Leitsatz (amtlich)
Eine Weihnachtsfeier des Betriebes für Kinder der Arbeitnehmer bis zu 15 Jahren kann eine Betriebsveranstaltung sein. Die Grenze von 50 DM, bis zu der bei üblichen Sachzuwendungen noch Zuwendungen von geringerem Wert, die steuerfrei bleiben, angenommen werden können, erhöht sich bei Teilnahme mehrerer Kinder eines Arbeitnehmers angemessen.
Normenkette
EStG 1965/1971 § 19
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) veranstaltet in der Vorweihnachtszeit jedes Jahr eine Weihnachtsfeier, zu der alle Arbeitnehmer mit Kindern bis zu einem Alter von 15 Jahren eingeladen werden. Im Jahr 1970 waren dies knapp 2 000 Arbeitnehmer mit fast 3 500 Kindern. Die Weihnachtsfeier besteht in der Regel aus einer Märchenaufführung in einem Theater oder Kasperleveranstaltung mit jeweils anschließender Verteilung von Geschenken für die Kinder. Die Geschenke bestehen jeweils aus 10 DM in bar, die bei den Arbeitnehmern der Lohnsteuer unterworfen werden, und aus einem Geschenkpäckchen mit Kinderwäsche 2. und 3. Wahl aus der eigenen Produktion der Klägerin im Wert von etwa 10 DM. Für Kinder, die nicht an der Weihnachtsfeier teilnehmen, können Familienangehörige das Geschenk abholen. Der Gesamtwert der in den Streitjahren 1967 bis 1971 ausgegebenen Weihnachtspäckchen betrug X DM.
Im Anschluß an eine Lohnsteueraußenprüfung zog der Beklagte und Revisionskläger (FA) die Klägerin durch Haftungsbescheid u. a. wegen dieses Tatbestandes zur Lohnsteuernachzahlung (zuzüglich Kirchenlohnsteuer) heran.
Das FG gab der Sprungklage in diesem Punkte statt und setzte den Lohnsteuerhaftungsbetrag (unter entsprechender Kürzung auch der Kirchenlohnsteuer) herab. Es führte zur Begründung u. a. aus: Die Weihnachtspäckchen könnten nicht als übliche Zuwendung im Rahmen einer Betriebsveranstaltung lohnsteuerfrei bleiben, weil eine Betriebsveranstaltung, an der alle Mitglieder der Belegschaft teilnehmen können und mindestens ein größerer Teil sich auch tatsächlich beteiligt (Urteil des BFH vom 7. Juli 1961 VI 176/60 S, BFHE 73, 485, BStBl III 1961, 443), nicht vorliege. Sie stellten jedoch eine der Lohnsteuer nicht unterliegende bloße Annehmlichkeit dar. Unterscheidungskriterium gegenüber einer steuerpflichtigen Sachzuwendung sei die objektive Bereicherung des Arbeitnehmers. Sicher seien die Arbeitnehmer durch die Päckchen subjektiv bereichert. Bei objektiver Betrachtung, die eine Interessenabwägung verlange, fehle es aber an einer Bereicherung. Eine objektive Bereicherung liege in der Mehrzahl der Fälle nicht vor, wenn die Zuwendung in erster Linie den Interessen des Arbeitgebers diene. Mit den im Rahmen einer Weihnachtsfeier abgegebenen Päckchen möchte die Klägerin demonstrieren, wie sehr ihr an der Förderung eines guten Betriebsklimas und der Pflege der menschlichen Beziehungen liege. Die Geschenke sollten die soziale Einstellung der Klägerin zum Ausdruck bringen. Dabei seien die Interessen der Arbeitnehmer von untergeordneter Bedeutung.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung des § 2 LStDV i. V. m. §§ 8 und 19 EStG. Es trägt u. a. vor: Den Arbeitnehmern würden durch die Wäschepäckchen Aufwendungen erspart, die sie sonst mit großer Sicherheit selbst gemacht hätten, zumal der Inhalt der Päckchen auf die jeweiligen Empfänger abgestimmt sei. Die Unterscheidung des FG zwischen subjektiver und objektiver Bereicherung sei ein Widerspruch in sich. Auch beabsichtige die Klägerin mit den Päckchen nicht eine Förderung des Betriebsklimas usw.; denn die Feier sei eine solche für Kinder und die Päckchen würden auch dann verteilt, wenn weder Angehörige noch Kinder zur Feier kommen. Eine Interessenabwägung sei bei unmittelbaren Zuwendungen des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer nicht anzustellen, weil grundsätzlich davon auszugehen sei, daß die Interessen desjenigen überwiegend gewahrt seien, der etwas erhalte, was in Geld bestehe oder für ihn einen geldwerten Vorteil bedeute. Eine Interessenabwägung dürfe nur stattfinden, wenn dem Arbeitnehmer durch Aufwendungen des Arbeitgebers eigene Aufwendungen erspart würden.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist nicht begründet.
Der Senat hat in ständiger Rechtsprechung anerkannt, daß Sachzuwendungen der Arbeitgeber bei Betriebsveranstaltungen als Annehmlichkeiten insoweit nicht zum steuerpflichtigen Arbeitslohn gehören, als es sich um übliche Zuwendungen von geringem Wert handelt (z. B. Urteile VI 176/60 S; vom 26. August 1966 VI 248/65, BFHE 86, 783, BStBl III 1966, 659, und vom 3. August 1973 VI R 82/70, BFHE 110, 267, BStBl II 1973, 831). Diese Rechtsprechung hat ihren Niederschlag in Abschn. 11 LStR 1966 (Abschn. 20 LStR 1975) gefunden.
Der Senat trägt entgegen der Auffassung der Vorinstanz keine Bedenken, die von der Klägerin veranstaltete Weihnachtsfeier für Kinder der Arbeitnehmer bis zu 15 Jahren als eine Betriebsveranstaltung in diesem Sinne anzusehen. Zwar kann man von einer Betriebsveranstaltung nur dann sprechen, wenn diese grundsätzlich allen Arbeitnehmern offensteht. Dies schließt indessen nicht aus, daß auch solche Veranstaltungen als Betriebsveranstaltungen beurteilt werden, die z. B. nach der Art des Dargebotenen nur für einen beschränkten Kreis der Arbeitnehmer von Interesse sind. Als Voraussetzung muß dabei lediglich gefordert werden, daß die Veranstaltung sich noch im Rahmen einer üblichen Betriebsveranstaltung hält und daß die sich aus der Sache ergebende Begrenzung des Teilnehmerkreises sich nicht als Privilegierung bestimmter Arbeitnehmergruppen darstellt. In diesem Sinne ist eine Weihnachtsfeier für Kinder der Arbeitnehmer bis zu 15 Jahren, die im wesentlichen aus der Aufführung eines Märchens usw. besteht, noch als eine übliche Betriebsveranstaltung anzusehen, wenn alle Kinder bis zu 15 Jahren und die Arbeitnehmer als Begleiter der Kinder dazu eingeladen sind und daran teilnehmen können. In der Begrenzung des Teilnehmerkreises auf Kinder bis zu 15 Jahren mit Angehörigen kann insbesondere eine schädliche Privilegierung der Arbeitnehmer mit Kindern nicht gesehen werden. Dieser Arbeitnehmerkreis ist durch das Vorhandensein der Kinder ohnehin mehr belastet als Arbeitnehmer ohne Kinder. Es kann steuerlich nicht als schädlich angesehen werden, wenn ein Betrieb im Rahmen seiner betrieblichen steuerfreien Sozialleistungen Arbeitnehmer mit Kindern unter 15 Jahren in angemessenem Umfange stärker berücksichtigt als andere Arbeitnehmer.
Die Wäschepäckchen stellen eine Zuwendung aus Anlaß dieser Betriebsveranstaltung dar. Der Auffassung des FA, daß die Weihnachtsfeier nur der Verteilung der Päckchen diene, kann nicht gefolgt werden. Es ist grundsätzlich Sache des Betriebes, wie er die üblichen Sozialleistungen ausgestaltet. Durch die Aufführung eines Märchens usw. wird der Feier ein bestimmter Charakter verliehen. Dieser ist nicht so nebensächlich, daß er gegenüber der Verteilung der Päckchen etwa völlig zurücktreten würde. Der Senat hat keinen Zweifel, daß sich jedenfalls für die Teilnehmer an der Weihnachtsfeier der Vorgang so darstellt, als wenn ein Geschenk in Form des Wäschepäckchens anläßlich der Feier verteilt worden ist. In diesem Zusammenhang ist die Frage, wie die Verteilung von Wäschepäckchen an Kinder, die an der Weihnachtsfeier nicht teilnehmen, steuerlich zu beurteilen ist, ohne entscheidende Bedeutung; hierauf ist später noch einzugehen.
Die Wäschepäckchen können auch als eine bei einer Betriebsveranstaltung übliche Sachzuwendung angesehen werden. In Abschn. 11 Abs. 1 Satz 1 LStR 1966 werden im Anschluß an die Rechtsprechung des Senats u. a. Weihnachtspäckchen als Beispiel für eine übliche Zuwendung aufgeführt. Es ist nach Auffassung des Senats durchaus üblich, daß ein Betrieb, der selbst Gegenstände des täglichen Bedarfs (wie im Streitfall Wäsche) herstellt, diese auch zur Ausgestaltung der Weihnachtspäckchen verwendet, insbesondere, wenn es sich um Produkte zweiter oder dritter Wahl handelt.
Die Ausführungen in Abschn. 11 LStR 1966, nach denen bei derartigen Sachzuwendungen bis zu 50 DM im Kalenderjahr je Arbeitnehmer ein geringer Wert anzunehmen ist, stellen eine zutreffende Auslegung des Gesetzes dar (BFH-Urteil VI R 82/70). Bei der Überprüfung dieser Grenze sind, wie der Senat ausgeführt hat, die anteilsmäßigen Aufwendungen für mitgenommene Familienangehörige den Arbeitnehmern zuzurechnen. Diese im Urteil VI R 82/70 getroffene Entscheidung bezog sich allerdings lediglich auf Ehefrauen, die an einer Betriebsveranstaltung teilgenommen hatten. Wenn, wie im Streitfall, an einer Betriebsveranstaltung Kinder teilnehmen, so gebietet die soziale Zielsetzung der Veranstaltung, daß bei der Abgrenzung der steuerfreien Annehmlichkeit die Tatsache des Vorhandenseins mehrerer Kinder durch eine angemessene Erhöhung der Freigrenze berücksichtigt wird. Es würde dieser Zielsetzung widersprechen, wenn die ohnehin sozial schwächeren Arbeitnehmer mit mehreren Kindern nur deshalb im Rahmen einer im übrigen sozialen Zwecken dienenden Betriebsveranstaltung eine Lohnsteuer entrichten müßten, nur weil sie mehrere Kinder haben, die an dieser Veranstaltung teilnehmen. Insofern liegt im Streitfall ein gegenüber der Entscheidung VI R 82/70 abweichender Sachverhalt vor. Angesichts des Wertes der Veranstaltung (Märchenaufführung usw.) und des Wertes des einzelnen Geschenkpäckchens kann im Streitfall unter Berücksichtigung der vorstehenden Erwägungen zur Teilnahme mehrerer Kinder eines Arbeitnehmers für alle Arbeitnehmer noch eine Gesamtzuwendung von geringem Wert angenommen werden.
Da hiernach eine übliche Sachzuwendung von geringem Wert anläßlich einer Betriebsveranstaltung vorliegt, die schon aus diesem Grunde lohnsteuerfrei bleiben kann, ist die Frage, ob die Arbeitnehmer subjektiv oder objektiv auch einen geldwerten Vorteil erlangt haben, nicht mehr entscheidungserheblich.
Der Senat betrachtet auch die Päckchen an Kinder, die nicht an der Feier teilgenommen haben, als aus Anlaß dieser Feier gewährte steuerfreie Sachleistung. Es muß ohnehin davon ausgegangen werden, daß an einer Betriebsveranstaltung nicht alle dafür in Betracht kommenden Arbeitnehmer bzw. deren Angehörige teilnehmen können, etwa weil sie krank oder wegen Urlaubs abwesend sind. Es muß als noch zur Zielsetzung einer solchen Betriebsveranstaltung gehörend angesehen werden, wenn in Fällen dieser Art jedenfalls die aus Anlaß der Betriebsveranstaltung verteilten Geschenkpäckchen auch den Arbeitnehmern zukommen, die aus zwingenden Gründen nicht teilnehmen können. Eine andere Beurteilung würde nur dann gerechtfertigt erscheinen, wenn die Mehrzahl oder ein wesentlicher Teil der in Betracht kommenden Teilnehmerschaft aus nicht zwingenden Gründen der Veranstaltung fernbleiben würde. Etwas derartiges ist im Streitfall indessen nicht erkennbar.
Fundstellen
Haufe-Index 71824 |
BStBl II 1976, 392 |
BFHE 1976, 434 |