Entscheidungsstichwort (Thema)
Änderung von Bescheiden über die Erhebung von Währungsausgleichsbeträgen nach ihrer Bestandskraft
Leitsatz (NV)
1. Die Frage, ob die Verwaltung zur Berichtigung bestandskräftiger Bescheide über die Erhebung von WAB verpflichtet ist, entscheidet sich nach innerstaatlichem Recht.
2. WAB sind Abschöpfungen i.S. des Abschöpfungserhebungsgesetzes. Für Änderung und Festsetzungsverjährung von WAB-Erhebungsbescheiden gelten die Vorschriften der AO.
Normenkette
AbG §§ 1, 2 Abs. 1; AO 1977 § 3 Abs. 1, § 169 Abs. 1 S. 1, § 172 Abs. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin führte zwischen Februar 1975 und August 1977 über verschiedene Zollämter Molkenpulver aus den Niederlanden ein. Das HZA erhob in 8 Fällen aus dem Zeitraum vom 1. Oktober 1975 bis 18. Februar 1976 Währungsausgleichsbeträge (WAB). Die Klägerin legte gegen diese Abgabenbescheide keinen Einspruch ein. Am 29. Juni 1978 beantragte sie die Erstattung der WAB. Das HZA lehnte den Antrag mit Bescheid vom 26. Juli 1978 ab. Die Klägerin legte am 7. September 1978 Beschwerde ein, die das HZA als Einspruch behandelte und am 6. Juli 1979 als unbegründet zurückwies. Das Finanzgericht (FG) wies die hiergegen erhobene Klage als unbegründet zurück, da die Berichtigung der bestandskräftigen Abgabenbescheide und die Erstattung der gezahlten WAB wegen Verjährung zu Recht abgelehnt worden seien.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Rechtsanspruch auf Berichtigung der bestandskräftigen Abgabenbescheide aus den Jahren 1975 und 1976.
Das FG hat zu Recht entschieden, daß die Frage, ob die Verwaltung zur Berichtigung bestandskräftiger Bescheide über die Erhebung von WAB verpflichtet ist, nach innerstaatlichem Recht zu entscheiden ist. Das entspricht der gefestigten Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) und des erkennenden Senats (vgl. EuGH-Urteil vom 12. Juni 1980 Rs. 130/79, EuGHE 1980, 1887; Urteil des Senats vom 27. Mai 1982 VII R 30/80, BFHE 136, 433).
Die Anwendung der nationalen Rechte der Mitgliedstaaten auf diesem Rechtsgebiet führt dazu, daß die Marktbürger in den verschiedenen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften (EG) unterschiedlich behandelt werden. Das ist die unausweichliche Folge der mangelnden Rechtsharmonisierung bzw. des Fehlens eines einheitlichen Gemeinschaftsrechts. Es gibt entgegen der Auffassung der Klägerin keinen gemeinschaftsrechtlichen Rechtsgrundsatz, der in solchen Fällen der Anwendung des nationalen Rechts entgegenstünde (vgl. auch EuGHE 1980, 1887).
Ohne Rechtsirrtum ist das FG von der Anwendbarkeit der Vorschriften der Reichsabgabenordnung (AO) bzw. der Abgabenordnung (AO 1977) ausgegangen. Wie der Senat in seinem Urteil vom 13. November 1984 VII R 21/81 (BFHE 142, 340) entschieden hat, sind die WAB Abschöpfungen i.S. des § 1 des Abschöpfungserhebungsgesetzes (AbG). Auf sie finden also die Vorschriften für Zölle Anwendung (§ 2 Abs. 1 AbG). Die Zölle sind Steuern i.S. der AO bzw. der AO 1977 (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 2 AO 1977, § 1 Abs. 1 Satz 2 AO). Entsprechend hat der Senat auch früher entschieden (Entscheidungen in BFHE 136, 433, 435, und vom 14. Dezember 1982 VII B 38/82, BFHE 137, 382).
Die angefochtenten Verwaltungsakte sind nach Inkrafttreten der AO 1977 ergangen. Ihre Rechtmäßigkeit richtet sich daher nach neuem Recht (Art. 97 §§ 1, 9 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung - EGAO 1977 -; Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - in BFHE 136, 433, 435, und vom 10. Februar 1982 I R 190/78, BFHE 135, 396).
Nach § 172 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 darf ein Steuerbescheid aufgehoben oder geändert werden, wenn er Zölle (bzw. WAB; vgl. § 2 Abs. 1 AbG) betrifft. Diese Regelung wird aber durch § 169 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 eingeschränkt. Danach ist eine Aufhebung oder Änderung einer Steuerfestsetzung nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Das HZA war danach nicht befugt, dem Änderungsantrag der Klägerin nach Eintritt der Festsetzungsverjährung zu entsprechen.
Ob hinsichtlich der fraglichen Bescheide Festsetzungsverjährung im Zeitpunkt des Änderungsantrags der Klägerin eingetreten war, richtet sich nach den Vorschriften der AO (vgl. Art. 97 § 10 EGAO 1977). Das FG hat zu Recht entschieden, daß nach den §§ 144 Abs. 1, 145 Abs. 1 AO die Festsetzungsverjährung für die in den Jahren 1975 und 1976 durch Bekanntgabe der Abgabenbescheide entstandenen WAB spätestens am 31. Dezember 1977 eingetreten ist. Es hat dabei ohne Rechtsirrtum auf das Entstehen des jeweiligen Anspruchs abgestellt (§ 145 Abs. 1 AO), d.h. auf den Zeitpunkt des Ergehens der jeweiligen Bescheide. Auch bei sog. Serieneinfuhren kommt es bei der Frage der Festsetzungsverjährung auf den Zeitpunkt der Entstehung des Anspruchs und nicht etwa - wie die Klägerin meint - auf den Zeitpunkt an, zu dem der letzte Bescheid ergeht. Das HZA war somit nach § 169 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 nicht befugt, dem Antrag der Klägerin vom 29. Juni 1978 stattzugeben. Sein ablehnender Bescheid vom 26. Juli 1978 war daher rechtmäßig.
Zu Unrecht beruft sich die Klägerin demgegenüber auf die Urteile des Senats vom 15. Oktober 1968 VII 40/65 (BFHE 94, 41), vom 21. November 1968 VII 3/65 (BFHE 94, 306) und vom 10. Dezember 1968 VII 157/65 (BFHE 94, 315). Es kann dahinstehen, ob die Klägerin Inhalt und Tragweite dieser Entscheidungen in ihrer Revisionsbegründung richtig eingeschätzt hat. Jedenfalls sind die Entscheidungen zur Rechtslage nach der Reichsabgabenordnung ergangen. Damals galt noch nicht das ausdrückliche Verbot der Änderung einer Steuerfestsetzung nach Ablauf der Festsetzungsfrist, das in § 169 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 enthalten ist.
Fundstellen
Haufe-Index 413836 |
BFH/NV 1986, 74 |