstand von Vertriebenen und Flüchtlingen für Ehegatten, die Vertriebene und Flüchtlinge sind und die nicht im Güterstand der Verwaltung und Nutznießung des Mannes gelebt haben. Rein vom Wortlaut her sind mithin von der gesetzlichen Regelung in § 6 ErbStG nur Witwer und Witwen nicht betroffen, deren Ehe durch den Tod des Ehepartners zwischen dem 31. März 1953 und dem 1. Oktober 1969 aufgelöst wurde.
In Anbetracht der weitgehenden Übereinstimmung des Güterstandes der "Gütertrennung mit Ausgleichsanspruch", wie er vor Inkrafttreten des Familiengesetzbuches in der DDR galt, mit dem Güterstand der Zugewinngemeinschaft und der Tatsache, daß keine Gesichtspunkte erkennbar sind, weshalb diejenigen, die zwischen dem 31. März 1953 und dem 1. Oktober 1969 im Güterstand der "Gütergemeinschaft mit Ausgleichsanspruch" gelebt haben, erbschaftsteuerlich anders behandelt werden sollten als diejenigen, für die der Güterstand der Zugewinngemeinschaft gesetzlicher Güterstand wurde, erachtet es der Senat für gerechtfertigt, daß unter "Güterstand der Zugewinngemeinschaft" auch der "Güterstand der Gütertrennung mit Ausgleichsanspruch", wie er vor Inkrafttreten des Familiengesetzbuchs vom 20. Dezember 1965 in der DDR galt, verstanden wird und als "Unterbleiben des Zugewinnausgleichs" auch das "Nichtgeltendmachen des Ausgleichsanspruchs dieses Güterstandes" zu gelten hat.
Haben also Eheleute ihre Ehe während des zeitlichen Geltungsbereichs des Güterstandes der Verwaltung und Nutznießung des Mannes geschlossen, ohne einen anderen Güterstand zu vereinbaren, unterlag dieser Güterstand den Wandlungen des Güterrechts nach 1945, so daß ein Ehegatte einen Ausgleichsanspruch erwarb, haben die Ehegatten ihren Wohnsitz in den Geltungsbereich des Grundgesetzes verlegt, wurde der Güterstand der "Gütertrennung mit Ausgleichsanspruch" durch den Tod eines Ehegatten beendet und der Ausgleichsanspruch vom überlebenden Ehegatten nicht geltend gemacht, so gilt unter entsprechender Anwendung von § 6 Abs. 1 Satz 1 ErbStG der vierte Teil des Betrages, der ihm, wenn er Alleinerbe wäre, ... nicht als Erwerb i. S. des § 2.
Betroffen wird von dieser Auslegung ein kleiner Personenkreis, nämlich der von Eheleuten, die nach dem Inkrafttreten der DDR-Verfassung in deren Geltungsbereich lebten, das Gebiet der DDR danach verlassen haben und deren Ehe durch Tod vor Inkrafttreten des Gesetzes über das auf den ehelichen Güterstand anzuwendende Recht vom 4. August 1969 aufgelöst wurde.
Die Tatsache, daß der Gesetzgeber bei der Regelung der güterrechtlichen Verhältnisse und ihrer steuerlichen Folgen vor einer ungewöhnlich großen Anzahl von Problemen stand, daß die Probleme nacheinander nur schrittweise geregelt werden konnten und immer wieder Restfälle ungelöst zurückblieben, rechtfertigt es, der Auslegung nach dem Zweck des § 6 ErbStG vor der nach dem Wortlaut den Vorrang einzuräumen.
Fundstellen
Haufe-Index 71356 |
BStBl II 1975, 447 |
BFHE 1975, 277 |